Vielen Dank für Ihre Einwände, auch wenn es Ihr Spenglerfimmel schwierig macht, Ihnen zu folgen. Sie sind eben zu eindimensional.
Richtig ist, dass eine Kultur, jede Kultur und insbesondere auch die abendländische Kultur, nur entstehen kann auf der Basis der zwei Urstände, Adel und Priestertum.
Mal abgesehen, dass für Sie und ihren Spengler die Geschichte ausschließlich eine Morphologie, eine sich in Lebens-Zyklen wiederholende Geschichte von Landschaften und Kulturen darstellt, bei denen die Kulturen nicht von Menschen geschaffen, sondern ihnen übergeordnet sind, was es schwierig macht, hier das Gesetz von Raum, Zeit und Kausalität zur Sprache zu bringen: Ja und was glauben Sie, sind die Jesuiten? Sie sind beides! Adel und Priestertum. Ignatius von Loyola und seine jüdischen Marranen. Das müsste Sie doch eigentlich interessieren?
Aber die Eindimensionalität, mit der Sie bei jeder Gelegenheit ihren Spengler ins Feld führen, lässt Sie für die Tatsache blind sein, dass man die Geschichte der Menschheit nicht als ewigen Anthropomorphismus beschreiben kann, ohne sich als Gott auf den archimedischen Punkt außerhalb der Schöpfung zu setzen. Das sind bei Spengler alles nur pseudologische Denkschemata des Zyklischen, er selbst ein Priester des von Frobenius übernommenen Anthropomorphismus; seine Kultur-Idee letztlich genauso phantastisch wie Hegels Dialektik und Marx revolutionäres Fortschrittsdenken, bei dem dann eben nicht der Adel gesteigertes Bauerntum ist, sondern der Arbeiter, der Proletarier. Alles eine Frage des Standpunkts, der Perspektive.
Richtig ist auch, dass eine Kultur verschwindet, wenn die Religion, aus der sie hervorgegangen ist, verschwindet.
Eine Kultur verschwindet nicht, bloß weil eine Religion verschwindet. Adel und Priester kommen und gehen. Ackerbau und Viehzucht oder die Jagd - all das ist eigentlich Kultur am Beginn alles Zivilisatorischen; also von Menschen gemachte - sind nicht verschwunden, als die Häuptlinge und Zauberer verschwanden und die römischen Priester kamen. Und dass diese Tätigkeiten, diese Kulturen überhaupt aus einer Religion hervorgegangen sein sollen, erschließt sich mir nicht. Das sind so typische poetische Analogien und Metaphern bei Spengler ohne wirkliche Substanz. Da scheint mir Dr. Martins Debitismuskonzept schlüssiger zu sein, dass sie sich als "Abgabenschuld-Kulte" über die eigentliche Kultur gelegt haben, die aus der Urschuld der Menschen sich selbst gegenüber hervorgingen, also der, sich am Leben zu erhalten.
Richtig ist, dass es ohne das Christentum keine abendländische Kultur und Zivilisation gäbe.
Richtig ist mit Verlaub, dass das Quatsch ist. Musste erst das Christentum ins Abendland ziehen, damit dort Ackerbau, Viehzucht und die Jagd betrieben werden konnten, also Kulturen?
Richtig ist außerdem, dass ohne die verschriftlichende Kirche der jüdische Wanderprediger Jeschua längst vergessen wäre.
Das stimmt sicher. Auch von Sokrates hätten wir ohne Platon und Xenophon nichts erfahren. Aber was wollen Sie damit sagen?
Was du aber völig verdrängst, und das macht deine Eindimensionalität aus, ist, dass das Christentum eben keine germanische Religion ist, die, wie die anderen Religionen, aus dem Volk, das ihr angehörte, hervorgegangen ist. Die Germanen, wie wir nur noch aus den Märchen und Sagen erschließen können, glaubten etwas ganz anderes.
Die Germanen waren dass, was Tacitus und Caesar uns an Beschreibungen hinterlassen haben; ein Sammelbegriff für Völker Jenseits von Rhein und Donau, von denen sie kaum eine Ahnung hatten. Aber egal: Defacto ist keine Religion aus irgend einem Volk hervorgegangen, die nicht irgend einen Schuld-Kult abbildete. Und der Wechsel von Religionen war immer und vor allem ein Wechsel des einen Schuldkults zum anderen auf der Basis des Rechts des Stärkeren. Die Märchen und Sagen, welche z.B. die Brüder Grimm gesammelt haben, mögen uns Versatzstücke alter Glaubenskulte überliefert haben, die in bestimmten Landschaften noch bestanden; vermengt mit jeder Menge Volksweisheit wie Aberglauben. Aber das waren gewiss keine einheitlichen Germanenkulte, die von einem einheitlichen Christentum besiegt wurden. Natürlich gab es vor der Christianisierung noch ganz andere heidnische Kulte. Wir wissen wenig bis nichts über sie, können wohl aber mit Dr. Martin recht sicher annehmen, dass sie im weitesten Sinne mit der Urschuld, sich ernähren und kleiden und verteidigen zu müssen, um leben zu können, zusammenhingen.
Die Spannung zwischen Volk und Religion, eine absolute Einmaligkeit der abendländischen Zivlisation, war von Anfang an da und entlud sich schließlich in der Aufklärung. Auch eine Einmaligkeit der abendländischen Kultur. So etwas wie Aufklärung gab es sonst in keiner Kultur.
Auch hier hilft Dr. Martin weiter. Wenn es - egal wo in der Welt - Spannungen zwischen Volk und Religion und Aufklärung gab, dann sicher in Bezug auf die Schuld-Verhältnisse. Das deutet sogar Spengler an, wenn er die "Idee des Eigentums" dem "pflanzenhaften Adel", dem "gesteigerten Bauerntum" zuordnet.
Und diesen weiten Bogen, die inhärente Spannung, dieses Alleinstellungsmerkmal der abendländischen Geschichte, das verdrängst du in deiner eindimensionalen Jesuitenfixiertheit vollständig.
Eben weil es dieses Alleinstellungsmerkmal nicht gibt. Es gibt allerdings die Spannung zwischen Adel und Priestertum, wie die zwischen Adel und Bauern und Priestertum und Bauern usw.; aber die gab und gibt es in jeder Kultur auf der ganzen Welt, in der es Adel und Priestertum gibt.
Nichtsdestotrotz, vielen - und ehrlich gemeinten! Dank für deine aufklärerischen (horribile dictu) Beiträge!
Gruß Mephistopheles
Nichts für ungut. Aber hier hat sich wohl mal wieder lediglich Ihr Spenglerfimmel in meinem Jesuitenfimmel gespiegelt. Mir geht es allerdings nicht um Spenglerische Metaphysik, sondern um die Aufklärung darüber, wo für alle Völker, auch die deutschen, heute wie seit der Antike der Feind wirklich steht.