Klinische Hypnose und/oder Neuro-Linguistisches Programmieren (NLP) zur Elimination von Phobien

Literaturhinweis, Dienstag, 30.05.2017, 23:18 (vor 2736 Tagen) @ Ulli Kersten4503 Views
bearbeitet von unbekannt, Dienstag, 30.05.2017, 23:43

Eine Phobie ist eine erlernte Reaktion, die sich vom (noch) als "rational" empfundenen Verhalten dadurch unterscheidet, daß sie -aus Sicht der nicht-betroffenen "Normalen"- eine Überreaktion gegenüber dem zugrundeliegenden Reiz zum Ausdruck bringt.

Dieses Lernen der Phobie geschieht meist in der frühen Kindheit, kann aber in jedem anderen Lebensabschnitt ebenso "erlernt" werden. Und was man erlernen kann, kann man genausogut wieder verlernen.

Notabene: dieses Lernen ist nicht ganz dasselbe, wie das Lernen, das man mit schulischem oder universitärem Lernen meint. Aus dem "Wissens"-Lernen folgt meist ... nichts, d.h. keinerlei körperliche Reaktion, keinerlei Verhalten. So parkt etwa auch ein Verkehrspolizist mal an Stellen, wo es verboten ist, der Arzt raucht, der Hochleistungssportler, wiewohl Medizinstudent und sich der Gefahren bewußt, dopt, usw.

Die Welt sähe bekanntlich anders aus, wenn der Kantsche Imperativ auch beherzigt würde.

Gerald Kein, den ich auch hier benannt habe, hatte in seiner Hypno-Analyse mal einen Geschäftsmann, der plötzlich nicht mehr über Brücken fahren konnte, da er dann Panik bekam. Diese Panikattacken entwickelten sich über mehrere Jahre zu immer schlimmeren Behinderungen seiner Reisetätigkeit. Meist suchen solche Leute ja erst dann die Hilfe von Hypnotherapeuten oder auch NLP-lern, wenn alles andere fehlgeschlagen ist, dabei ist Klinische Hypnose seit ca. zwei Jahrzehnten endlich als Verfahren neben anderen wie Verhaltentherapie u.a. anerkannte Zusatzausbildung auch für Ärzte und Psychologen. Die Berührungsangst gegenüber "Zombie-Hypnose" existiert nur noch in der Laiengesellschaft und unter Ärzten, die davor approbiert wurden (jedenfalls sollte das so sein - Eifersüchteleien zwischen Therapierichtungen hat es immer gegeben, zur Zeit streitet man dem NLP die "studienbelegte Wirksamkeit" ab).

Als er schließlich nicht mehr ein und aus wußte, ging er also zum Hypnotherapeuten - und zum Glück erwischte er Kein und nicht irgendeinen Scharlatan.

Long story short: am Ende kam heraus, daß er als Kind, vielleicht mit zwölf Jahren, auf einem runden Gasometer mit einem Freund herumkraxelte. Irgendwann gerieten sie ins Rutschen und konnten sich nur mit Müh' und Not vor einem tödlichen Sturz bewahren. Später "nagte" dieses Erleben bedrohlicher Höhe in seinem Unterbewußtsein immer weiter, bis es am Ende sich in einer Angst vor allem manifestierte, "wo es links und rechts steil bergab geht".

Nach der 'Hebung' dieses verdrängten Bewußtseinsinhaltes und einigen anderen Interventionen in Tiefenhypnose war er künftig frei von seinen irrealen Ängsten - reale Furcht dagegen wird ihn auch heute noch davor warnen, auf einem Brückengeländer zu balancieren.

Soweit zur Unterscheidung zwischen Panikattacken/Phobien und "Gebranntes Kind scheut das Feuer".

Die Grenzlinien sind nicht immer einfach zu ziehen, denn sie sind auch kulturell bedingt. Wer aus religiösen Gründen glaubt, vorehelicher Sex oder der Genuß von Schweinefleisch oder eine unbeschnittene Vorhaut werde ihn das Himmelreich kosten, der wird in seiner kulturell-homogenen Gruppe nicht auffallen, im Gegenteil, und woanders wird man das, je nach Reaktion, die im Einzelnen sehr stark sein kann (vgl. die frühere Furcht vor Gehirnerweichung und Siechtum nach Onanie), ja zuweilen panisch, als völlig morbides Verhalten interpretieren.

Nehmen wir jetzt diesen Fall:

13-jährige, mit Mutter in Eisdiele. Großer gläserner Eisbecher fällt vom Tisch, tausend kleine Scherben und Eismatch überall, auch auf den nackten Füßen des Mädchens. Folge: Unkontrollierbare Panikattacke, keine Beruhigung möglich. Besorgniserregender Zustand, Atemprobleme, Arzt rufen?
Auch nach einiger Zeit läuft sie nur auf Zehenspitzen, weil in der Vorstellung kleinste Glasteilchen in den Fußsohlen stecken könnten.

