Völkerrecht ist Usus und Übung

Gernot ⌂, Samstag, 01.10.2022, 14:15 (vor 545 Tagen) @ Manuel H.1454 Views

Geschriebenes, festgelegtes Völkerrecht gibt es nur wenig, z.B. die Uno-Charta, und das ist auch gut und richtig so, denn wer sollte Procedere wie die im Donbass zu erlebenden im Voraus regeln und von formaljuristischen Einzelvorschriften abhängig machen?
Das geschähe dann auch noch ohne Anhörung der Betroffenen, denn die gäbe es ja zuvor noch gar nicht; starre "Verehrsregeln", von Dritten erlassen, stünden über Willen und Bedürfnissen von Völkern und Menschen.

Völkerrecht regelt sich m. W. nach der normativen Kraft des Faktischen. Kann also ein Staat Staatsgebiet, Staatsgewalt und Staatsvolk aufweisen, ist er als Völkerrechtsubjekt existent. Sogenannte "Anerkennungen" haben darauf keinen Einfluss und stellen einen lediglich deklamatorischen Akt dar.

Als völkerrechtliche Voraussetzungen werden im Allgemeinen völkerrechtsrelevante Vorgänge betrachtet, die in der Vergangenheit erfolgt und, zumindest zu guter Letzt, überwiegend akzeptiert wurden. Die Teilung Jugoslawiens und die Abtretungen Serbiens sind ein profundes Beispiel dafür. Aber auch die Sezession der VSA von GB oder Mexikos von Spanien würde ich dazu zählen, andersherum den Beitritt der Länder der DDR zur BRD. Er wurde von Absprachen und Verträgen begleitet, was sein kann, aber nicht muss.

Sowohl die Integrität von Staaten und deren status quo, wie auch das Selbstbestimmungsrecht der Völker sind anerkannte, das heißt, allgemeine Zustimmung, Kopfnicken, erfahrende "Grundsätze" des Völkerrechts, die inhaltlich einem Spannungsfeld ausgesetzt sind - manchmal eben schlicht widersprüchlich.

Politiker stellen sich dann gerne auf die eine oder andere Seite, wobei in Wirklichkeit weder "unverbrüchliche Grundsätze des Völkerrechts" (die es eben kaum gibt), noch moralische Gründe dahinterstehen, sondern Geopolitik, Machtansprüche und, wie ich meine, oftmals die Dummheit der kleinen Imperialisten, die lieber einen Unruheherd beherrschen als friedlich neben einem befreundeten Nachbarland zu leben: Man stelle sich z. B. die Haltung eines kurdischen Staates gegenüber dem Staate vor, der sich entschließt, das kurdische Volk durch Abtreten eigenen Territoriums in die Unabhängigkeit und staatliche Selbständigigkeit zu entlassen. Oder man stelle sich vor, Franco hätte den Basken einen eigenen Staat versprochen. Die Kommunisten hätten ihren Einfluss auf sie verloren.


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