Das eine schließt das andere nicht aus

Falkenauge, Donnerstag, 18.04.2019, 13:11 (vor 2045 Tagen) @ Balu3188 Views

Die Bewahrung sog. Kulturgüter, also Altertümer, denen die heutige sog
Wertegemeinschaft einen Wert beimißt, ist eine Erscheinung der heutigen
Zivilisation und damit einhergehenden Kultur.
Noch vor 200 Jahren haben Altertümer um der Altertümer willen lediglich
Archäologen interessiert.

Es ist eben heute eine viel höhere Bewusstheit für die Bedeutung der kulurellen Erzeugnisse vergangener Zeiten für die Rückschlüsse auf das damalige Welt- und Gotteserleben vorhanden. Ich halte die Bewahrung prinzipiell schon für wichtig, wenn sie auch im angemessenen Verhältnis zu den notwendigen Ausgaben in der Gegenwart stehen muss. Da wird sicher übertrieben. Da gebe ich Dir Recht.

Die Frage, die ich mir stelle ist, warum heben wir diese Altertümer so
hoch, dass wir unbedingt den Erhalt, den Wiederaufbau derselben fordern.
Mittelalterliche Städte werden bestaunt, ach wie heimelig, wer von denen
fragt sich jemals, wie darin zu leben gewesen sein muß. Die Heutigen
würden darin elendiglich verrecken innerhalb weniger Tage.
Dieses zum Kult zu erheben ist doch krank, das meine ich.

Den Erhalt mittelalterlicher Städte - es gibt ja nur wenige wie Rothenburg ob der Tauber z.B. - halte ich deshalb für sinnvoll. weil die Freien Reichsstädte damals ein wegweisendes Freiheitsbewusstsein der freien Bürger (Kaufleute und Handwerker) verkörperten, die gegenüber den adeligen Landesherren eine stolze demokratische Selbstverwaltung praktizierten. Natürlich gab es dort auch Schattenseiten, die werden aber, wenn man die Städte mit ihren Museen besichtigt, auch nicht verschwiegen.
Eine bloß äußerliche Restauration ist sicher eine Übertreibung, wenn sie auch den Sinn für eine bauliche Schönheit offenbart, die die modernen rechteckigen trostlosen Betonbauten vermissen lassen.

Ja, ND ist und war ein Denkmal (denk mal drüber nach....) interessant,
nachdenklich machend, wie haben die vor 800 Jahren sowas hin bekommen. Aber
die Frage, wieviel Blut und Schweiß gingen für diese kirchlichen
Gewaltexzesse zur Demonstration der Macht dafür drauf, wird schon nicht
mehr gestellt.

Auch das muss ich relativieren. Die Zeit der Dombauten war eine Zeit wirtschaftlichen Wohlstandes. Es wurden von den Bürgern der Städte ungeheure Summen gespendet. Und für die am Bau beteiligten Handwerker, die gut verdienten, war ihre Tätigkeit zugleich ein Gottesdienst. Und die beschwerlichen Arbeiten nahm man in der Regel gerne auf sich. Aber die vielen glas- und sonstigen malerischen und plastischen Kunstwerke wurden mit Enthusiasmus und großer schöpferischer Innigkeit ausgeführt.
Dabei unterzog man sich anders als heute überhaupt keinem Druck. Der Bau einer Kathetrale zog sich ja über 60, 70 - 100 Jahre hin. Diejenigen, die mit dem Bau begannen, haben seine Vollendung nie erlebt. Sie bauten nicht für sich, sondern selbstlos für die Menschheit und zur Ehre Gottes.

Trotzdem muss man immer, und da stimme ich Dir zu, die Restaurierungskosten im rechten Verhältnis zu den heutigen eigenen Aufgaben und auch der Unterstützung der heutigen zeitgemäßen Kultur handhaben.

Warum sollte eine solche Gesellschaft weiter leben?

Sie muss weiter leben, und wir sind ein Teil davon, aber wir müssen sie verwandeln.

Gruß
Falkenauge


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