"Wer den Mut nicht hat und die Freiheit nicht ehrt, dem sei hier der Eingang für immer verwehrt."

Avicenna, Sonntag, 07.06.2020, 22:14 (vor 1420 Tagen) @ Tempranillo1996 Views

Lieber Tempranillo,

Du hast eine Art authentisch und geradlinig zu denken, weshalb es Dir fast immer gelingt, das Wesen der Sache prägnant auf den Punkt zu bringen. Das findet sich bei den Trollen nicht, weil ihnen dies bei ihrem stetigen Bemühen, den Geist des klaren deutschen Denkens und der wundervollen deutschen Sprache zu verpesten, viel zu anstrengend ist. Da hat Oblomow richtig bemerkt, man brauche „die Verpester des Geistes und der Sprache“ jeder Art nicht zu lesen. Du schreibst:

„Der ehrliche, zur sachlich fundierten Grobheit neigende Ton eines Raoult ist in Deutschland mittlerweile völlig verloren gegangen. Bei uns herrscht hündische Kriecherei gegenüber den geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen der Staatsmacht und Besatzer.“

Exakt so ist es.

Und leider ist das wohl unabänderlich, wenn es sich nicht ergibt, jeden Köter – wie Deutsche bekanntlich ungestraft genannt werden dürfen – in ein Umerziehungslager zu stecken, das den aufrechten Geist und jenes Denken vermittelt, das Deutschland unter Bismarck hat aufblühen lassen. Diese sehr vernünftige Werteordnung ist nach Bismarck komplett auf den Kopf gestellt worden. Und so ging es seither trotz temporärer Fortschrittsillusion wieder bergab.

Dein Bismarck-Zitat hat mich an den Gasthof „Zum schwarzen Bären“ in Jena (schwarzer-baer-jena.de) erinnert, in den am 3. März 1522 Martin Luther einkehrte, der sogar die DDR überlebt hat, aber unter der Herrschaft der Angst heute ums Überleben kämpft.

Wie pervertiert deutscher Geist und deutsches Denken heute ist, illustriert nichts besser als der Blick in die Vergangenheit dieses Gasthofes. In einem Buch von Karl Witte (Witte, Karl: Der heilige Rock, Ronge und Czerski. Breslau: Verlag Josef Mar, 1845, S. 56) findet sich zum Gasthof „Zum schwarzen Bären“ in Jena die Schilderung des Begrüßungstextes:

Noch brennt im Gasthof zum schwarzen Bären in sinnvollen Farben:

"Wer Rongen nicht liebt und Luther nicht ehrt,
Dem sei hier der Eingang für immer verwehrt.
Denn heilige Röcke und Pfaffenbombast
Sind jedem fröhlichen Martins-Gast
Im Gasthof zum Bären auf ewig verhaßt.
"

Dieser Text ist heute nicht mehr sichtbar. Solche ehrliche und sachlich fundierte Meinungsäußerung würde heute – auch ohne Mohrenkopf und Negerkuss – unweigerlich eine Klage wegen Diskriminierung mit amtlicher Stilllegung nach sich ziehen.

Ich freue mich, dass doch noch eine bescheidene Diskussion über deutsche Sprache und deutschen Geist entstanden ist. Das Feedback bildet die geistige Bandbreite unserer Zeit ab. Der „Klartext“ von Hans ist angenehm wohltuend, aber leider inzwischen sehr selten. Oblomow und Olivia bleiben mit ihrer Meinung über die vermeintlich "ziemlich widerliche Eigenwerbung" der "groeßten Verpester des Geistes und der Sprache" sicher bei der deutschen Traditionspflege gern draußen, wenn sie bei den Psychotherapeuten lesen:

"Wer den Mut nicht hat und die Freiheit nicht ehrt,
Dem sei hier der Eingang für immer verwehrt.
Denn Denkverbote und Genderbombast
Sind jedem Psychotherapeuten und Gast
In der Angstambulanz auf ewig verhasst.
"

Ist das nicht wahre deutsche Traditionspflege, Olivia? In Cambridge darf man das in ehrlicher und sachlich fundierter Grobheit noch schreiben.

Tempranillo,
darf ich Dich fragen, in welchem Buch Du das Bismarck-Zitat gefunden hast: „Eulenburg beißt nicht auf Röcke. Darin liegt die ganze Misere unserer inneren Politik.“ Der Totengräber Fürst Eulenberg ist ja nachgerade ein Lehrbuchbeispiel der Geschichte. Ein kleiner Hinweis über die Quelle des Zitates würde mich freuen.

Liebe Grüsse
Avicenna

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"Niemand ist mehr Sklave als der, der sich für frei hält, ohne es zu sein" (Johann Wolfgang von Goethe, 1809)


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