Lieber NST!

ja, ich bin jener. Doch während Du vielleicht zweiwöchentlich von mir liest, lese ich Dich fast jeden Tag. ;)

Das von Dir dargelegte Zitat empfinde ich übrigens nicht als Zierde oder repräsentatives Beispiel, sondern eher als persönlichen Limbo durch die Katzenklappe meinerseits.

Grundsätzlich werde ich äußerst selten vulgär, aber in seltenen (An- und Aus)Fällen muß ich die mir innewohnende Wut auf katharsische Art verbal austoben.

Ich unterstelle dabei aber stets, daß man im Allgemeinen mir gegenüber wohl eher Gnade vor Recht walten läßt; doch scheint es zu meiner Überraschung tatsächlich Leute zu geben, die meinen Zeilen zuweilen etwas abgewinnen können.

Den lieben Oblomov werde ich weder in seiner Eigenart noch in seiner Frequenz ersetzen können – es sei denn, ich entdecke bald eine Vorliebe für launige Einzeiler.

Selbst wenn ich es wollte, könnte ich kein ambitionierter Schreiber sein, denn mein Alltag schleift mich bis zur Bewußtlosikeit – nicht aufgrund der derzeitigen Härte, sondern wegen des nicht enden wollenden Ungemachs. Ich erschöpfe mich darin, Geld zu verdienen, und meine Würde zu behaupten.

Ich lese hier seit über 10 Jahren täglich mit, und fühlte mich dabei nicht selten wie ein Schulbub, der interessiert dem lauscht, was die Größeren auf dem Pausenhof so quatschen – zwischen Joint und Pausenglocke.

Viele Euerer Höhen und Tiefs habe ich, am Geländer stehend, applaudierend und – manchmal auch mit einem Taschentuch im Gesicht, begleitet.

Vermutlich habe ich Euch, als konträr gemischtem Kollektiv, viel mehr auf meinem Weg zum Erwachsenwerden zu verdanken als mir lieb ist.

Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß es weniger die wirtschaftstheoretischen Dinge waren, die mich gefesselt haben, als die Unkonventionellen unter Euch – die ohne diesen hervorragenden Unterbau weit weniger Glaubwürdigkeit genossen hätten.

Tassie Devil habe ich leider nicht mehr erlebt, bzw. war ich noch sporadischer Leser, als ich von seinem Tod erfuhr. Der hätte sicher noch viel zu sagen gehabt.

Während mir Monterone/Tempranillo und Lakotabuche/die Hopi beispielsweise gleichsam den Tag bereichern konnten, muß ich gestehen, daß insbesondere Dialoge zwischen Ashitaka und Ostfriese oft eher für Juckreiz auf meiner Schädeldecke sorgten, weil ich für diesen intellektuellen Alpinismus vermutlich nur unzureichend gerüstet bin.

Es gibt etliche, denen ich die Stirn für die Veröffentlichung ihrer Gedanken küssen müßte – wirklich etliche!

Aber es gab auch immer Momente, in denen ich das Fundament des Forums bedroht sah.

Ich meine damit nicht einmal die Eskalationen, sondern die allgemeine Tendenz, daß etwas zu viel Beliebigkeit Einzug erhalten hat.

Damals war das Gelbe Forum für mich ein Hort der Intellektualität, eine hochtrabende Dunkelkammer geistiger Gärprozesse, die ich allein nur durch Zufächern von Sauerstoff hätte unterstützen können.
Heute freue ich mich zwar stets über neue Beiträge, aber die Klasse alter Tage scheint vermutlich auch aufgrund der Zeitqualität nicht mehr wiederzubeleben zu sein.

Ich bin dankbar dafür, daß ich seit einigen Jahren nun den Schlüssel zu Euerem Bällchenbad, den ich verschollen glaubte, habe – aber ihr dürft unbesorgt sein:

Mein Energielevel ist auf Zehnagelhöhe (sieht man an den Löchern im Socken), mein geistiger Horizont erhebt sich nur mühsam über die selbst gestellten Hindernisse, und mein Mitteilungsbedürfnis reicht oft nicht mal mehr für Selbstgespräche.

Die Tatsache, daß ich, wie einst Mathias Rust, mit unlauteren Propellern auf dem roten Läufer gestrandet bin, ist nichts weiter als ein Unfall.

Es wäre mir eine große Freude, mich sporadisch einbringen zu dürfen, falls ich denn wirklich glaubte, etwas Bereicherndes beisteuern zu können.

Ich habe weder die Zeit noch die Muße, Euere Geduld zu beanspruchen.

Soll ich noch eine Vorstellung schreiben?

Liebe Grüße an alle Charakterköpfe!

Fenrizwolf