Schlussfolgerungen basierend auf fehlerhaften Annahmen
So sehr ich gerne Deine Vision teilen würde - 80% der Menschen werden mit
ihrer Freiheit nichts anzufangen wissen. Wir sind Lebewesen die
evolutionär auf Fressen finden und nach dem Fressen auf absolutes
Nichtstun vulgo Energiesparen getrimmt sind. Die meisten Menschen werden
dieser Neigung - sprich ihrem inneren Schweinehund erliegen und verblöden,
verfetten, sich versaufen oder in einer der billigen Illusionsmaschinen
Drogen oder Gaming enden.
Also so wie jetzt auch schon? All das machen die Leute doch längst, aus genau den von den dir angeführten Gründen. Party am Wochenende bis ins Koma, saufen nach der Arbeit in der Kneipe, Drogenmissbrauch aller Orten, Übergewicht ist epidemisch (naja, bei uns noch nicht so arg). Alles längst schon passiert und die Gesellschaft funktioniert immer noch recht gut.
Ich denke, du befürchtest, dass das derzeitig zu beobachtende Verhalten unter den derzeitig herrschenden Umständen, sich mit dem Wegfall des Arbeitsdrucks exponentiell verschlimmern würde, ohne zu berücksichtigen, dass es genau jener Arbeitsdruck ist, der dieses Verhalten erst fördert (Realitätsflucht weil man seinen Job hasst und dann in der Freizeit dieses Defizit mit Gewalt aufholen will).
Die gerade weltweit laufenden Versuche und Studien deuten aber auf das Gegenteil hin.
Wenige werden mit dem BGE sinnvolles schaffen und
glücklich werden - und traue mich wetten - exakt jene Leute die das BGE
gut nützen könnten, werden die Leute sein, die just kein BGE beziehen
sondern selbiges als selbstständige Unternehmer erwirtschaften - weil
sie die Selbstdisziplin haben und weil sie als Zahler naturgemäß einen > höheren sozialen Status erringen können.
Diese Annahme ist ein non-Problem und so nicht existent. Auch Unternehmer erhalten das BGE, eben jeder. Die Frage nach dem erwirtschaften muss man völlig anders stellen. 2019 zum Beispiel steht in Schweden die erste voll robotische Autofabrik in den Startlöchern. Wer erwirtschaftet hier was? Siemens baut sie, investiert und Subunternehmer werden sie warten. Der feuchte Traum des Kapitalismus, die "Nettogewinnmaschine" sozusagen. Niemand erreicht damit aber einen höheren sozialen Status.
Die Frage ist eher, wie sich Unternehmer ausrichten werden, wenn diese Technik großflächig verfügbar ist. 2018 wird die Frima "Desktop Metal" eine 3D-Metalldruck Anlage auf den Markt bringen, die 100 mal schneller, sicherer und präziser arbeitet, als alles, was es Heute gibt. Da kommt der Tod der CNC Lohnfertiger auf leisen Sohlen heran und alles was man dann noch braucht, um eine Firma mit 100 Mann und zig Millionen teurer Technik zu ersetzen ist eine kleine robotische Straße, die die Fertigteile bewegt, reinigt und verpackt. Wo ist in diesem Bild der Unternehmer und was unterscheidet ihn von jedem anderen beliebigen Menschen außer der Tatsache, dass sein Name auf dem Gewerbe steht? Das, was einen Unternehmer Heute ausmacht, wird sich radikal verändern, genauso wie die Art, wie Werte erwirtschaftet werden und obendrauf das Verständnis, was "Werte" überhaupt sind. Da rollt eine Veränderung im Selbstverständnis des "Wertseins" auf uns zu, die auf den Heute noch gültigen Grundlagen nicht zu beantworten sind. Und das wird alles kommen, mit oder ohne BGE.
Alle Befürchtungen ala "dann wird das so oder so werden, weil X ja Y ist" sind aus heutiger Sicht sinnlose Diskussionen, die alle samt auf falschen Prämissen beruhen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass man ein Grundeinkommen für die 80%
Abgehängten haben wird müssen, wenn man an einem Staat weiterhin
interessiert ist. Andernfalls kommt recht rasch Mafia,Clan und
Bürgerkrieg. Da die bestehenden Eliten in so einer Anarchie auch das
Nachsehen hätten, werden sie es also möglichst billig umsetzen müssen.
