Machtsysteme gründen auf Vertrauen und Zeit.

Silke, Montag, 29.04.2019, 19:25 (vor 2037 Tagen) @ Rotti2149 Views

Lieber Rotti,

ich habe wiederholt geschrieben, dass ich das Vertrauen als den Dreh- und Angelpunkt des Systems verstehe (nach Ausführungen von z.B. @dottore und @Ashitaka - "es startet mit Vertrauen in ein Versprechen und die Fähigkeit zum Zwang").

Vertrauen z.B. in:
- garantiertes privates Eigentum
- Funktionen des Geldes (wie "Wertspeicher" und Schuldentilgungsfunktion),
- Bürgerrechte und wirksame Gesetze
- staatlichen "Schutz" für die Schwachen (wie schon in jedem Prolog eines Codex ausformuliert z.B. im C.Hammurapi "Damit der Starke den Schwachen nicht schädigt..."
- eine sichere Rente und die Garantie der Einlösbarkeit angehäufter Guthaben
- funktionierende Geldautomaten, und dass der Aldi auch morgen geöffnet ist
usw.

So lange die Menschen vertrauen, stützen sie die Zentralmachtstrukturen teils auch wider besseren Wissens (kognitive Dissonanz), wollen Sachverhalte nicht wahrhaben und verleugnen Fakten oder haben schlicht keine bessere Alternative für sich und die Ihren zu eröffnen.

Steuerschulden ex Waffengewalt bzw Androhung der Anwendung.

Damit besichert das System seine stets nötige und unumgängliche Aufschuldung.
Wenn keiner dem Staat die Besteuerungsfähigkeit oder weitere Aufschuldungsfähigkeit zutraut, kauft keiner seine Staatspapiere (Besteuerungsfähigkeit von morgen) oder jubelt nicht für den nächsten Krieg.
Die Macht muss sich finanzieren können, sonst geht sie unter.
Sie kann sich nur per Verschuldung oder Raub finanzieren.

So weit, so verständlich.
Nun meine Bedenken, wie muss ein Staat handeln, der seine Forderungen an
seine Bürger nicht bedingungslos durchsetzen kann, da sie bis an die
Zähne bewaffnet sind?

Die Macht muss mit ihrer Macht sozusagen "wirtschaften".
Sie muss ausreichend Macht an sich reissen und gleichzeitig zedieren (Untereigentum, Freiheiten, Privilegien) sonst rödeln die Insassen nicht, vermeiden Steuertatbestände, Staatspapiere und den Aufbau von Guthaben und (Renten)ansprüche.
Sie darf keine Macht unnütz vergeuden, indem z.B. Demos niedergeknüppelt werden, sondern sie macht besser Zugeständnisse und Versprechungen die nicht viel kosten und die Menschen hoffnungsvoller macht und die sie später leise wieder abbaut.
Menschen ohne Hoffnung sind eine echte Gefahr für Zentralmachtsysteme. Sie schauen sich eher nach Alternativen um und werden kritischer (Auswandern, Sabotage usw.)

Finden wir hier den tieferen Grund für die Außenpolitik der USA?

Ein nach aussen starker Staat bietet seinen Insassen trotz miserabler Lebensverhältnisse für sehr viele Menschen ausreichend Vertrauen, dass die Bürger ihn stützen und so wie bisher weitermachen (Patriotismus, Nationalismus, Untertanen). Selbst die Obdachlosen halten ihre Fahnen hoch an ihren Zelten und viele Männer definieren ihren Wert (oder werden definiert) trotz der schrecklichen Traumatisierungen z.B. im Vietnamkrieg dadurch, ob und wo sie "gedient" haben.

Kompensation der inneren Schwäche durch dicke Eier in der Außenpolitik?

Das funktioniert doch ganz gut, wie bei verschiedenen Regierungen weltweit zu bestaunen ist.
Gelingt es dir, Vertrauen auf dich zu ziehen, kannst du selbst auf unpopuläre Art Macht entfalten.
Viele Russen schwören auch heute noch irgendwie auf ihren Zaren (das waren üble Gesellen) und andere schwärmen für ihre Königshäuser.

Liebe Grüße
Silke


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