Gewalt und Kannibalismus im Neolithikum - Arte-Doku gestern (m.L)

Oblomow, Sonntag, 24.03.2019, 10:46 vor 1861 Tagen 6255 Views

bearbeitet von Oblomow, Sonntag, 24.03.2019, 10:51

Guten Tag!

Gestern Abend lief eine interessante Arte-Doku über das Aufeinandertreffen von Jägern|Sammlern auf sesshaften Bauern, die plötzlich aus dem nahen Osten ihre Revolution einer sesshaften Lebensweise, einer Acker und Viehzuchtkultur, mitbrachten. Archäologen und Anthropologen gehen Massengräbern vor allem auf jetzigem deutschen Boden auf den Grund. Ein paar schöne gestellte Halbdoku-Szenen zur Dramatisierung sind auch dabei. Das Dollste dabei ist die Wissenschaft - was da inzwischen möglich ist, da staunt man Bauklötze. Spannend das Grab, in dem wohl Jäger liegen, die beim Angriff auf die Bauern totgeschlagen worden sein sollen. Se non e' vero...


Über die Erfindung von Geld war nicht die Rede, aber Anatolien kam vor, dort, wo das Münzgeld erfunden sein soll, wie ich neulich im British-Museum sah. Sehr empfehlenswert übrigens: da gibt es (einen Steinwurf von der City entfernt) eine Abteilung, die sich der Geschichte des Geldes widmet: 1. Stock nicht links gehen zu den Schachfiguren aus dem frühen Mittelalter, sondern sofort rechts.

Schönen Sonntag
Oblomow


Hier lang: https://www.arte.tv/de/videos/080953-000-A/gewalt-und-kannibalismus/ oder heute Sonntag nochmal um 12.55 Uhr in der Glotze auf Arte.

Die Erfindung des Eigentums

BerndBorchert @, Sonntag, 24.03.2019, 11:59 vor 1861 Tagen @ Oblomow 5018 Views

https://www.arte.tv/de/videos/080953-000-A/gewalt-und-kannibalismus/

Die Menschen wurden erstmalig sesshaft. Diese Sesshaftwerdung führte offenbar auch zu neuartigen Konflikten. Denn jetzt entstand Privateigentum in einem Umfang, wie es die nomadisierenden Jäger und Sammler zuvor nicht kannten – mit Landbesitz, Häusern, Viehherden und so weiter. Mit dem Anspruch auf Eigentum kommen – das scheint die Botschaft der Massengräber zu sein – Neid, Habsucht und Gewalt. Muss davon ausgegangen werden, dass der Mensch vor rund 7.000 Jahren auch den Krieg erfunden hat?

Dass Krieg erst mit dem Eigentum kam, ist falsch. Auch die Jägerstämme haben sich schon bekriegt, vielleicht noch mehr als die Bauern. Zu erkennen an Jägerkulturen in Afrika z.B., oder in den Karl-May Erzählungen - Apachen gegen Komantschen.

Bernd Borchert

Frauenraub nicht zu vergessen

Oblomow, Sonntag, 24.03.2019, 12:05 vor 1861 Tagen @ BerndBorchert 5109 Views

bearbeitet von Oblomow, Sonntag, 24.03.2019, 12:08

In den meisten Massengräbern waren keine jungen Frauen verscharrt. In der Doku über die Schimpansen neulich führen die kleinen Racker schon Krieg. Da muss vermutlich nichts erfunden werden.

Herzlich
Oblomow

Tatort Eulau – das Rätsel der 13 Skelette: "Sind es Vater und Mutter, die …

Ostfriese @, Sonntag, 24.03.2019, 20:35 vor 1860 Tagen @ Oblomow 4340 Views

Hallo Oblomow,

Frauenraub nicht zu vergessen

die Hände von Vater und Kind sind miteinander verflochten und Mutter und Kind liegen Gesicht an Gesicht.

Es gelingt der Nachweis, dass in Eulau die älteste jemals in der Menschheitsgeschichte gefundene Familie in Form einer feierlichen, fantastischen und außergewöhnlichen Bestattung beigesetzt wurde.

Der Massenmord ereignete sich vor rund 4500 Jahren. Es ist ein ergreifendes Bild: … ihre Kinder noch im Tode anschauen und umarmen?" – Tatort Eulau. Sie gehören zur Gruppe der eingewanderten Schnurkeramiker – die Frauen liegen mit dem Kopf nach Osten, die Männer aber nach Westen und die Blickrichtung beider Geschlechter geht nach Süden.

Die Lösung des Verbrechens führt über die Untersuchung einer Metall-Pfeilspitze aus dem Wirbelkörper eines der Opfer zum Zentrum der Glockenbecherkultur auf der iberischen Halbinsel, über historische Betrachtungen des religiösen Totenkultes bei den ägyptischen Pyramiden, in Stonehenge und in der Kreisgrabenanlage 'Pömmelte' – des deutschen Stonehenge – und letztendlich über die Isotopenuntersuchung des radioaktiven Strontiums in den Zähnen zu: die beiden Kinder und die Männer stammen aus Eulau und die drei Frauen aus dem Harz. Die emotionale Beziehungstat ist offensichtlich den Mitgliedern des Stammes der 'Schönfelder' zuzurechnen.

Gruß â€“ Ostfriese

Gab es schon mal eine Frauenschenkung (vor 2015) in der Menschheitsgeschichte?

Sylvia @, Montag, 25.03.2019, 10:28 vor 1860 Tagen @ Oblomow 4031 Views

Seit 2015 wurden ca. 1,5 Millionen (75% von 2 Mio.) junger, zeugungswilliger Männer ins Land geholt. Jährlich kommen etwa 150.000 (75% von 200.000) neu dazu. Alimentiert werden diese neu zugewanderten Konkurenten vorwiegend von autochthonen Männern.

Autochthone Frauen versuchen mit den neu zugewanderten Konkurenten in, ähm, Kontakt zu treten. Siehe z.B. hier: Start with a Friend.

Wir haben also aktuell eine Situation, in der Konkurenten auf dem Fortpflanzungsmarkt nicht etwa bekämpft, vertrieben oder gar getötet werden - sondern bewußt ins Land gelassen, rundum versorgt und mit Frauen versorgt werden.

Gab es einen ähnlichen Wahnsinn schon jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte?

