Des Pudels Kern

weissgarnix ⌂, München, Donnerstag, 15.06.2017, 13:28 (vor 2719 Tagen) @ baba4240 Views

Aber sie transportieren mehrheitlich schon in Berichten (bzw durch die
Auswahl der Berichte) bereits MEINUNG statt Information.

Dem stimme ich im Prinzip zu. Wobei ich "Meinung" hier als Begriff noch gar nicht mal strapazieren würde, denn über die wird ja trotz Wortwahl nichts bekannt. Pegida mag nach Ansicht des Autors zwar "marschieren", aber vielleicht findet er das insgeheim ja gut? Wer weiss das schon, wenn es nicht in einem Text steht, der ausdrücklich mit "Meinung" überschrieben ist. Marschieren tun alle, die entschlossen für oder gegen etwas angehen. Auch die Studenten sind marschiert (oft genug im Spiegel) oder jüngst auch die "Occupy Wallstreet"-Bewegung. Über die Meinung des Autors oder gar der Redaktion wird da nichts wirklich gesagt, das ist einfach eine Frage der Beherrschung des Sprachvokabulars. Findet man oft genug auch in der Literatur, ein Georg Büchner bediente sich zB einer ganz anderen Sprache als ein Heinrich Heine.

Trotzdem stimme ich wie gesagt zu. Es ist die Selektion von Informationen, die gewissen "eingelernten" Schablonen und Schemata gehorcht. Über diese Schemata wurde sehr viel von sehr vielen Leuten geschrieben, von der höchstpersönlichen Sozialisierung über redaktionelle Leitlinien und Grundsätze des jeweiligen Verlags, über "Mechanismen der Skandalisierung" und typisch deutsche Nachkriegsstereotypen bis hin zu forsch formulierten Imperativen wie zB "Freundschaft zu Israel als deutsche Staatsräson" oder "Islam gehört zu Deutschland". Speziell als letzteres geprägt wurde, zeitlich war ich da gerade mit der FAZ zu gange und in engerem Kontakt mit einem ihrer Herausgeber, kann ich nur sagen, wurde das von den (konservativen) Medien wie FAZ und Welt überhaupt nicht wohlwollend aufgenommen, sondern sehr kontrovers diskutiert. Andere Medienhäuser (Zeit, Spiegel) fanden das hingegen supie. Gleichwohl haben natürlich alle, alle, alle darüber geschrieben, weil von einem waschechten BuP so in die Welt gesetzt und damit einfach nicht ignorierbar. Sprich von der Auswahl der Themen her marschierten sie wohl alle in die gleiche Richtung, aber deshalb schrieben sie noch lange nicht das Gleiche. Der Generalvorwurf, dass dem immer so sei, stimmt daher meiner Ansicht nach nicht. Noch deutlicher sieht das in wirtschaftspolitischen Themen aus: dort mögen sich ebenfalls alle an den gleichen Themen abstrampeln (Export, Einkommensverteilung, Steuerreform), aber dass sie alle das Gleiche schrieben, behauptet hoffentlich niemand im Ernst.

Was AfD und dergleichen betrifft, so zumindest meine Beobachtung, gaben sich FAZ und Welt anfangs durchaus wohlwollend und veröffentlichten auch durchwegs positive Berichte. Oder auch die "Piratenpartei". Selbst zu Pegida, da waren beide Zeitungen offenkundig "neugierig erregt". Das änderte sich, als die offenbar unvermeidliche Radikalisierung einsetzte.

- Eine mehrere Meter hohe Guillotine mit Aufschrift "Pass bloß auf
Sigmar" wird kaum thematisiert, ein kleiner Galgen mit Aufschriften
"Reserviert, Siegmar 'das Pack' Gabriel" und "Reserviert Angela 'Mutti'
Merkel" wird von den Medien zum Großereignis hoch geschrieben.

Beides hätte mediale Verdammung verdient.

- Silvester in Köln: da musste man die Medien zum Berichten erst
animieren.

Das habe ich allerdings ganz anders in Erinnerung. Die von mir oben genannten Zeitungen waren schnell im Thema und ebenso schnell stand der Vorwurf der "polizeilichen Vertuschung" im Raum. Köln ist justament ein Thema, wo ich den Vorwurf an die Politik nachvollziehen kann, den an die Medien aber nicht.

- Aleppo war tägliches Großthema, Mossul ist kaum

Mag durchaus sein. Und vielleicht gibt es dafür rechtschaffene redaktionelle Gründe (andere Themen schienen interessanter), vielleicht gibt es auch unlautere politische Motive. Wie gesagt: Der Verdacht der Manipulation wird immer im Raum stehen, weil er tatsächlich auch zutrifft. Wenn du die Mittel hättest, das komplette Weltgeschehen zu erfassen, aber dann hast du jeden Tag nur 30 Minuten Zeit, deinem besten Freund davon zu erzählen, wonach wählst du aus? Alles kannst du ihm unmöglich erzählen. Erzählst du ihm das, was du für wichtig hältst? Oder das, was deiner Einschätzung nach er für wichtig hält? Oder das, was bei ihm das stärkste "Boooaaah, echt?" auslöst? Frag dich das doch mal. Und dann denk dir noch dazu, dass dein wirtschaftliches Überleben davon abhängt, ob er das interessant genug findet, dir auch morgen und übermorgen wieder zuzuhören.

Von wahrheitsgetreu berichten (also sich nicht mit der Sache gemein zu
machen) ist man meines Erachtens mittlerweile weit entfernt.

Jedenfalls nicht ganz so weit, wie von der Wahrheit an sich.


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