Michael Klonovsky dazu

Kaltmeister ⌂, Montag, 17.05.2021, 22:22 (vor 1354 Tagen) @ Rain2773 Views

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Gestern auf den Tag genau vor 80 Jahren legte Georgi Schukow, Chef des Generalstabs der Roten Armee und stellvertretender sowjetischer Verteidigungsminister, dem Genossen Stalin einen Angriffsplan gegen Deutschland vor. „Wenn man in Betracht zieht, dass Deutschland sein gesamtes Heer einschließlich rückwärtiger Dienste mobilisiert hat, so besteht die Möglichkeit, dass es uns beim Aufmarsch zuvorkommt”, schrieb der Armeegeneral. Das Wort „zuvorkommen” hatte er unterstrichen. Schukows Plan sah Vorstöße bis Königsberg, Danzig, Posen, Breslau und im Süden bis nach Böhmen bis Ende August vor.

Das war fünf Wochen vor Beginn des deutschen Angriffs.

Damals massierte die UdSSR an ihrer Westgrenze die größte Armee, welche die Welt jemals gesehen hat: 2,9 Millionen Soldaten, 15 000 Panzer und Sturmgeschütze, 35 000 Geschütze und 9000 Flugzeuge. Im Hinterland standen noch weitere 9000 Panzer, 14.000 Flugzeuge, über 100.000 Geschütze und zwei Millionen Soldaten bereit. Die Rote Armee verfügte 1941 über 1861 moderne schwere Panzer vom Typ T 34 und KW, die Wehrmacht über keinen einzigen (Zahlen aus: „Der Angriff auf die Sowjetunion”, herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Freiburg, Fischer 1991; mag sein, dass sie inzwischen noch etwas präzisiert worden sind).

Offenkundig ist Schukow mit seinem Plan bei Stalin nicht erfolgreich gewesen. Angeblich glaubte der Generalissimus nicht an den bevorstehenden deutschen Angriff, über welchen sein fähigster General so gut im Bilde war. Dass die Wehrmacht sowohl von der Masse des militärischen Gerätes auf der Gegenseite als auch von der offensiven Aufstellung der Roten Armee mit ihrer Konzentrierung in den beiden Frontbögen von Lemberg und Bialystok überrascht war, ist vielfach bezeugt. Hätten die Sowjets sich verteidigen wollen, wären sie viel tiefer aufgestellt gewesen; die Wehrmacht hätte in diesem Fall niemals so schnell vorstoßen, ganze Armeen einkesseln und dermaßen viele Gefangene machen können.

„Für den Beginn des Krieges gegen Rußland glaubten wir mit einer technischen Überlegenheit unserer Panzer über die bis dahin bekannten russischen Typen rechnen zu können, welche die uns bekannte gewaltige Übermacht der Russen an Zahl – wir gingen mit etwa 3200 Panzern in den Rußlandfeldzug – einigermaßen auszugleichen vermocht hätte. Ein eigenartiger Umstand machte mich allerdings in Bezug auf das Panzergerät stutzig: Noch im Frühjahr 1941 hatte Hitler einer russischen Offizierskommission ausdrücklich gestattet, unsere Panzerschulen und Panzerfabriken zu besichtigen, und hatte befohlen, den Russen alles zu zeigen. Hierbei wollten die Russen bei der Betrachtung des Panzers IV nicht glauben, daß dieser unseren schwersten Typ darstellte. Sie erklärten immer wieder, wir verheimlichten ihnen unsere neuesten Konstruktionen, deren Vorführung ihnen Hitler zugesagt habe. Die Zudringlichkeit der Kommission war so groß, daß unsere Fabrikanten und Waffenamtsoffiziere schließlich sagten: ‚Die Russen scheinen selbst bereits schwere und bessere Typen zu besitzen als wir.’ Der Ende 1941 vor unserer Front auftretende Panzer T 34 offenbarte uns die russische Neukonstruktion.”
(Heinz Guderian, „Erinnerungen eines Soldaten”, Neckargemünd 1960, S. 129)

Es gab Zeiten, da haben mich die tendenziösen Bücher und Artikel über den Beginn des deutsch-sowjetischen Krieges und das Kräfteverhältnis beider Seiten – den angeblichen „Überfall” der Wehrmacht auf die Sowjetunion – aufgeregt (ein Pitbull kann einen nichtschlafenden Bären schwerlich überfallen; er kann ihn nur angreifen). Ich war abgestoßen von der unter westdeutschen Historikern verbreiteten Beflissenheit, die Position der Sieger zu übernehmen und diejenigen als Revisionisten, Relativierer, NS-Verharmloser etc. pp. zu verunglimpfen, die bei dieser Streberei in historicis nicht mittun mochten (es gibt in dem letztgenannten Detachement auch unappetitliche Figuren, Aufrechner, Verharmloser, Kryptonazis; das will ich nicht verhehlen). Heute ist es mir egal. Die Wahrheit wird sich auch hier durchsetzen, vielleicht nicht dort, wo Grüne regieren, vielleicht auch noch nicht in den nächsten Jahren. Aber spätestens, wenn Deutschland als Kulturnation und Schicksalsgemeinschaft nicht mehr existiert, werden diese Historikermohren ihre Schuldigkeit getan haben und gehen können (nein, das ist keine rassistische Anspielung, sondern ein Zitat aus dem „Fiesco”), dann wird jene Art Historiographie, die im Grunde nur geschichtspolitische Siegersichtfestschreibung gewesen ist, nicht mehr gebraucht, dann kann das Schreckgespenst des Vierten Reichs oder anderer deutscher Wiedergeburten, an das nach dieser Niederlage ohnehin nur Wahnsinnige und intellektuelle Kretins glauben konnten, eingemottet werden. Und dann können Historiker aus wahrscheinlich anderen Kulturkreisen ganz unbefangen, unmanipulativ, unaufgeregt und, so weit dies überhaupt möglich ist, wahrheitsgetreu die Geschichte des vielleicht absonderlichsten Volkes der Welt schreiben.

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