--
"Der Computer ist die logische Weiterentwicklung des Menschen: Intelligenz ohne Moral." (John Osborne)
"Der Gutmensch ist die logische Rückentwicklung des Menschen: Moral ohne Intelligenz." (unbekannt)

Das sollte sich mal ein Ethnologe ansehen: Wir deutschen Männer holen uns die Konkurrenten ins Land und ernähren sie auch noch

BerndBorchert @, Dienstag, 26.03.2019, 13:41 vor 1859 Tagen @ Sylvia 3472 Views

Aber vielleicht ist es eher ein Fall für einen Psychologen: der würde wahrscheinlich kollektive Suizidgefährdetheit feststellen.

Bei mir selber (deutscher Mann) ist aber kein Hang nach Untergang festzustellen, sondern nur eine tiefe Verärgerung über unseren Staat, der diesen Wahnsinn zulässt und fördert.

Bernd Borchert

Der User und Hegelstudent @Melethron hat als Student bei archäologischen Ausgrabungen mitgewirkt und hätte dazu sicher einiges

Mephistopheles, Sonntag, 24.03.2019, 12:17 vor 1861 Tagen @ Oblomow 4916 Views

bearbeitet von Mephistopheles, Sonntag, 24.03.2019, 13:05

...hat als Student bei archäologischen Ausgrabungen mitgewirkt und hätte zu diesem Thema sicher einiges beizutragen
Aber leider schreibt er schon lange nicht mehr mit.
Aber ich setze mal einen Link: Melethron-Beiträge

Gruß Mephistopheles

Zuschrift zum Thema

Oblomow, Sonntag, 24.03.2019, 17:22 vor 1861 Tagen @ Oblomow 4610 Views

Guten Tag!
Ich zitiere den zugesandten Text kommentarlos.

________________________________________

"Ich möchte (da im Film nicht erwähnt) unbedingt noch auf die aus dem
Kaukasus stammende Jamnaja- Kultur hinweisen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Jamnaja-Kultur

Wer hierzu sucht, findet erstaunliches: offenkundig rückten hier
ausschliesslich junge Männer an und mordeten ausschliesslich die
eingesessenen Männer. Die hieraus entstehende Genvermischung ist
derzeit ganz gut erforscht (z.b. Sardinien relativ unvermischt).
Kriegerische Migration mit Genpool-domestizierung war also damals
durchaus Gang und Gäbe.

Die hier immer wieder eingebrachte These,
daß die Bauern etc. aus Anatolien kamen, finde ich seltsam: deshalb
hier auch nochmal der explizite Hinweis, daß die ältesten
Kulturartefakte der Menschheit (!!!)- Musikinstrumente und figürliche
Darstellungen- aus Deutschland stammen (vor ca. 40000 Jahren).

Ein jeder mag selbst entscheiden, ob die Lesart des Films, daß hier nur
dumme Jäger und Sammler lebten und von Anatolien dann kluge Bauern
kamen, stimmt..."

________________________________________________

Herzlich
Oblomow

Einordnung zum Thema

Weiner, Sonntag, 24.03.2019, 20:36 vor 1860 Tagen @ Oblomow 4463 Views

bearbeitet von unbekannt, Sonntag, 24.03.2019, 21:11

Guten Abend!

Man sollte die Zeiten, auch wenn bzw. gerade weil sie oft sehr lang sind, nicht durcheinander werfen.

Der moderne Mensch (Cro Magnon) kam nach Europa über den Nahen Osten sowie über Gibraltar und stieß hier auf den Neandertaler. Dabei hat eine Vermischung (vermutlich teilweise gewaltsam) stattgefunden, die dem künftigen europäischen Menschen etliche Vorteile brachte, weil der Neandertaler über Jahrhunderttausende sich körperlich besser an das damals sehr rauhe Klima und die Jagd allhier angepasst hatte. Der neue Mensch aus 'Afrika', der anfangs ganz sicher eine dunkle Hautfarbe und lockige schwarze Haare hatte ..., war dagegen lernfähiger und innovativer. Er hat sich vom Nahen Osten aus selbstverständlich auch in andere Regionen verbreitet (Eurasien und Asien). Wir reden hier von einem Zeitraum der 60.000 bis 40.000 Jahre zurück liegt.

Es ist richtig, dass ab 40.000 hier in Europa erstmals künstlerische Artefakte gefunden werden, die darauf schließen lassen, dass etwas grundsätzlich Neues in der Menschengeschichte entstanden ist (Bildung komplexer Kulturmuster, deren Weitergabe und fortlaufende Weiterentwicklung). Die ersten Zeugnisse dazu findet man auch bereits in früherer Zeit und an anderen Orten (Südafrika, Ostafrika, Australien). Jedoch ist die Dichte der Funde und ihre Qualität hier in Europa außerordentlich hoch. Dies ist wohl nicht nur der besseren achäologischen Erforschung geschuldet sondern dem Genius Loci (Klima und landschaftliche Gliederung in Europa).

Während der Eiszeiten, also bis etwa 10.000 v.Chr. findet gleichzeitig eine körperliche und auch 'geistig-kulturelle' Evolution im eurasiatischen Raum und mit dem modernen Menschen statt. Archäologisch ist sie am deutlichsten fassbar durch die Mikrolithik, d.h. die Steinwerkzeuge werden immer feiner und funktioneller, und es werden fortlaufend neue Materialien und Formen erprobt.

Der Ackerbau und die Viehzucht sind keine westeuropäischen Erfindungen sondern wurden, wiederum aus klimatischen Gründen, im Nahen Osten erarbeitet (von den Vettern der Westeuropäer). Von dort aus haben sie sich teils durch Migration, teils durch kulturelle Weitergabe nach Westeuropa und Nordeuropa verbreitet. Wir sind hier im Bereich 7.000 bis 5.000 v.Chr. Die frühen Ackerbauern in Westeuropa und auf dem Balkan hatte ein eigenes Gepräge und waren wiederum höchst innovativ (ich denke etwa an die ersten Textilien oder das Holzhandwerk). In der Grundstuktur hat sich das teils bis vor 500 Jahren erhalten (Dorfanlage, Alltagskultur etc.). Diese Kulturen wurden aber ab 5.000 v.Chr. ständig vom Osten her durch patriarchalische Viehzüchter, Krieger (Männerüberschuß) und Händlerkrieger überrollt - bis sich schließlich eine Stratifizierung ausbildete (königliche Anführer, adlige Leistungsträger, Handwerker und Bauern), die bei allem Wandel sich ebenfalls bis in unser eigenes Mittelalter erhalten hat.