Das ist kein Einzelfall. Den ersten gab es schon im Alter von 3 Jahren durch freundlichen, aber übermütigen Hund. Und wenn irgendwo eine Wespe summt, rennt sie in Panik davon und nimmt keine Rücksicht auf irgendwas, würde auch vor ein Auto laufen.

Ich vermute stark, daß die Hundephobie nichts mit der Glasphobie zu tun hat. Multiple Phobien sind auch nichts seltenes. Ganz zum Ausrasten bringt man das Kind, wenn man in die eine Tür einen Hund stellt, vor dem offenen, zur Flucht geeigneten Fenster sich gerade eine Spinne abseilt und man auf dem Teppich Glassplitter verteilt ...

Ich könnte mir vorstellen, daß die Betroffene z.B. einen Autounfall mit großem Getöse miterlebt hat und anschließend flogen im Auto überall Glassplitter herum. Oder nachts kam ein Einbrecher durchs Fenster, der glaubte, niemand sei zuhause, schlug eine Scheibe ein - und siehe da, Vati rennt hin, brüllt 'rum, Mutti fängt hysterisch an zu schreien ... You get the picture.

Solche -danach verdrängten (unangenehme und schockierende Erlebnisse werden 'gerne' "vergessen", die menschliche Erinnerung ist eine der genauesten nicht)- wirken aber dennoch fort und wenn es eine ähnliche Situation gibt, dann werden sie jedesmal neuronal erneut "gebahnt" und so verstärkt. Phobien neigen also dazu, je häufiger die Anlässe erlebt werden, zu immer stärkeren Reaktionen zu führen. Irgendwann reichen ein paar glitzernde Pailetten an Fasching.

(Ich habe mal versucht, einer Frau durch Gespräche und praktische Übung ihre Spinnenangst zu mildern, was nicht geklappt hat: "Ich WILL Angst vor Spinnen haben", bekam ich zu hören. Das war in einem Land mit giftigen Spinnen.)

Die rationale-emotiven Therapien verfehlen hier meist ihr Ziel. Auch wenn Krankenkassen gerne Verhaltenstherapien für Putzsüchtige u.a. Zwangsstörungen zahlen, ist es für einen, der um die Vielfalt der therapeutischen Verfahren und deren oft auf bestimmten Gebieten anerkennenswerten Verdienste weiß, deprimierend anzuschauen, wie sich dann ein Phobiker, angeleitet von einem Verhaltenstherapeuten und angefeuert dazu noch von mitrekrutierten wohlmeinenden Freunden, Bekannten oder Arbeitskollegen, bemüht, einen cm näher an das Objekt seiner Furcht zu gelangen. Bis nächstes Mal, irgendwann werden es bestimmt 5 cm - entspannt fühlen wird er sich dabei in den meisten Fällen lebenslang nie.

Der von mir mehrfach erwähnte Dave Elman, dem wahrscheinlich der Durchbruch der modernen klinischen Hypnose zu einem ärztlich approbierten Verfahren zu verdanken ist (zu seiner Zeit, in den siebziger Jahren, wurde sie immer noch angefeindet), hatte mal den Fall eines Mannes, der "schon sein Leben lang" stotterte.

In der hypnotischen "Regression" (Altersrückführung) schließlich gelangte Elman an den Punkt, wo er noch nicht stotterte, im Vorschulalter. Der Anlaß war folgender: er hatte vor nicht allzulanger Zeit auf einem Teich Enten schwimmen gesehen. Wenig später hatte sein Vater ihm zwei Hühner-Küken geschenkt. Der Junge setzte die zwei Küken dann in eine Wanne mit Wasser im Garten, wo sie prompt ertranken. Als der Vater heimkam, drosch er den Jungen windelweich, als der sich rechtfertigen wollte (er dachte ja, die könnten schwimmen), verbot er ihm unter Androhung noch viel schlimmerer Prügel "den Mund aufzumachen" und als er weinen wollte, verbot er ihm auch das. Wenig später begann er zu stottern.

Auch das Stottern wurde von Elman während einer Sitzung behoben. Daher:

Zurück zum Kind: Kann Hypnose da helfen? Oder gibt es andere Möglichkeiten?

Ja, mit großer Wahrscheinlichkeit. Aber das heißt nicht, daß jeder Hypnotherapeut was taugt. Darum auch die umfängliche Einleitung - auch deshalb, weil, anders als in vorgenannten Beispielen, es sich eben um ein Kind handelt. Sind die Eltern dem Versuch mit der Hypnose gegenüber mißtrauisch oder ablehnend oder zweifelnd eingestellt (wobei es genügt, wenn die Mutter glühende Befürworterin wird, der Vater aber mißmutiger Skeptiker bleibt), dann überträgt sich das auf das Kind.

