Garnicht. Nachdem wir das nun geklärt haben, stellen wir auch fest, dass die Masse zwar vom Staate abhängt, ihn aber nicht formt
Es ist tatsächlich ein interessantes Interview, denn Gierhake ist eine eloquente und gebildete Rechtswissenschaftlerin (als solche ipso facto keine Staatsgegnerin) und formuliert wunderbar jenes bürgerliche Rechts- und Staatsverständnis, welches bis 2015/2020 in Deutschland Grundkonsens war und auch das Ideal des Grossteils der DGF-Foristen abbildet. Ein wunderbares Beispiel einer liberalen Bildungsbürgerin, aus einer allerdings nunmehr vergangenen Epoche. Dass Deutschland sich heute womöglich bereits in einer anderen Epoche mit einem anderen Rechts- und Staatsverständnis befindet, deutet auch Gierhake mehrmals an.
Ist es Aufgabe des Staates, den Menschen vor Infektionskrankheiten zu schützen, koste es was es wolle?
Das ist das Ergebnis einer Demokratie. Seitdem wir eine Demokratie haben, ist der Staat für alles zuständig.
Es gibt verschiedene Formen der Demokratie, von der bürgerlichen liberalen Demokratie der Schweiz bis zu den Demokratien, in denen der Volkswille sich direkt im Führungspersonal manifestiert oder von Expertengremien ermessen wird.
In verschiedenen Formen der Demokratie gibt es quantitativ erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmung des Individuums.
Die neue Epoche jenseits der bürgerlichen Demokratie verspricht eine elitäre Gremienrepublik, in welcher die verschiedenen Institutionen (Parteien, NGO, Medien) von ihren Sponsoren personell und ideell besetzt werden, wobei permanent breitgefächert nachgeordnete Institutionen und Gremien ausgebildet werden, um das Modell in der Fläche zu implementieren. Der Staat ist dabei jedoch keineswegs für alles zuständig, auch wenn dies dem Plebs vorgegaukelt wird: tatsächlich ist natürlich vielmehr der Plebs für alles zuständig, insbesondere für das Wohlergehen des Staates, der Institutionen und ihrer Sponsoren, nunmehr auch zusehends dafür, dass er seine Ansprüche mit den Interessen dieser in Einklang bringt, also solidarisch auf sie verzichtet.
Ohne den Staat gäbe es kein Stromnetz, kein Telefonnetz, keine Wasserleitungen, keine Abfallentsorgung, kein Straßrnnetz, keine Verkehrsverbindungen, keine Eisenbahn, keine schiffbaren Wasserstraßen, keine Lebensmittelversorgung, keine Einkaufsmärkte, keinen Handel, keine Märkte, keine Fabriken, keine Arbeitsplätze(!), kein Internet, keine Metalle und keine Metallwaren, keine Kunststoffe und kein Erdöl, auch keine Gasleitungen, kein Nichts. Jeder müsste Alles, was er benötigt, selber herstellen.
Das ist alles richtig, auch in der neuen Epoche soll dies alles bestehen bleiben. Ändern soll sich lediglich die Verfügungsgewalt über die Früchte der Wirtschaft: der Betrieb und die Zuteilung wird im Wesentlichen von einer kleinen Elite und im Detail von den Gremien und sog. Experten/Apologeten festgelegt werden, während die Selbstbestimmungsrechte/Entscheidungsmöglichkeiten des Bürgers/Konsumenten massiv eingeschränkt oder ganz eliminiert werden, zu seinem Wohl und zum Wohle aller, insbesondere auch der Sponsoren.
Die angestrebte neue Demokratie schränkt also nur die Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmung des Individuums weitgehend ein, der Staat bleibt selbstverständlich bestehen, der Willen des Demos wird ihm vorgegeben und dann auch sogleich verwirklicht. Dann sind alle glücklich. Der materielle Wohlstand des Demos mag drastische Einbußen erleiden, aber der Happinessindex wird neue Sphären erreichen, und nur ein paar alte Krakeeler werden sich noch im DGF wehmütig des vergangenen Jahrhunderts erinnern, bis ihnen das Internet und die Gesundheitslizenz entzogen werden.
Gruss,
mp