Was auffällig ist: Warum sind die Städte und der öffentlich Raum in ärmeren Ländern viel schöner und gepflegter als bei uns?

Plancius, Sonntag, 23.06.2024, 10:00 (vor 7 Tagen) @ Ankawor1681 Views

Mir fällt schon seit vielen Jahren auf, dass die Städte und der öffentliche Raum in Ländern Ost- und Südosteuropas mit wesentlich geringerem BIP pro Kopf als bei uns viel schöner und gepflegter sind.

Vor allem die Straßenbegrünung, bunten Bepflanzungen und die gepflegten Parks sind auffällig. Man sieht auch immer wieder Arbeiter oder Babuschkas mit Besen oder Hacke durch die Stadt laufen, Unkraut jäten, hacken oder die Straße fegen. An heißen Sommertagen kommt wie früher der Wasserwagen und spritzt den Staub von der Straße und den Gehwegen.

Auch die Straßencafes, Restaurants und Biergärten in diesen Ländern sind gut besucht. Ist zwar alles billiger als bei uns, das Einkommen ist aber wesentlich niedriger. Wenn ich so sehe, was bei uns in Ostdeutschland zuerst gelitten hat nach der Wende, dann ist es die Gastronomie. Wenn das Geld knapp ist, dann sparen die Leute nämlich zuerst an Taxifahrten und als zweites am auswärts Essengehen und Feiern.

Wenn man das ehemalige sozialistische Lager anschaut, dann hat in den 90er Jahren zunächst Ostdeutschland mit dem "Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost" die höchsten Bauaktivitäten des Ostblocks verzeichnet. Viele graue Städte der Ex-DDR wurden saniert und erstrahlten in neuem Glanz. Das ganze Sanierungsprogramm war jedoch nur halbherzig. Insbesondere die Grünanlagen wurden vernachlässigt und nach wie vor stehen viele Ruinen stehen zwischen schön sanierten Häusern.

Die halbherzige Sanierung ist mir vor ein paar Monaten insbesondere in Quedlinburg aufgefallen. Dort gibt es immer noch viele Bruchbuden, der öffentliche Raum war dreckig und ungepflegt. Altes Laub lag schon jahrelang in irgendwelchen Dreckecken.

Seit den Nuller Jahren sind die Länder des Ostblocks gegenüber Ostdeutschland auf der Überholspur. Viele Autobahnen, Umgehungsstraßen, neue Gewerbegebiete wurden gebaut, die Städte werden saniert und aufgehübscht. Selbst die Städte in einem sonst armen Land wie Rumänien sind ein Traum gegenüber den deutschen Städten (wenn man von den verwahrlosten Neubaughettos der Ceausescu-Zeit absieht).

Auffällig ist, dass die Stadtplaner dort den öffentlichen Raum viel einfallsreicher und hochwertiger gestalten, wenn man Pflasterungen, Beeteinfassungen, Straßenlaternen, Bepflanzungen usw. anschaut. Aber nicht nur das äußere Erscheinungsbild wurde besser. Man hat auch viele Kläranlagen gebaut und alte Heizkraftwerke von Kohle auf Gas umgestellt. Und all das, obwohl die Einwohner dort im Verhältnis viel weniger Steuern und Abgaben zahlen als bei uns. Auch Wasser- und Abwasserpreise sind trotz umfangreicher Investitionen der letzten Jahre viel günstiger.

Ich bin ja in der Kommunalpolitik engagiert und weiß, dass unsere Stadt schon seit Jahren pleite ist. Alles was hier getan wurde und die Stadt schöner gemacht hat, geschah in den 90er Jahren bis ca. 2005. Seitdem wird von der Substanz gelebt. Fast der gesamte städtische Haushalt geht in die Verwaltung. Dann kommt der Schuldendienst. Fördermittel gibt es nur, wenn die Kommune auch einen Eigenanteil trägt. Da kein Geld hierfür da ist, werden Schulden gemacht.

Weil die Anlieger seit einigen Jahren keinen Eigenanteil bei der Sanierung von Straße und Gehweg mehr zahlen müssen, wird auch hier nichts mehr investiert. Werden denn mal Straßen in der weiteren Umgebung gebaut, dann wird immer die billigste Lösung gewählt. Hier gibt es nicht solch schönen Kreisverkehre mit künstlerischen Elementen und wunderschönem Grün wie man sie z.B. in Polen findet, wenn denn dort was neu gebaut wird.

Und trotz des für alle offensichtlichen Niedergangs unseres Landes strömen nach wie vor viele Arbeitskräfte aus den Ex-Ostblockstaaten zu uns. Auf unseren Baustellen spricht man zumeist polnisch, unsere Krankenhäuser beschäftigen Ärzte aus Polen, Tschechien, Rumänien, Ukraine, Bulgarien, Ungarn usw. Deutsche Ärzte sind fast nicht mehr anzutreffen. Wenn dann nähern sie sich dem Rentenalter.

Irgendwie verrückte Welt.

Gruß Plancius

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"Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad an Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand." ARTHUR SCHOPENHAUER


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