Der Fall der Kudamm-Raser-Mord

Michael Krause, Montag, 27.02.2017, 19:02 (vor 2826 Tagen)6579 Views
bearbeitet von Michael Krause, Dienstag, 28.02.2017, 13:55

Man sollte zwar Strafurteile nicht kommentieren, wenn man der mündliche Verhandlung nicht beigewohnt hat, ich tue das aber trotzdem einmal.

Im vorliegenden Fall geht es im Wesentlichen um die Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit. Andere Rechtsfragen, wie die, wann ein Auto als gemeingefährliches Mittel eingesetzt wird und die nach dem Tatbeitrag des zweiten Rasers sollen an dieser Stelle einmal außen vor gelassen werden. Das überlasse ich den Hilfsjuristen hier im Forum.

Die Abgrenzung ist schwierig und war Gegenstand eines umfangreichen Meinungsstreits. Eventualvorsatz liegt laut Bundesgerichtshof vor, wenn der Täter den Taterfolg als Folge seines Handelns ernsthaft für möglich hält (Wissenselement) und ihn zugleich billigend in Kauf nimmt (Wollenselement). Billigend in Kauf nimmt er den Erfolg, wenn er sich mit diesem abfindet. Dagegen sagt sich der bewusst fahrlässig handelnde, "es wird schon gut gehen". Die Abgrenzung (Wollenselenmet) ist deshalb so schwierig, weil sich diese Vorgänge im Kopf des Täters abspielen und daher von dem Gericht nicht ohne weiteres zu erkennen sind. Zudem gilt die Unschuldsvermutung.

Im vorliegenden Fall ist das Gericht davon ausgegangen, dass jemand, der mit mehr als 160 Stundenkilometer, wenn auch nachts, in der Berliner Innenstadt über rote Ampeln rast, den Tod unbeteiligter Verkehrsteilnehmer billigend in Kauf nimmt. Die von der anwesenden Presse veröffentlichten Zitate des Vorsitzenden Richters waren nicht geeignet, zu erklären, worauf das Gericht diese Annahme stützt. Die veröffentlichten Zitate waren lediglich geeignet, darzulegen, dass es ein hohes Risiko darstellt (Wissenselement), mit derartig hohen Geschwindigkeiten über rote Ampeln zu rasen. Das alleine berechtigt aber noch nicht zur Annahme eines bedingten Vorsatzes.

Ich behaupte einmal, dieses Urteil wird vor dem 5. Strafsenat keinen Bestand haben:

Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den meisten anderen Tötungsdelikten dadurch, dass sich hier das Täterverhalten auch gegen das eigene Leben richtet. Wer rast und den Tod anderer Verkehrsteilnehmer billigend in Kauf nimmt, der nimmt dann als Kehrseite zwingend auch den eigenen Tod billigend (Wollenselement) in Kauf. Suizidale Tendenzen wird man bei den beiden 25 und 28 jährigen Fahrern nach deren Auftreten kaum unterstellen können. Weiterhin macht auch das Gutachten der durch das Gericht hinzugezogen Psychologin dieses deutlich. Beide dachten, das Risiko im Griff zu haben. Sie wollten das eigene Ego stärken. Das aber spricht dagegen, dass beide auch den eigenen Tod billigend in Kauf genommen haben. Diese Erwägung spricht im Übrigen in den meisten ähnlich gelagerten Fällen dagegen von Mord auszugehen, wie es alle Gerichte zuvor gehandhabt haben.

Die Verteidigung hat bereits angekündigt, Revision einzulegen. Der Fall wird also auch den Bundesgerichtshof beschäftigen.

Wie das Gericht in den schriftlichen Urteilsgründen den angenommenen bedingten Vorsatz begründet, wird abzuwarten sein. Allerdings hat man den Eindruck, dass hier das Pendel eindeutig zu stark in die eine Richtung ausgeschlagen ist, nachdem zuvor in vergleichbaren Fällen zu milde geurteilt wurde. So wurde ein Motorradfahrer, der seine gewagten Fahrkünste auch auf youtube hochlud, im Januar diesen Jahres vom Landgericht Bremen wegen fahrlässiger Tötung zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt, nachdem er mit überhöhter Geschwindigkeit einen Rentner tot gefahren hatte. Fahrlässige Tötung kann immerhin mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet werden.

Die Presseberichterstattung über den Fall ist wieder einmal erschreckend. Beispiele (ohne Nennung des Presseerzeugnisses):

Das Urteil ist falsch, weil "aus Zufall wird man kein Mörder", die Verteidigung "habe Berufung" angekündigt, einen "direkten Willen zum Töten" habe das Gericht nicht gesehen und deshalb nur bedingten Vorsatz angenommen.


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