Der Quellgrund dieser kriegerischen Kulturen aus dem Osten liegt im Bereich des Altai und der südrussischen Steppen. Es ist angemessen, diese Leute als Proto-Indoeuropäer oder Proto-Indogermanen zu bezeichnen. Sämtliche Hochkulturen der bisherigen Menschheitsgeschichte gehen auf sie als kreatives Ferment zurück, nicht nur die nahöstliche sondern auch chinesischen und indischen Kulturzyklen, selbst die nicht mehr voll ausgebildeten autochtonen Königreiche in Afrika sowie die großen Kulturzyklen in Amerika und in der Südsee (zu beiden letzteren Regionen: der besondere Drang zur Bewegung bei diesem Menschenschlag hat sich aufs Schiff verlegt, wenn das Pferd nicht mehr konnte; nach Japan konnte man die Pferde auf dem Schiff mitnehmen; bis ins frühe 20. Jahrhundert gab es in alten japanischen Adelsfamilien vereinzelt blonde Haare; Dschingis Khan soll gemäß chinesischen Quellen ebenfalls von sehr heller Haarfarbe gewesen sein; vgl. die hellhäutigen und rothaarigen Menschenfunde in der Gobi bzw. den Stamm der Tocharer).

Zum Thema KRIEG: Die sozial koordinierte Gewalt haben wir von unseren tierischen Vorfahren übernommen. Ich verweise auf den hervorragenden Arte-Film über die Kriegeraffen, der letztes Jahr hier auf dem Forum verlinkt wurde:

https://www.youtube.com/watch?v=tm5nsCKZxb4

https://de.wikipedia.org/wiki/Schimpansenkrieg_von_Gombe

Die Kritik damals von @Mephistopheles, dass bei den Aufnahmen menschliche Verhältnisse auf die Affen projiziert worden seien, ist nicht angemessen bzw. falsch. Es ist auch falsch, im Stadium von Jägern und Sammlern noch nicht von 'Eigentum' zu reden. Denn Jäger haben in der Regel (bei kritischer Populationsdichte) ein Revier, das sie als ihr eigen begreifen - wie in diesem Film ebenfalls sehr schön zu sehen ist (weiterer, sehr wichtiger Punkt: die innere soziale Dynamik unter den führenden Männchen).

Bei den oben erwähnten kriegerischen Nomaden, die aus der Steppe immer wieder nach Europa brandeten, befinden wir uns an der Grenze zwischen spontanem Raubzug oder landsuchender, raubender sowie unterwerfender Bevölkerungswanderung einerseits - und systematisch organisierter Gewalt andererseits. Letztere pflanzt sich systematisch fort, erneuert sich und generiert in allen Bereichen des kulturellen Lebens Innovation. Erst diese systematische und sich selbst fortpflanzende Art von Gewalt möchte ich selbst als den Krieg im eigentlichen Sinne bezeichnen. Wir alle leben in dieser geschichtlichen Epoche des fortwährenden Krieges, die vor etwa 6.000 Jahren begonnen hat. Und es wäre eigentlich unsere Aufgabe, sie zu beenden bzw. auf ihr Ende hinzuarbeiten.

Neben der so genannten "Energiefrage" ist (positiv ausgedrückt) die Frage nach dem Frieden die zentrale Herausforderung für den Menschen im gegenwärtigen Stadium seiner Geschichte. Bis das alles arrangiert ist, werden aber vermutlich noch 500 Jahre in die Welt gehen, mindestens, vielleicht auch 1500 - und somit weiteres Leid und fortgesetzte Zertörung. Ich habe zu dieser Sicht auf das Thema Krieg bereits einmal zwei Quellen eingestellt:

http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=414744

Obwohl die Genetik in der Geschichte eine gewisse Rolle spielt, sollte man sie nicht überschätzen bzw. richtig einordnen. Deutschland ist die am stärksten durchmischte Bevölkerung in Europa, und dieser Sachverhalt ist ganz sicher mit ein Grund der besonderen Leistungsfähigkeit mitteleuropäischer Menschen und Gesellschaften. Dennoch ist der Genpool bei uns hier an der Basis relativ konstant, wie die folgende Untersuchung deutlich zeigt (die ich ebenfalls schon mal hier zitiert hatte):

https://www.focus.de/wissen/videos/aeltester-dna-stammbaum-anthropologin-entdeckt-aelte...

https://www.cicero.de/kultur/3000-jahren-nicht-umgezogen/47627

zur Ergänzung evtl. auch noch das hier:

https://www.welt.de/welt_print/article1693136/Familie-Konfuzius-ist-die-aelteste-der-We...

Der eigentliche evolutionäre Fortschritt des Menschen gegenüber vergleichbaren höheren Säugetieren ist seine lange 'Kindheit' und Lernfähigkeit, die dann wiederum das Phänomen der Kultur hervorbringen. Diese schiebt sich zwischen den Körper (mitsamt dessen physiologisch fixierten Verhaltensweisen) und die äußere Wirklichkeit (die es zu bewältigen gilt). Ohne kulturelles Inventar kann der Mensch nicht überleben. Ich nenne es, in Analogie zum Genom, das Kulturom. Es wird von Generation zu Generation übermittelt, ist aber - das besondere an der ganzen Sache! - extrem wandelbar und für Innovationen offen.


Woher kommen diese Innovationen? Was eigentlich ist der 'kulturschaffende' menschliche ... Geist?

Fragt sich, freundlich grüßend, Weiner

Die Faulheit

Oblomow, Sonntag, 24.03.2019, 21:57 vor 1860 Tagen @ Weiner 4158 Views

Der eigentliche evolutionäre Fortschritt des Menschen gegenüber
vergleichbaren höheren Säugetieren ist seine lange 'Kindheit' und
Lernfähigkeit, die dann wiederum das Phänomen der Kultur hervorbringen.
Diese schiebt sich zwischen den Körper (mitsamt dessen physiologisch
fixierten Verhaltensweisen) und die äußere Wirklichkeit (die es zu
bewältigen gilt). Ohne kulturelles Inventar kann der Mensch nicht
überleben. Ich nenne es, in Analogie zum Genom, das Kulturom. Es wird von
Generation zu Generation übermittelt, ist aber - das besondere an der
ganzen Sache! - extrem wandelbar und für Innovationen offen.


Woher kommen diese Innovationen? Was eigentlich ist der 'kulturschaffende'
menschliche ... Geist?

Fragt sich, freundlich grüßend, Weiner


Was sonst. Mein Sohn hat mir neulich erzählt, dass Steve Jobs auf Führungspositionen, die mit Kreativität zu tun hatten, stets die Faulsten gehievt hat. Die Fleißigen sind einfach nur öde. Das erinnert mich an Talleyrand:

Klug und fleißig – gibt’s nicht;
klug und faul – bin ich selbst;
dumm und faul – für Repräsentationszwecke noch ganz gut zu gebrauchen;
dumm und fleißig – davor behüte uns der Himmel!

