Gewicht, Qualität, Prägung und Ziffer

Silke, Donnerstag, 18.04.2019, 16:11 (vor 2048 Tagen) @ BerndBorchert5834 Views
bearbeitet von Silke, Donnerstag, 18.04.2019, 16:37

Lieber Bernd,

Nach meinem Stand war beim Goldstandard um 1900 ungestempeltes Gold nicht
viel weniger wert als Goldmünzen mit dem gleichem Feingewicht, vielleicht
10-15% weniger.

"Der Goldstandard lief so:
Die Reichsbank re-diskontierte Wechsel und lombardierte preußische Consols (Staatspapiere). Der Einreicher konnte sich in Münzen oder Banknoten auszahlen lassen. Der Anteil der Noten nahm des leichteren Umgangs damit immer schneller zu. Banknoten (GZ erst nach 1900) konnten nur bis zur"Deckungsgrenze" ausgegeben werden, rückte sie in die Nähe, musste die RB ihre Sätze erhöhen, da sie bei Unterschreiten der Deckungsgrenze eine Banknotensteuer bezahlen musste.
Fiel Gold am freien Markt unter die Parität (inkl. Prägekosten), konnte die RB es kaufen, entweder mit Goldmünzen aus ihrem Bestand (Gewinn war Nominal minus POG, man kauft also mit billigerem Gold in Münzen teureres in specie) oder mit Banknoten. Dies wiederum unter Beachtung der Deckungsgrenze."
@dottore

Bei einer kleinen Differenz - sagen wir 15% - wäre das Silber in
Mesopotamien doch nur ein Tauschmittel gewesen, oder?


1. im Schwemmland gab und gibt es von Natur aus überhaupt kein bisschen Silber. Das kommt nur per royalem Handel (royal agents/merchants) oder Tribut/Beute rein.

2. Privatgeld hat es nirgends gegeben. Der @dottore wartet immer noch auf Beispiele.

3. Da nicht getauscht wurde gab es kein Tauschmittel sondern nur umlaufende Schulden und entsprechende Schuldentilgungsmittel, ausgehend von der Abgabeschuld ex nihilo (gesetzt mit Waffengewalt) und der sich daraus ableitenden Kontraktschulden (durchgesetzt mit waffenbewehrtem Recht) beim Wirtschaften ("Reise nach Jerusalem" mit der Schuld spielen = wer sie nicht weiter reichen kann/ keinen Nachschuldner findet geht daran kaputt, so wie heute auch oder wie mit der abführungspflichtigen Entropie in offenen thermodynamischen Systemen ohne Anergiesenke.

Anzahl-Gewicht: Ein großer Shekel= 180 Gerstenkörner aus der Mitte der Ähre
Gewicht-Gewicht: Gleiches Gewicht in Silber fein oder Gerste = ein Shekel
Gewicht-Nominal:Als Münze geschlagen war die Prägung wichtig da wie eine Beurkundung und nachrangig der Silbergehalt vs. Cu (hat sich natürlich auch immer flugs herumgesprochen, wer wie streckte)
Nominal-Bezifferung: Mit Ziffern versehen wurde das Material unwichtig wie beim heutigen Träger Papier und EDV-Einheit. Nur noch die Anzahl der Geldeinheiten ist wichtig (lassen die benötigte Geldsumme abzählen und die Urkunden übereignen) egal ob auf Scheidemünzen, Euroscheinen, ZB-Guthaben, Silber-Zehnern oder was auch immer und inzwischen sogar Giral (Guthaben auf Geldeinheiten) da es erfüllungshalber genutzt werden kann.

Silbergewichte wurden laut @dottore zu Hauf gefunden und daran geeichte billigere Steingewichte auch.