Bei allen Warnungen vor der Aufhebung der Willensfreiheit in der Hypnose, ist es so, daß grundsätzlich nur hypnotisiert werden kann, wer dazu bereit ist. Jeder kann hypnotisiert werden, aber nicht jeder will es.

Der Bühnenhypnotiseur fragt ja das Publikum, "wer möchte mal hochkommen zu mir und das ausprobieren" - das sind schon mal die potentiell Willigen. Da er zudem gelernt hat, Körpersprache zu interpretieren, zeigt er aber nur auf ganz bestimmte, die er für darüberhinaus "unproblematische" Kandidaten hält. Und wenn er dann zwanzig auf der Bühne hat, macht er ein kurzes "Screening", ohne daß das Nicht-Erfahrene wirklich mitbekommen und schickt u.U. zwei wieder nach unten, weil es doch "irgendwie zuviele" auf der Bühne seien. Darum funktioniert es meistens so reibungslos. Diese Probanden sind i.d.R. extrovertierte Persönlichkeiten, die zwar scheinbar Sachen machen ("mit sich machen lassen"), die sie "im normalen Leben" doch nie machen würden. Aber nein: das sind genau die, die das bei nötiger Enthemmung auch machen würden, d.h. bei der Spring Break unter Alkoholeinfluß, wo die Studentin, spätere Chefin einer Werbeagentur, plötzlich an einer "Wet T-Shirt-Competition" teilnimmt. Das erkennt der Bühnenmagier eben und sucht sich genau diese heraus. Und ob sie nun den Alkohol oder die Hypnose zur Entschuldigung haben - in beiden Fällen können sie vor ihrem wohlerzogenen church-going Bewußtsein rechtfertigen "Ich war's nicht, das war ... die Hypnose, der Alkohol". In Diktaturen ist es der Führerbefehl.

Was kann man tun, um sowas abzumildern?

Nichts. Das ist erlentes Verhalten, das therapiert werden muß. Abmildern is' nich'. Das geht nur "ganz oder gar nicht". Was nicht heißen soll, daß sich manche Dinge im Lebensverlauf nicht scheinbar abmildern können, etwa eine sexuell gefärbte Phobie mit dem Beginn der Menopause. Aber das sind Einzelfälle.

Die Eltern demonstrieren in allen Fällen zen-mäßige Gelassenheit, was absolut nichts hilft.

Ja, würden die auch noch anfangen, würde das die Situation nicht bessern. Obwohl es, aber da sollte man wissen, was man tut, auch erfolgversprechende paradoxe interventionen geben könnte. Etwa, wenn sich dann nach dem ersten Schrei jemand anderes unter noch viel ekstatischerem Gekreisch in den Splittern förmlich suhlen würde, bis das Kind sich vor Lachen ausschüttet. Das funktioniert, aber so jemanden zu finden, ist wie ein Sechser im Lotto und dann muß er auch noch pünktlich zur Stelle sein.

Aber nochmal: das, was man durch solche Schreckmomente erlernt, kann man tatsächlich auf gleiche Weise verlernen, etwa, wenn eine Mutter, die irgendwann, wiewohl urspr. Schwimmerin, eine Angst vor dem Wasser entwickelt hat, ihr Kind ertrinken sieht und hineinspringt, um es herauszuziehen. Danach ist sie vermutlich die Wasserphobie wieder los.

Gespräche helfen nichts.

Nein. Während in Indien Urin getrunken wird, helfen noch so "aufklärende" Gespräche eines Ayurveda-Spezialisten beim nach hiesigen Standards durch Pottie-Training "sauber" gewordenen West-Europäer nichts. Der greift aber ohne Bedenken zur Harnstoffsalbe.

An diese Belief-Systems kommt man mit Gesprächstherapie nicht heran; auch wenn sie vermutlich erstattungsfähig ist.

Auch im NLP, das ja bewußt als Kurzzeitherapie entwickelt wurde, gibt es schon seit Beginn Bandler/Grinders legendäre "Phobia Cure".

Vgl.

- Bitte verändern Sie sich...jetzt!: Transkripte meisterhafter NLP-Sitzungen

- Change Your Mind - and Keep the Change: Advanced NLP Submodalities Interventions

Bandler/Grinder haben ihre Methoden ja durch intensive Studien u.a. von Milton Ericksons Methoden entwickelt:

- Patterns of the Hypnotic Techniques of Milton H. Erickson, M.D

Eine andere Quelle ihrer Inspiration war die legendär erfolgreiche (Familien-) Therapeutin Virginia Satir:

- Virginia Satir: the Patterns of Her Magic

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