Herzlich
Oblomow

Plan B: „Sage mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes …“

Werkzeugbau resultiert aus Faulheit

Rainer ⌂ @, El Verger - Spanien, Montag, 25.03.2019, 00:15 vor 1860 Tagen @ Oblomow 4044 Views

Guten Tag,

Klug und fleißig – gibt’s nicht;
klug und faul – bin ich selbst;
dumm und faul – für Repräsentationszwecke noch ganz gut zu
gebrauchen;
dumm und fleißig – davor behüte uns der Himmel!

Wenn man faul ist und Grips im Kopf hat, stellt man keine Dinge her, sondern man baut Werkzeuge um Dinge herzustellen. Die nächste Stufe ist, andere einzuspannen, solche Werkzeuge zu bauen. Die Qualität der Werkzeuge sinkt aber bereits in der ersten stufe.

Rainer

--
Ami go home!
RundeKante
WikiMANNia
WGvdL Forum

Neuere Übersetzungen von Plan B

Weiner, Montag, 25.03.2019, 08:08 vor 1860 Tagen @ Oblomow 4112 Views

Hallo Oblomow,

vielen Dank für den Voß, ich bin mit der Übersetzung von Schadewaldt aufgewachsen:

„Den Mann nenne mir, Muse, den vielgewandten, der gar viel umgetrieben wurde, nachdem er Trojas heilige Stadt zerstörte. Von vielen Menschen sah er die Städte und lernte kennen ihre Sinnesart. Viel auch litt er Schmerzen auf dem Meer in seinem Gemüte, während er sein Leben zu gewinnen suchte wie auch die Heimkehr der Gefährten. [...] Davon – du magst beginnen, wo es sein mag – Göttin, Tochter des Zeus, sage auch uns!“

Doch soll es inzwischen eine noch bessere geben:

https://www.tagesspiegel.de/kultur/homer-uebersetzung-muse-erzaehl-mir-vom-manne-dem-wa...

Wünsche allseits eine gute neue Woche!

W.

Von Hinterindien und von Hintertanen (auch für @Centao)

Weiner, Montag, 25.03.2019, 09:10 vor 1860 Tagen @ Weiner 4104 Views

Guten Morgen!

Da ich mich hier so lange über unsere "Vorgeschichte" ausgelassen habe, fällt mir ein, dass ich vor einiger Zeit eine Antwort an Centao zwar vorbereitet, aber noch nicht abgeschickt hatte. Es ging in irgendeinem zurückliegenden Thread um die Industal-Kultur, die offensichtlich etwas anders strukturiert war als die sonst bekannten Zentralmachtsysteme.

(Ein neuerer populärer Artikel zum Einstieg in das Thema unter dem Aspekt der Schrift findet sich von Andrew Robinson in 'Spektrum der Wissenschaft' 9/2016: Rätselhafter Induscode).

Auch in Indien kocht man natürlich mit Wasser, sprich: ohne ein gewisses Ausmaß an hierarchischer Ordnung geht es auch in Genossenschaften nicht - sonst ist der gute Tag vertan mit Diskussionen, und für die eigentliche Arbeit bleibt keine Zeit ...

Bei den aggressiven Überlagerungen, die zur Bildung eines Staates und ggfs. zur Entstehung eines Hochkulturzyklus führen, müssen gewisse quantitative und qualitative Verhältnisse zwischen der später herrschenden Schicht und den Unterworfenen gegeben sein. Was das erstere betrifft, so schätzt man z.B. für die Franken (Sugambrer mit dem späteren Königsgeschlecht der Merowinger), dass sie etwa eins zu zehn gegenüber den Gallorömern links des Niederrheins zählten. Viertausend Jahre zuvor, bei der Gründung des mesopotamischen und ägyptischen Zyklus dürften die Verhältnisse ähnlich gelegen haben. Die aggressive Einwanderung - solches Geschehen erstreckt sich immer über mehrere Jahrhunderte: die ersten Merowinger waren Söldner in den römischen Legionen - geschah für Nahost, Ägypten, auch Mittelost (Persien/Elam), aus westlich und nördlich angrenzenden Regionen mit indogermanischem Bevölkerungsüberschuss. Die Hauptmasse der Einwanderer wurde im vorderen Orient dann sesshaft und gründete Staaten, aber etliche Gruppen zogen, überwiegend auf dem Seeweg, bis nach Indien. Wir befinden uns zeitlich zwischen 4000 und 3000 v.Chr. *)

In Indien war die Zahl der Ankömmlinge zu gering für die Unterwerfung der einheimischen Bevölkerung, es dürfte etwa das Verhältnis wie zwischen Indianern und Wikingern in Nordamerika gewesen sein. In Indien jedoch waren die klimatischen Voraussetzungen wesentlich besser als in Nordamerika und Grünland, die Ankömmlinge blieben in Indien und übernahmen den Handel mit Mittelost und Ägypten, via Dilmun, heute Golfregion, und es entwickelte sich auf dieser Basis eine Kooperation, die zu einer Verschmelzung mit den Einheimischen führte, aber nicht primär ein Herrschafts- und Unterdrückungsverhältnis war. Das ist meine aktuelle Auffassung zur Enstehung der Industal-Kultur: sie war handelsdominiert.

Es gibt vergleichbare Fälle in der späteren Geschichte, die sehr interessant sind. Ich denke etwa an die Phönizier, bei denen eigene Staatsstrukturen sich ähnlich entwickelten. Die frühen Phönizier (im Kern entstammten ihre Führungseliten ebenfalls indogermanischen Seevölkern **)) hatten zwar Stützpunkte im Philisterland, sprich Phalästina, aber sie waren primär auf See, ihr Geschäft war Transport und Handel. Erst spät versuchten sie sich als Territorialmacht (Karthago), und das war dann auch schon ihr Ende. Es gibt tatsächlich immer wieder in der Geschichte, vorzüglich im Bereich Zwischenhandel, gewisse staatliche Strukturen, die parallel zu territorialen Zentralmachtstaaten existieren. Man darf insgesamt für den vorgeschichtlichen und protostaatlichen Bereich den (Tausch-) Handel, noch ohne Geldsystem, als organisierendes, strukturierendes soziales Element nicht vernachlässigen. Auch Kulthandlungen (Religionen) können entsprechende Katalysatoren sein, man denke für die Neuzeit etwa an die religiös motivierten Auswanderungen nach Nordamerika, für die früheste Zeit an Göbeliki Tepe. Mit zunehmender Populationsdichte wird natürlich alles eingeschmolzen in Zentralmacht-Staatssysteme der aggressiven Art.

