Das Dritte neben "gibt's" und "gibt's nicht"

heller, Freitag, 22.02.2019, 09:00 (vor 2100 Tagen) @ Naclador4654 Views

Was Du vom radikalen Konstruktivismus geschrieben hast erinnert mich sehr an die buddhistische Erkenntnistheore (oder sollte man besser sagen "Erkenntnispraxis" nach 2500 Jahren und Millionen beteiligter Forscher :-))

Nimm zum Beispiel Dein "Ich"-Empfinden: es erscheint ja (mehr oder weniger oft jeden Tag) deutlich wahrnehmbar. Also existiert des zweifellos. (Ansonsten hast Du ein Problem.)
Aber wenn Du es genau beschreiben willst oder festhalten, kriegst Du es nicht zu fassen. Es ist nicht nur subjektiv, sondern auch prozesshaft (Heisenberg lässt grüßen). Also gibt es nichts daran, was definitiv und irgendwie dauerhaft existiert. (Sonst hast Du auch ein Problem.)
Das lässt sich auf alles in der Welt übertragen. Gott ist der Versuch, wenigstens 1 Ding zu fixieren. Damit wird das Problem aber nicht gelöst sondern nur versteckt oder auf den jüngsten Tag verschoben.

99,99% der Menschen haben also das ein oder das andere Problem mit dieser Existenz oder Nichtexistenz (von "ich" sowohl als von "Gott"). Und das merkt man an ihrem Umgang mit der Mitwelt. Soviel Angst, soviel Hass, soviel Ignoranz.

Ein paar wenige Prozent, beschäftigen sich immerhin damit, möglichst vorurteilsfrei das Problem zu untersuchen und lassen sich nicht von denen, die irgendwelche fixen Konzepte (egal ob Religion, Positivismus, Nihilismus oder eklektischen Unsinn) unters Volk bringen, beirren.

Diese Forschungsarbeit ist sehr spannend. Und wenn man sich nach ein paar Jahren dann langsam damit anfreundet, dass die Realität keinen festen Grund hat, stellt man wohl überrascht fest, dass man - im bildlichen Sinne - trotzdem noch sehr entspannt Auto fahren und Termine einhalten kann. Und dass man andererseits gut daran tut, die Verkehrsregeln und Straßenverhältnis wach zu beachten und sich um seine Arbeit und die Mitwelt zu kümmern. Sonst ist es mit der Entspannung ziemlich schnell vorbei (außer man ist bereits völlig jenseits von Konzepten). Denn die Grenze zwischen Ich und Mitwelt ist ja auch bei genauerem Hinsehen ziemlich schwammig.

Sonnigen Gruß
Heller (statt dunkler)


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