das konstruktive Misstrauensvotum

Weiner, Dienstag, 05.06.2018, 21:05 (vor 2366 Tagen) @ nereus4518 Views

Hallo Nereus,

Du schreibst:

Oder erwartest Du konkrete Schritte zum Regierungssturz von mir
inkl. einer Bomben-Bastel-Anleitung?

Wer den König stürzen oder schlagen will, braucht eine überzeugende Alternative, die außerdem mehrheitsfähig ist. Alles andere wäre verantwortungslos. Herde ohne Leithammel ist das Gefährlichste, was es überhaupt gibt (Stampede in den alten Wildwestfilmen oder gegenseitige Selbstzerfleischung oder Lemminge in Richtung Abgrund).

Und neben dem Staatsstreich besteht noch die Option, den Staat zu streichen: sukzessive, nicht auf einmal, und so weit es eben geht - die Grenzen hat noch niemand ausgelotet (weil es noch niemand versucht hat).

Man sollte den Staat nicht gegen die Gemeinschaft ausspielen, beide überschneiden sich. *) Und der Staat ist umso erträglicher, je mehr gute Gemeinschaften es in ihm gibt.

Um auf den Ausgangspunkt zurückzukommen: eine Wende wird es erst und nur geben, wenn Bereitschaft besteht, auf zunächst kommunaler und regionaler Ebene neue politische Gemeinschaft(en) zu konstituieren. Dies kann nur im privaten Bereich beginnen - und sollte so lange als nur möglich auch privat gehalten werden. Öffentliche Vogelschiss-Rhetorik ist sowas von kontraproduktiv - schlimmer geht es nicht mehr. Gemeinschaft entsteht nicht durch Trennen, Diskriminieren, Spalten und Hetzen. Gemeinschaften, die nur dadurch entstehen, dass sie andere Gruppen angreifen, sind es nicht wert beachtet zu werden. Denn es könnte der Tag kommen, wo sie die Kooperation der Anderen brauchen.

Außer der Bereitschaft zu gemeinschaftlichem Handeln (das exakt ist Politik: Handeln in Gemeinschaft!) braucht es auch intellektuelle Arbeit: man muss eine Konzeption, einen Masterplan, wenigstens diskussionfähige Vorschläge haben, mit denen die anstehenden Probleme angegangen werden können. Und hier hapert es am allermeisten: an der Sachkunde im Einzelfall. Der Teufel sitzt immer im Detail - und kann nur dort gemeistert werden. Ein Großteil der gegenwärtigen Misere ist darauf zurückzuführen, dass Politik und Verwaltung keine Sachkompetenz mehr haben (bzw. diejenigen, die sie dort noch hätten, den Mund nicht mehr aufzumachen sich getrauen).

Es genügt also nicht, die Regierung stürzen zu wollen, man muss erst eine neue eigene Regierung in der Tasche haben (sonst gerät man, wie die DDR im Jahr 1989 vom Regen in die Traufe). Wie sich ein Neuaufbau ganz elegant in die verfassungsgemäßen Prozesse hier in diesem Land einfügen lässt, habe ich in meinen frühen Beiträgen auf diesem Forum mehrfach dargelegt. **)

Wünsche einen friedlichen Tagesausklang!

Weiner

*) Hervorragendes, sehr gelehrtes Buch hierzu: Nele Schneidereit, Die Dialektik von Gemeinschaft und Gesellschaft: Grundbegriffe einer kritischen Sozialphilosophie (2010).

**) Basis Wahlkreis, Direktkandidatenprinzip, die nächste Wahl ist 2021 ...


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