Ein weiteres Beispiel findet sich wiederum in Indien, jetzt aber in der neueren Geschichte, kaum 1000 Jahre zurückliegend, ein Beispiel also für eine erst parallele dann Staaten übergreifende 'internationale' Macht- und Herrschaftsstruktur. Sie hat sich entwickelt aus Händlergilden, man könnte sie der Hanse vergleichen oder den Normannen, den Templern, vielleicht auch einigen der späteren europäischen 'Kompagnien' (Ostindienkompagnien ...) - es ist immer eine ähnliche 'supranationale' Erscheinung. Die 'Abgabe', von der diese Machtstruktur lebt, ist die Handelsspanne. All diese Händlerverbindungen kooperierten und diplomatierten mit den verschiedensten Territorial-Staaten, aber sie waren nicht von ihnen abhängig. Sie hatten eine eigene staatliche Struktur (intern und nach außen), die vom Ursprung her kooperativ und genossenschaftlich war (Orden!). Sobald diese Gruppen sich territorial zu sehr fixierten, gingen sie ein (weil immer schwächer als eine Zentralmacht). Ihre Zeit war ebenfalls zu Ende, als die Zentralstaaten eigene Transport- und Handelsstrukturen aufbauten (Flotte, Handelsfinanzierung etc.).

Heute haben wir die Situation, dass gewisse kapitale Kreise sich juristisch der Macht der Territorialstaaten entziehen und die Territorialstaaten selbst politisch und wirtschaftlich manipulieren können (weil ihre Kapitalbasis und ihre Netzwerke oft größer sind als die eines Territorialstaates). Die Geschäftsbasis dieser neueren übernationalen Machtstrukturen war ursprünglich ebenfalls das den Handel und Transport immer begleitende Geldsystem. Beispiele wären die Templer oder die Medici. Es hat nun den Anschein, dass auch sie von den Zentralmachtstaaten überrollt wurden, nachdem diese das Geldsystem an sich gezogen hatten. Tatsächlich aber konnten einige dieser Strukturen überleben bzw. sich neu gründen. Und sie haben eine Dimension und Art von Herrschaftsstruktur entwickelt, die menschheitsgeschichtlich neuartig ist, aber keimhaft in den international operierenden Händlergilden der Vergangenheit angelegt war. So ist es gekommen, dass gewisse Kapitalkonzentrationen heute machtmässig über den Staaten stehen und letztere als Subsysteme komplett kontrollieren.

Ich bringe nachfolgend eine Inschrift der Ayyavoles aus Südindien, die den Machtstolz der dortigen Händlergenossenschaften und die Anfänge einer zwar regional beschränkten, der Art nach aber 'globalen' Herrschaft sehr klar zeigt. Zeitlich stammt der Text aus dem 11. Jahrhundert, als Venedig noch eine Lokalmacht war, die Medicis noch gar nicht geboren und die Gene der Rothschilds noch gar nicht aufgewickelt.

MfG, Weiner

"Sie sind berühmt in aller Welt, geschmückt mit zahlreichen guten Eigenschaften, Beschützer des Gesetzes der heldenhaften Händler, im Besitz von 32 Niederlassungen, 18 Hafenstädten (pa'ana), 64 Ashrams, alle verteilt über die vier Himmelsrichtungen. Sie wurden geboren, um durch viele Länder zu wandern, haben die Erde als ihren Rucksack, den Betelbeutel als Geheimtasche, den Horizont als ihr Licht, ein scharfes Schwert als Essbesteck. Sie besuchen die Caras, Colas, Pandyas, Maleyas, Maghada, die Kosalas (Bihar), Saurashtra und die Kambodschas (Nordwestindien), Gauda (Begalen), Parasa (Persien) und Nepal auf Wegen, die zu Land und Wasser in die Regionen der sechs Kontinente eindringen, mit erstklassigen Elefanten, gut gezüchteten Pferden, wohlgezimmerten Schiffen, schwer beladen mit Saphiren, Mondsteinen, Perlen, Rubinen, Diamanten, Lapislazuli, Topaz, Karfunkeln, Korallen, Smaragden, Kardamom, Gewürznelken, Sandelholz, Kampfer, Moschus, Safran und anderem Pafüm und Gewürz. Sie verkaufen in Großkontingenten oder lassen die Ware mit Tragegestellen über der Schulter vertreiben. Sie vermeiden Verlust durch Steuerabgaben, füllen der Herrscher Schatzkammern mit Gold und Juwelen und ihre Rüstkammern mit Waffen, von dem Rest beschenken sie täglich Pandits und Munis (Tempelpriester), haben selbst weiße Schirme als Baldachine (Symbol des Königs), den mächtigen Ozean als Festungsgraben, den Götterkönig Indra (blitzeschleudernd) als Leibwächter, Varuna (Gott des Wasser) als Standartenträger, Kubera (Gott des Reichtums) als ihren Schatzmeister, die neun Planeten als Gürtel, Sonne und Mond als ihre Handschuhe, die 33 Götter als ihre Zuschauern - sie, die 500 Herren der glückverheißenden Ayyavole-Kaufmannsgilde. Die besten unter ihnen, von unbeflecktem Ruhm, greifen wie der Elefant und töten, stehen fest wie die Kuh und töten, speien Gift wie die Schlange und töten, springen wie der Löwe und töten. Sie sind weise wie Brihaspati (ein Gott), erfolgreich in Auswege ersinnen wie (Vishnu-) Narayana; über den vorbeigegangenen Tod machen sie Scherze, dem ankommenden Tod treten sie entgegen; den krallenden Tiger verschrecken sie, Lehm stecken sie in Brand, aus Sand machen sie Seile, sie fangen den Blitz und zeigen ihn her, Sonne und Mond ziehen sie auf die Erde herab; sie diskutieren über das dritte Auge und über die vier Arme Ishvaras (Shiva), über das laute Gelächter Brahmas und über den Wahn der Bhagavati (eine Göttin). Falls ein Sack durch den Inhalt, den sie aus den vier Himmelsrichtungen zusammentrugen, platzt - oder wenn ein mit Getreide beladener Esel davonläuft, oder wenn ein Wagen ausgeraubt, ein Goldbarren gestohlen oder eine Steuer umgangen wurde, beim Geschrei von Plünderern, bei einer Rechtsversammlung im Zusammenhang mit Gebräuchen, wenn ein Handelsvertrag abgeschlossen wurde - in all diesen Fällen, machen sie keine Fehler, sondern tragen das Haupt des Diebes als Troddel, binden des Feindes Hand als ein warnendes Zeichen an einen Pfahl; Glücksspiele erlauben sie nicht, erarbeitet ist all ihr Vermögen. Grüßet also mit gefalteten und an die Stirn gehobenen Händen die 500 Herren (Svami) der Ayyavole, die im Besitz aller Ehrentitel sind, öffnet Euren Sack und bietet ihnen Speisegaben an, oh ihr Händler (setti), stiftet den 500 Herren der Ayyavole eine Trommel in einer Schale - und wünschte ihnen weiter viel Glück."

