Das muss man alles sehr differenziert sehen

helmut-1, Siebenbürgen, Sonntag, 02.07.2017, 19:35 (vor 2707 Tagen) @ Hasso3794 Views
bearbeitet von unbekannt, Sonntag, 02.07.2017, 19:43

und begründet sich natürlich mit der erlebten Geschichte.
Ich war mit Jugendgruppen noch im tiefen Kommunismus in der Tschechei, hatte Kontakt zum Kulturministerium, war zu Volkstumsveranstaltungen eingeladen. Eines der schönsten gibts jährlich im Schloßpark von Straßnitz.

Natürlich half mir mein österr. Pass und mein tschechisch klingender Name, - aber alle wussten, dass ich aus der sudetendeutschen Ecke komme, und welche Funktion ich im Verband hatte. Offiziell nannte man mich immer als ein Mitglied der "nÄ›mecká delegace", das Wort "sudety delegace" war tabu.

Im Gespräch mit tschechischen Partnergruppen haben wir immer wieder festgestellt, wie diese von der von oben diktierten Schulgeschichtsschreibung an der Nase herumgeführt wurden. Wenn wir dann, - wenn die offiziellen Betreuer im Hotel waren - Klartext geredet haben (manche konnten deutsch, sonst eben auf englisch), dann merkten wir schon, wie betroffen die jungen Leute darüber waren, was sich da nach 1945 abgespielt hat.

Zur konkreten Antwort:

Die Einstellung der tschechischen Bevölkerung zu den Deutschen ist sehr unterschiedlich, - je nach persönlichen Erlebnissen. Die jüngere Generation ist da sehr aufgeschlossen und hat keine Probleme, bei den Älteren kommts darauf an, ob sie früher in guter Nachbarschaft neben den Sudetendeutschen gelebt haben oder ob sie zum kommunistischen Parteikader gehörten.

Fest steht, alle Mitglieder des Prager Kulturinstitutes, das dem Ministerium unterstellt war, waren von einem notwendigen Brückenschlag überzeugt, es wurden da keine unsichtbaren Mauern gezogen. Aber immer nur dann, wenn die Kerle aus dem Ministerium nach Hause gegangen sind.

Mein Onkel, der in einer Fabrik arbeitete, wurde aber immer wieder von manchen Kollegen und Vorgesetzten geschnitten, weil sie ihm als den Deutschstämmigen das Fachwissen neideten. Manche Vertriebene klopften an die Tür von den Tschechen, die man in ihre Häuser eingewiesen hatte, und es wurde ihnen freundlich geöffnet. Manche hatten auch andere Erlebnisse, - aber das war die Minderheit.

Hab mich mal, - weil ich gerne provoziere - etwas aus dem Fenster gelehnt. Auf der Heckablage habe ich bei der Einreise gut sichtbar eine Schallplatte einer sudetendeutschen Volkstanzgruppe gelegt. Das bescherte mir eine längere Diskussion, so über zwei Stunden, mit dem diensthabenden Offizier der Grenze. Sprach übrigens perfekt deutsch, als Tscheche. Der anfangs feindliche Ton hat sich bis am Schluss geändert, wir hatten einen angeregten Meinungsaustausch und verabschiedeten uns freundlich. Er bat mich aber, diese Schallplatte nicht mehr sichtbar liegen zu lassen.

Bei den Slowaken ist die Situation anders. Da gabs immer eine Art der Solidarität zu den Deutschen, weil sie ja von den Tschechen genauso unterdrückt wurden. Hab mich da wunderbar mit älteren Leuten unterhalten, die meist mehrere Sprachen beherrschten. Neben ihrer Muttersprache und dem Tschechisch auch Ungarisch, manche auch ruthenisch. Sehr freundlich, diese Leute, auch die jüngere Bevölkerung.

Was sich geändert hat, nach 93, das wardas Verhalten der Grenzer. Die bekamen durch die frisch gewonnene Eigenständigkeit einen derartigen Nationalfimmel, dass man es kaum glauben konnte. Als mich einer nach dem Fahrziel fragte, und ich "Preßburg" angab, da hätte man mal erleben sollen, was der aufgeführt hat, weil ich nicht "Bratislava" gesagt habe. Aber das waren nur die offiziellen Organe, - auch die Polizisten haben gerne nach deutschen Nummernschildern Ausschau gehalten, um abzukassieren.

All das ist schon lange her, in den letzten 15 Jahren war ich nicht mehr dort, - es wird sich manches gebessert haben.


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