Corona - Schutzstrategie

Jacques, Donnerstag, 27.02.2020, 14:45 (vor 1517 Tagen)4455 Views
bearbeitet von Jacques, Donnerstag, 27.02.2020, 15:20

Die Schweiz verfügt über ein sog. Epidemie- und Pandemiegesetz.
Darin ist u.a. auch auch die generelle Strategie festgehalten.

Im aktuellen Fall Corona folgt der Bund (die Schweiz) dieser Strategie resp. sie ist gut ablesbar, meine ich.

Es gilt der Handlungsgrundsatz:
Sämtliche auszuführende Massnahmen orientieren sich an bekannten Fällen und nicht primär nach den Erwartungen (für letztere wird aber geplant).

Phase 1: Einzelne Infektionsketten isolieren.
In einer ersten Phase mit wenigen Fällen ist es das Ziel, Betroffene zu isolieren und den Kontaktpersonen akribisch nachzugehen. Das gelingt aber wirklich nur, wenn die Zahlen gering sind. Schlichtweg und nur darum, weil der Aufwand rasch zu gross wird, allen Kontakten nachzugehen und diese vorsorglich zu isolieren.
Einfach Beispiel:
Ein Infizierter hatte Kontakt mit 4 Personen, diese wiederum mit 4 weiteren und jede wieder mit 4 Personen. Es wird rasch klar, dass hier eine Exponentialfunktion vorliegt, deren Ergebnis im wesentlichen von der Dauer der Inkubationsdauer resp. den Anzahl Kontakten in dieser Zeit abhängt resp. den Exponenten zur Basis bestimmt.
Beispiel 1 infizierter mit 3 Erstkontakten: Basis 3 und dann Exponent sagen wir 5=> Ergebnis: 249+1 = 250 zu überwachende.

Treten in einem kleinen Land 6 Isolierte einzelne Fälle auf, sind rasch 1500 Quarantäneplätze zu Verfügung.

Es wird rasch klar: Mit 5 isolierten Fällen klappt das in der Schweiz problemlos, in Italien sowieso. Anders sieht es aber aus, wenn 100 Einzelne Fälle ohne erkennbaren Zusammenhang treten.

Gelingt es in der ersten Phase nicht, die Gefolgschaft der Einzelfälle zu kennen und zu isolieren wird klar: Jeder unerkannte Einzelfall in der Gefolgschaft wird zu einem "neuen" Einzelfall und bindet neue Ressourcen.

Noch perfider wird es, wenn einzelne einer Gefolgschaft unerkannt bleiben und weiter infizieren (=vermeintlich Herd, neue Kette)

Aber einer gewissen Fallzahl ist die Strategie der ersten Phase sinnlos, weil aufgrund fehlender Kapazitäten in begrenzter Zeit nicht mehr machbar resp. keine Eindämmung möglich. Das ist dann sinnlose Arbeit und Verschwendung von Ressourcen.

Man kommt dann zur Phase 2: Geopraphische Begrenzung der Infektionsherde

Die Chinesen wählten nun eine besondere Strategie:
Sie opfern die potenziellen Opfer und nehmen bewusst in Kauf, dass Gesunde weiter infiziert werden, das aber auf begrenztem Raum. Der Schutz gilt dann nicht mehr der Minderheit, sondern der grossen übrigen Mehrheit.

Folge: Man stellt Städte/Regionen unter Quarantäne.

Auch das ist absolut verständlich.
In Italien wurde das in einzelnen Dörfern gemacht.
EInfach gesagt: man wählt das kleinere Übel und sorgt/hofft mit begrenzten Ressourcen auf eine flächenmässige minimale Ausweitung (die infizierten Zahlen können trotzdem steigen).

Phase 3: Aufgabe geographischer Schutz/Schutz der Meistgefährdeten
Ab einer hohen Infektionsrate und diversen kaum mehr zu kontrollierenden Infektionsherden gibt man dann auch den Schutz der Mehrheit auf und konzentriert sich dann auf den Schutz der Meistgefährdeten (Schutz vor Tod, nicht Ansteckung).

Also solche mit Vorerkrankungen und im Falle Corona, dann auch auf die Risikogruppe der Alten. Wobei anzumerken ist, dass hier die Alterspyramide in den Überlegungen mitspielen wird.

Phase 4: Schutz von Schlüsselpersonen
Und nun wird es heikel: Wenn die Kapazitäten auch hier nicht mehr genügen, rückt Law and Order in eine besondere Rolle. Schlüsselpersonen müssen speziell geschützt werden und saugen Kapazitäten ab. Wer wird zur Schlüsselperson?

Alle Strategien folgen in dem Sinne stets den Überlegungen nach begrenzten Kapazitäten in Untersuchungen und medizinischer Hilfe - nur die Schutzziele ändern. Die Fallzahlen spielen keine wesentliche Rolle mehr und müssen einfach akzeptiert werden.

NUR: Diese Strategie kommuniziert niemand gerne. Es ist auch klar warum.
Trotzdem halte ich es für vernünftig, das zu kommunizieren - breit und laut. Immer eine aktuelle und folgende Phase erklärt.

Leider wird das nicht gemacht und stattdessen zeigt man Blaulichter auf Kurzvideos.

Herzlich aus der Schweiz in Phase 1 grüssend


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