(zitiert nach Kulke/Rothermund, Geschichte Indiens, 2018)

~~~~~~~~~~~~~~~+

*) am weitesten auf dem Seewag nach Osten haben sich jene vorgewagt, aus denen dann später die Polynesier hervorgegangen sind.

Nach S.W. Serjeantson sind die Antigene HLA B13, B18 and B27 häufig unter Melanesiern, aber fehlen bei Polynesiern. Letztere haben signifikant häufiger A11 in Verbindung mit Bw48. A11 ist kaukasisch, mit B40 assoziiert wurde es im Industal (Harappa!) gefunden.

The Colonization of the Pacific – A Genetic Trail, edited by Adrian Hill and S.W. Serjeantson, 1989

**) https://www.independent.co.uk/news/science/archaeology/dna-sequencing-of-ancient-phoeni...

Das Gelbe vertieft zur neolithischen Revolution (mL)

Oblomow, Dienstag, 26.03.2019, 10:16 vor 1859 Tagen @ Weiner 3587 Views

bearbeitet von Oblomow, Dienstag, 26.03.2019, 10:32

Guten Tag!

http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=194717 | http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=195407

Mein altes Cetereum censeo: "Das Archiv ist die Schatzkammer" und Tassie Devil einer der Schlüssel. Oder @tar:"Zum Verständnis bräuchte es zunächst einen kurzen historischen Abriss zur Bevölkerungsentwicklung der Menschheit - und zwar im Zusammenhang mit der berüchtigten Dunbar-Zahl und den sich fortwährend verändernden Ernährungsbedingungen, die sich durch die neolithische Revolution (einhergehend mit der Etablierung religiöser Kasten zur angeblichen Vermeidung einer neuen Katastrophe, sowie der Entwicklung von Schrift und Mathematik zur logistischen Bewältigung der Felderbewässerung, usw.) derart drastisch verbesserten, dass die vormals soziale Kontrolle menschlicher Gemeinschaften schlicht und ergreifend ausgehebelt wurde.

Das bedeutet nichts anderes, als dass die Gemeinschaft zerbrach bzw. zwangsläufig zu einer Gesellschaft expandieren musste und es innerhalb dieser Gesellschaft zur gewaltsamen Unterdrückung kam, um die vormals freiwillig solidarische Umverteilung nun per Zwang durchzusetzen.

Dies ist die Geburt des Staates, bei der jemand die Waffe erhob und Tribut forderte. Es ist die Geburt des Kredits und die Geburt des Marktes, in der der tributpflichtige Untertan nun alles daran setzen musste, den Tribut zu erwirtschaften - in welcher Form auch immer.

Dies ist die Geburtsstunde der Wirtschaft, des Geldes und voraussichtlich des Untergangs der Menschheit - die Vertreibung aus dem Paradies.

Diese Machttheorie steht allen ökonomischen Theorien voran und insofern irgendeine sogenannte Wirtschaftswissenschaft diesen zugrundelegenden Baustein in ihren Modellen und Erklärungen ignoriert, taugt sie keinen Deut, als zur Verblödung des Geistes, bei der man seine Lebenszeit in sinnleeren Gelddiskussionen vergeudet, die allesamt am Thema vorbei gehen."

aus dem obengenannten Thread: http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=194691

Herzlich
Oblomow

Gut gefunden!

nemo, Dienstag, 26.03.2019, 11:16 vor 1859 Tagen @ Oblomow 3471 Views

Da sieht man mal wieder, dass alles schon da ist. Die Grundlagen des Debitismus
sind längst hier aufgeschrieben und geklärt worden.

Der Debitismus beruht auf reiner Macht, die sich vorfinanzieren muss.
Entweder durch Sklaverei oder Unterdrückung oder Tributpflicht.

Seit dem sich die Herrschaft durch die Gelder der Tributpflichtigen an der
Macht hält, müssen alle Teilnehmer dieses Kreislaufs Profite erwirtschaften.
Das bedeutet gleichzeitig die Ausbeutung von Umwelt, Tier und Mensch.

Profite erwirtschaften zu müssen bedeutet, dringend auf Nachschuldner
angewiesen zu sein.. Es geht also in unserem Wirtschaftssystem nicht darum,
Dinge herzustellen die gebraucht werden, sondern Dinge herzustellen,
die gekauft werden. Das ist nicht dasselbe. Ersteres wäre solidarische
Verteilung, zweites braucht immer neue Konsumenten (Nachschuldner).

Wenn man das versteht, ist es wirklich einfach und man braucht keine
umständlichen Verrenkungen anzustellen, um Debitismus, Urschuld
und Kettenbrief zu erklären. Auch ist es müßig Debitismus, der eine
Geldtheorie ist, die auf Macht beruht, mit Thermodynamik erklären
zu müssen. Das macht keinen Sinn.

Die Schwierigkeit besteht nur darin, das Wesentlich nicht aus den Augen
zu verlieren und sich nicht in zahllosen Interpretationen zu verlieren.

Der Ausweg ist ebenfalls einfach. Es wird eine Macht benötigt, die
nicht zwingt, sondern auf freiwilliger Beteiligung und Einsicht beruht.
Eben Solidargemeinschaft. Deswegen sagt Mausfeld, dass Demokratie
und Kapitalsmus unvereinbar sind. Auch diese einfache Wahrheit
ist für die viele schwer zu verstehen. Denn dazu müsste erst einmal
verstanden werden, was Kapitalismus ist und wer sich damit
eingehender beschäftigt, wird früher oder später zum Debitismus
gelangen und erkennen, dass die Idee von freien Märkten eine
reine Selbsttäuschung ist.

Gruß
nemo

Guck mal hier: Popeye am 11. November 2005: Wie kam der Ackerbau nach Europa?

Oblomow, Dienstag, 26.03.2019, 19:06 vor 1858 Tagen @ nemo 3452 Views

http://www.dasgelbeforum.net/sammlung/htm/338132.htm

Wer suchet, der suchet, der suchet... - ganz schön aktuell.

Lange Rede, kurzer Sinn: die Doku ist wohl eher Schwachsinn. Das Rätsel der Massenbestattungen bleibt.

Herzlich
Oblomow

Faszinierend, auch die Nennung der 64 Ashrams.

