Fachkompetenz und gemäßigte Positionen in der Mitte
Hallo Nereus,
ich habe eine Reportage in Erinnerung, die Le Pen bei der Besichtigung eines Unternehmens zeigte. Es fiel mir eine große Unsicherheit bei ihr auf, die sie mit etwas burschikosem Auftreten zu kompensieren suchte (was zu einer Frau ohnehin nicht passt). Es gibt wohl in der Front National keine wirklich tragfähigen Kontakte zur französischen Industrie. Eine Partei kann aber ohne solche Beziehungen heute nicht existieren bzw. ist dann eine reine Luftblase.
Politiker sollten Fachkompetenz haben. Haben sie aber nicht. Das ist das Dilemma und öffnet dem Lobbyismus dann die Tür. Die etablierten Parteipolitiker können sich aber jederzeit Fachkompetenz holen, wie sie es nach Lust, Laune und Situation eben brauchen, mal so, mal so, und drei Tage später wieder das Gegenteil. Notfalls lassen sie sich halt einen Gesetzestext von einer Kanzlei schreiben:
https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/2017-04-17/so-viel-kostete-die-vorbereitung-der-b...
(ich darf bitte mit diesem LINK auch ganz allgemein auf die hervorragende Arbeit von Parlamentwatch e.V. in Hamburg aufmerksam machen).
Meine Einschätzung ist die Folgende: in der deutschen Industrie, im deutschen Unternehmertum und auch in der öffentlichen Verwaltung hierzulande, ja sogar an den Universitäten sind sehr, sehr viele Leute, denen die gegenwärtige Politik total "auf den Sack geht", und die bereit wären, ihre Fachkompetenz in eine neue politische Bewegung einzubringen. Aber diese Menschen sind nicht bereit, Kontakt zur AfD aufzunehmen, weil die AfD ihnen einfach zu schmuddelig und zu inkompetent ist - und zu viel Stress macht (der immer kontraproduktiv ist, wenn es um gemeinsame solide Lösungen geht). Das sehe ich ja auch so bei Le Pen und natürlich bei Trump, der nur poltern und seine Show abziehen aber nicht sachgerecht politisch arbeiten kann. Vielleicht wird man es ihm beibringen ...
Man könnte sich nun auf den Standpunkt stellen, dass die AfD im Laufe der Jahre ihre (in den Augen des Mainstreams) extrem rechten Positionen genauso eindampfen wird, wie die 'Grünen' ihre Strickpullover und Turnschuhe einst aufgegeben haben. Die Grünen haben ja bereits in den Anfangsjahren den Mainstream zu einer Korrektur in Richtung grün bewegt. Und so rückt ja der Mainstream auch gegenwärtig de facto nach rechts (erkennbar an den sich überall andeutenden 'großen Koalitionen'). Die etablierten Parteien sind doch nicht dumm!! **)
Allerdings haben wir keine Zeit mehr, auf solche Anpassungen oder gar auf einen neuen 'Gang durch die Institutionen' zu warten. Die Krise der Welt wird sich schneller zuspitzen als erwartet. Die einzige Lösung wäre in meinen Augen, nach den Piraten und der AfD (die ich als gescheitert ansehe mit vielleicht 8% bundesweit), eine dritte Bewegung in der Mitte. Das ist aber eine Illusion.
Sonniges Wochenende!
Weiner
**) Neulich hat hier jemand Wahlplakate von SPD und CDU mit hellhäutigen, blonden Kindern verlinkt. Das ist ein Indiz für die von mir gemeinte Anpassung bzw. die diskrete Bewegung nach rechts, auf die man in den Werbeagenturen bereits reagiert. Wenn heute die SPD und CDU wie in den vergangenen Jahren Kraushaar und schokobraune Haut präsentieren würden, dann würde das den potentiellen Wähler nerven. Deswegen lässt man es einfach sein ...