Zur Leistungsbilanz der antiken Mächte
"Die Leistungsbilanz der Imperien im Nahen Osten mit ihren 4 (heutigen) Unterpunkten sah damals so aus:
- Warenverkehr. Außer auf Geschenke-Tausch-Ebene zwischen den Herrschern minimal, falls überhaupt"grenzüberschreitend". Erst in nennenswerter und stratigraphisch nachvollziehbarer Form (= Funde von Dingen, die von"weit her" kommen) ab Einführung des Instituts der royal agents, sog. DAM.GAR (sumerisch), dann tamkar(um), also Palast- und/oder Tempelhändlern, mit wachsendem Beschaffungszwang des Tribut- und später Steuergutes Silber ansteigend, für das gleichgelagerte Rom von Keith Hopkins, Taxes and Trade 200 BC - AD 400, 1980, dargestellt (sinngemäß:"Explosionsartige Entwicklung" des Handels im Imperium, notabene:"Taxes" zuerst).
- Dienstleistungen. Sehr hoch. Erinnern wir uns nochmals an die öde, kaum fruchtbare Insel Gotland, wo die weltweit meisten Silberhorte (ex Soldzahlungen an die"Goten" mit Geprägen aller möglichen Mächte - Griechen, Römer, Mitteleuropa, Muslim-Staaten) gefunden wurden.
- Arbeits- und Kapitaleinkommen. Minimal bis nicht-existent. Der"freie Lohnarbeiter" existierte zunächst überhaupt nicht! Und dass sich Arbeiter als"Saisoniers" oder"Gastarbeiter" irgendwohin verdingt hätten, ist eine ganz abwegige Vorstellung. Kapitaleinkommen aus dem Ausland sind vor den Griechen nirgends nachweisbar und selbst bei diesen äußerst spärlich (ex vereinzelten"Faktoreien", also Niederlassungen, nie als"investive Produktionsanlagen"; bei den Römern erst finden wir Investitionen im"ausländischen" Bergbau (z.B. Cato in Spanien), aber dieses"Ausland" wurde flugs vereinnahmt oder war es bereits. Die Vorstellung, Rom hätte (vor den punischen Kriegen) in Karthago"investiert" oder vice versa (beide Male wäre Geld zu verdienen gewesen), ist absurd.
- Laufende Übertragungen. Zum Beispiel private Gastarbeiter- oder Rentenüberweisungen, auch Geld an internationale Organisationen. Praktisch nicht existent.
Wie wurde nun der Saldo der antiken Leistungsbilanz ausgelichen?
Mit Hilfe der Vermögensübertragungsbilanz, wo die unentgeltlichen Leistungen verbucht sind. Heute z.B. Schuldenerlass. Damals eben umgekehrt Tribute.

alle rigsherum tauschen getreide, fisch, korn, linnen, etc. und sind happy, nur die söldner >sagen auf einmal"nö, wir wollen cash". warum?

Weil er dort, wo er als Tribut abgefordert wurde, dringend benötigt wurde. Die oben genannten Ioner, Karer, Lydier, Lyker, usw. (West-Kleinasien, griechische Inseln) hatten keine Silbergruben (bzw. sie waren noch nicht erschlossen, vgl. Trapezunt (Trabzon), Schwarzmeerküste; antike Münzen aus Trapezunt sind extrem selten, das Münzbild zeigt den Tisch eines Wechslers, daher heute noch der Name Trapeza = griech. Bank). Sie mussten aber liefern. Die berühmten Gruben von Laureion (Attika), Thassos, Makedonien usw. standen nicht unter persischer Herrschaft.

was bringt sie dazu, ein derartiges wagnis einzugehen, den aktuellen"geldstandard" (i.e. >naturalwirtschaft im weitesten sinne) zu verlassen,

Sie haben ihn nicht verlassen, sondern tauchen erst auf, nachdem die Gewichtsparität Gerste/Silber festgelegt war. Mit Gerste als Sold über Hunderte von Kilometern heimzukehren, machte keinen Sinn. Mit Silber, wie beschrieben, sehr wohl. Die Söldner lebten vom Krieg bzw. Machterhalt dessen, der ihre Dienste gekauft hatte. Bitte an Xenophon (Anabasis) denken!
Die Griechen waren exzellente Krieger ("Hoplitenphalanx"). Die Zahl ihrer Vasen mit Kampf-, Kriegs-, Tod- oder Waffenszenen
geht in die Tausende, wenn nicht Zehntausende. Die vielen, vielen Griechen-"Städte" in Unteritalien, Sizilien waren nicht etwa"Handelsmetropolen", sondern Söldnerkolonien mit dem üblichen religiösen Klimbim errichtet für die"Schutzgottheiten" oder für die"Eintracht" (concordia) der Krieger, wie in Agrigent:

verstehe ich nicht (wie so vieles andere mehr).

Vielleicht jetzt etwas verständlicher?"
@dottore

Liebe Grüße
Silke

PS. an FOX-NEWS: Wohl eher Doppelwährung als "Erfüllungshalber" oder, da vom Wesen her klitzegleich Tilgungsmittel von Abgabeschulden?


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