Centao @, Dienstag, 26.03.2019, 20:37 vor 1858 Tagen @ Weiner 3372 Views

Der Bezug der Industal-Zivilisation mglw. zum Hinduismus in seiner Vielgestaltigkeit der Götterwelt gerade auch zum Handel. Die 64 Klöster (Ashrams) waren wohl auch Handelsschulen..

Hallo @Weiner,

meinen Dank erst mal für dieses Thema bzw. den Super-Beitrag. Ich habe mir das genannte Buch dazu günstig geschossen und kann zu mindestens zum Thema Templerorden (welcher kein Bankprivileg hatte!) als spätere überstaatliche Handels- und Schutzorganisation einiges beibringen.

Der Kooperationsgedanke bringt sicher noch so manche Überraschung..

Beste Grüße,
CenTao

"Ein Krämer wird kein König"

Silke, Mittwoch, 27.03.2019, 11:11 vor 1858 Tagen @ Weiner 3365 Views

bearbeitet von Silke, Mittwoch, 27.03.2019, 12:08

Lieber Weiner,

verständlich dass die Vorstellung des friedlichen Hochtauschens angenehmer ist, als die Machttheorie.
So ist auch die Vollgeldidee besser erträglich als der Debitismus, der einem bei genauer Betrachtung jeden stabilen Standpunkt in dieser Welt entreisst in einem endlosen und verwirrendem Ozean aus Verschuldung.

Der @dottore hat aber lang und breit erklärt, dass immer Machtsysteme vor Handelssystemen kommen müssen, das sie vorfinanziert werden müssen ("royal merchants" im DGF/EWF suchen).

"Am Anfang steht die herrschaftliche Wirtschaft (Latifundien, oikos-Produktion - oder wem gehörte Ithaka, wenn nicht Odysseus allein?), aus der sich die Privaten nicht nur persönliche Rechte (s."Bauernbefreiung", usw.), sondern auch dingliche Rechte (Unter-Eigentum) erstritten haben. Noch in der Literatur des 16. Jh. heißen diese Rechte"fryheiten".
Die Mafia ist ein sehr gutes Beispiel. Sie war ursprünglich eine Inkasso-Gesellschaft für Abgaben der feudalen Grundherren, deren Vorfahren ihr"feod" (feudum) von früheren Herrschern erhalten hatten. Nachdem dies weggefallen war (Grund-und Boden-Reform) mussten sie ihr Geschäftsmodell den neuen Gegebenheiten anpassen.
Es gab nur auf dem Land zu Grunddiensten Verpflichtete und die"Händler" waren "royal merchants", die jenes aufzutreiben hatten, was der Herrscher Herz erfreute. Ausführlichst belegt (Renger, Radner u.a.)."
dottore

"Es kommt mir auch sehr zu pass, da es durchgehend meine These stützt, dass Herrschaft plus Abgabenzwang erst zu dem geführt haben, was wir privates Wirtschaften nennen. Stets ist eine Macht- oder Abgabenökonomie (Palastwirtschaft, Königswirtschaft, Tempelwirtschaft) Voraussetzung für Kaufleute und Geld und geht ihnen in jedem Fall zeitlich voraus."
dottore

Und @Ashitaka hat immer wieder erklärt, warum das auch nie anders ging.
Handel muss wie jede andere Aktivität auch vorfinanziert werden und so umfassende Vorfinanzierung wie Fernhandel kann nur eine bewerkstelligen (bzw. besser gesagt "simulieren", sie muss es ja dann durch das Zwingen von Nachschuldnern nachträglich ausgleichen, was aber nicht geht da vorher-nachher-Problem und somit das System zum exponentiellen Wachstumszwang verdonnert ist. wie ein Krebsgeschwür, bis es fallieren muss) - das kann nur die Macht per Versprechend, Verschulden und bewaffnetem Zwang.

Da ich mich hier so lange über unsere "Vorgeschichte" ausgelassen habe,
fällt mir ein, dass ich vor einiger Zeit eine Antwort an Centao zwar
vorbereitet, aber noch nicht abgeschickt hatte. Es ging in irgendeinem
zurückliegenden Thread um die Industal-Kultur, die offensichtlich
etwas anders strukturiert war als die sonst bekannten Zentralmachtsysteme.

Das Klitzegleiche in Grün wie Sumer/Akkad/Babylon, Ägypten, Assyrien, Elam name it.
Man war natürlich auch miteinander verbandelt, wie du selbst nachweist, nur eben nicht primär duch Handels- sondern durch Machtstrukturen (Vasallen, Satrapien, Kooperationen).

(Ein neuerer populärer Artikel zum Einstieg in das Thema unter dem Aspekt
der Schrift findet sich von Andrew Robinson in 'Spektrum der Wissenschaft'
9/2016: Rätselhafter Induscode).

Interessant, aber was bringt der genau Neues?
Der Stein von Rosetta fehlt im Industal noch immer weil auch noch viiiel zu wenig erbuddelt ist und dafür schon ordentlich in der Vergangenheit vernichtet wurde wenn die Briten halb Harappa für ihre Bahnprojekte als Gleisbett missbrauchten. Die Inka sind auch prima ohne Schrift zurecht gekommen bei ihrer üblen Unterdrückung und Unterwerfung, die Knotenschnüre haben gereicht wie anderswo halt Token, Siegel, Kerbstöcke oder Kaurimuscheln.
Alles, was da möglicherweise an Wertvollem und Bahnbrechendem gefunden wurde, dürfte genau so weg sein wie die Grabbeigaben der Königsgräber in Ägypten, den Kurganen oder in Irak/Iran/Syrien usw..

Überleg doch mal...gerade einmal ein lausiges Grab von Tutanchamun wurde unversehrt geborgen. Der Rest ist Beutekunst, oder vernichtet wie die Maya-Codices und die Inka-Kunstwerke aus Gold aus Gold und all die anderen Zeichen fremder Kulturen auf die flugs neue Monumente gebaut wurden und die nicht ohne Grund verboten wurden.

Auch in Indien kocht man natürlich mit Wasser, sprich: ohne ein gewisses
Ausmaß an hierarchischer Ordnung geht es auch in Genossenschaften nicht

Hammerharte Hierarchien führen zur Einführung von reissbrettgeplanten Städten mit Ab- und Frischwasser sowie Wehranlagen und Speichern, zu genormten Maßen, Normziegeln, Siegeln usw.

Machtfreies Wohnen geht anders wie hier oder hier.