Wenn sie über einen Ticken Menschenkenntnis verfügen, werden sie es
daher eher als Sklavensystem einführen zu ihrem eigenen Machterhalt und um
Opposition ausschließen zu können.
Ich bin trotzdem Optimist und hoffe.
Da bin ich allerdings ganz bei dir. Deshalb ist es Heute wichtiger denn je, den Leuten aufzuzeigen, wohin die Reise gehen kann und wohin sie auf keinen Fall gehen sollte. Aber um das zu schaffen, muss man sich selbst klar darüber werden, um welche Tragweite es sich handelt. Zweifellos wird es Bemühungen geben, es auf Machterhalt zu trimmen, aber ob das Erfolg hat wird davon abhängen, wie viele dabei passiv zuschauen werden.
Aber ich würde ein Grundeinkommen an Bedingungen knüpfen: Gib der
Gesellschaft etwas zurück, dafür dass sie dich durchfüttert.
Also genau das, was wir Heute auch schon machen? Ich bin verpflichtet, der Gesellschaft etwas zurück zu geben, weil sie mich durchfüttert. Ich bin verpflichtet, arbeiten zu gehen und Werte zu erwirtschaften um meine Gegenleistung (Geld) zu bekommen, mit dem ich dann ernähren kann. Wo ist der Unterschied?
Machen wir aus Arbeitsämtern wirklich Arbeitsämter - wofür
interessieren Sie sich? Worin meinen Sie gut zu sein? Wollen sie selber was
in diesem Bereich aufziehen oder sich bei einem der tausenden Vereine
bewerben? Sie wollen gar nichts machen? Da is ein Besen - morgen von 8-12
wird der Park gefegt. Bei Nichterscheinen gibts keine Kohle. Bei Fleissig
sein, tollen Ideen, Engagement gibts ein eisernes Kreuz oder die
Beförderung zum Oberfeger, Superfeger, Feger der Woche.
Echt jetzt, das klingt 1 zu 1 nach China, wo Kolonnen von Chinesen morgens die Autobahnen kehren weil sie sonst nichts zu tun hätten. Jemand zur Arbeit zwingen, auch wenn es keine gibt. Das hat mit Freiheit nichts zu tun.
Tätigkeit und
soziale Ausdifferenzierung muss auch im BGE stattfinden, sonst drehen die
Leute durch. Wer aussteigen will - 20 Wochenstunden kann man leicht
runterrödeln.
Zwang, mit all seinen Folgen die man Heute schon beobachten kann.
Und man kann sich, ja man soll sich nach seinen Interessen
engagieren - jedem Park sein gratis Fitnesscoach, Wächter, Hundetrainer,
Kinderbetreuer whatever. Hauptsache man tut was sinnvolles.
Also _kann_ oder _soll_ man? Freiwillig oder Zwang? Man kommt immer wieder darauf zurück.
Die
Gesellschaft wäre eine bessere, sicherere und die Menschen kämen in
gemütlichen Beschäftigungsverhälntissen auch wieder zum Plaudern.
OK, zum Schluss noch diese Aussage. Du implizierst damit, dass es schon einmal sowas gab und die Menschen da gemütlich geplaudert haben. Wann? Wo? Ich bin ja ein Fan von alten DDR Geschichten die ich meinen Kollegen bei jeder Gelegenheit aus den Rippen leiere. Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, dass damals diese Kriterien erfüllt waren, oder nicht?
Naja, schaut man genau hin, war der Lebensalltag geprägt durch Mangel, Zensur und Vetternwirtschaft. Die Menschen erinnern sich nun mal gerne an die guten Dinge und all die schlechten werden vergessen. Ja, die Arbeitsverhältnisse waren "gemütlich" und es wurde viel geplaudert, aber der Satz "wir hatten ja nix" charakterisiert die wahren Umstände aber am besten.
Tatsächlich gab es noch nie die von dir implizierten Arbeitsumstände und das ist ein allgemeines kognitives Problem bei so vielen Dingen, "die so sein müssten". Sei es "wieder ein selbstbestimmtes und aufrechtes Deutschland" oder "wieder faire Löhne" oder "eine offene Gesprächskultur" etc. such dir was aus.