Material gibt es schon genug zu lesen. Es hängt eben von der inneren Überzeugung ab, was und wie man liest - Vollgeldler oder Debitist.
Aber das ist ja auch spannend und du gibst dir mit deiner Argumentation noch richtig viel Mühe und bleibst in der Diskussion sachlich.[[top]]

sonst ist der gute Tag vertan mit Diskussionen, und für die eigentliche
Arbeit bleibt keine Zeit ...

Im Gegenteil.
Mit dauerndem Palaver zur Herstellung von Konsens im Rahmen von costum hast du am Ende viiiel weniger zu arbeiten, weil du durch verhinderung von ZMS nicht noch die Macht mit durchfüttern musst.
In einem ZMS musst du ja dank der Vorfinanzierungsproblematik immer schneller immer mehr rödeln um an deiner Rödelei nicht kaputt zu gehen.

Bei den aggressiven Überlagerungen, die zur Bildung eines Staates und
ggfs. zur Entstehung eines Hochkulturzyklus führen, müssen gewisse
quantitative und qualitative Verhältnisse zwischen der später
herrschenden Schicht und den Unterworfenen gegeben sein.

Die Überlagerungstheorie hat das Problem, dass irgendwer eine Überlagerungbefähigung vorfinanzieren muss.
Wer hat angefangen mit überlagern und warum?
Wenn ein Zentralmachtsystem steht ist es relativ einfach und klar hoch verschuldet zu expandieren, wie Alexander und Adolf bewiesen haben.
Aber @Ashitaka hat irgendwo einmal richtig geschrieben, dass erst einmal der Gedanke des "animus rem sibi habendi" in die Welt muss bevor es los gehen kann mit Machtsystemen.

Was das erstere
betrifft, so schätzt man z.B. für die Franken (Sugambrer mit dem
späteren Königsgeschlecht der Merowinger), dass sie etwa eins zu zehn
gegenüber den Gallorömern links des Niederrheins zählten. Viertausend
Jahre zuvor, bei der Gründung des mesopotamischen und ägyptischen Zyklus
dürften die Verhältnisse ähnlich gelegen haben. Die aggressive
Einwanderung - solches Geschehen erstreckt sich immer über mehrere
Jahrhunderte: die ersten Merowinger waren Söldner in den römischen
Legionen - geschah für Nahost, Ägypten, auch Mittelost (Persien/Elam),
aus westlich und nördlich angrenzenden Regionen mit indogermanischem
Bevölkerungsüberschuss. Die Hauptmasse der Einwanderer wurde im vorderen
Orient dann sesshaft und gründete Staaten, aber etliche Gruppen zogen,
überwiegend auf dem Seeweg, bis nach Indien. Wir befinden uns zeitlich
zwischen 4000 und 3000 v.Chr. *)

Klar.
Sind Machtsysteme erst einmal in der Welt geht alles rucki-zucki und keiner bleibt verschont bis das ganze in einem einzigen globalen Zentralmachtsystem enden muss (Krieg/Fission/Fusion).

In Indien war die Zahl der Ankömmlinge zu gering für die Unterwerfung
der einheimischen Bevölkerung, es dürfte etwa das Verhältnis wie
zwischen Indianern und Wikingern in Nordamerika gewesen sein. In Indien
jedoch waren die klimatischen Voraussetzungen wesentlich besser als in
Nordamerika und Grünland, die Ankömmlinge blieben in Indien und
übernahmen den Handel mit Mittelost und Ägypten
, via Dilmun, heute
Golfregion, und es entwickelte sich auf dieser Basis eine Kooperation, die
zu einer Verschmelzung mit den Einheimischen führte, aber nicht primär
ein Herrschafts- und Unterdrückungsverhältnis war. Das ist meine aktuelle
Auffassung zur Enstehung der Industal-Kultur: sie war handelsdominiert.

Das wage ich ja mal heftig zu bezweifeln.
Die Conquistadores, britischen Weltentdecker und Amerikabesiedler sind nicht eben mit den Einheimischen verschmolzen.

Es gibt vergleichbare Fälle in der späteren Geschichte, die sehr
interessant sind. Ich denke etwa an die Phönizier, bei denen eigene
Staatsstrukturen sich ähnlich entwickelten. Die frühen Phönizier (im
Kern entstammten ihre Führungseliten ebenfalls indogermanischen
Seevölkern **)) hatten zwar Stützpunkte im Philisterland, sprich
Phalästina, aber sie waren primär auf See, ihr Geschäft war Transport
und Handel. Erst spät versuchten sie sich als Territorialmacht (Karthago),
und das war dann auch schon ihr Ende.

Das wäre eine weitere spannende Diskussion.
"Ja, allgemein geht nichts. Aber der Strang Mesopot ---> Mari, Phönizier, Griechen, Römer, Europa, Wall Street ist und bleibt der wichtigste, von wegen Abgabe, Zins, Geld, Eigentum-Zession usw.."
@dottore

Es gibt tatsächlich immer wieder in
der Geschichte, vorzüglich im Bereich Zwischenhandel, gewisse
staatliche Strukturen, die parallel zu territorialen Zentralmachtstaaten
existieren.

Territorialität ist ein Frühsymptom von Machtsystemen wie an den europäischen Nationalstaaten und der daraus entstehenden EUdSSR zu bestaunen.
Dabei geht es nach @Zandow um den Übergang von Tribut zu Steuer (schließen des Staatsterritoriums wie ein Viehgehege, dem sich die Viecher natürlich auch hin und wieder erfolglos zu entziehen versuchen - dann bekommen sie halt ID-Nummern wie die Ohrschilder der frei laufenden bayrischen Kühe oder die Rentiere der Samen).

Man darf insgesamt für den vorgeschichtlichen und
protostaatlichen Bereich den (Tausch-) Handel, noch ohne Geldsystem, als
organisierendes, strukturierendes soziales Element nicht vernachlässigen.

Wie bitte? Handel ohne Geld (und dazu gehörige Machtsysteme)?
Das wäre dann wie Handel ohne Wertmasstab.
Da sind sie wieder, die Tauschtheoretiker....

Auch Kulthandlungen (Religionen) können entsprechende Katalysatoren sein,
man denke für die Neuzeit etwa an die religiös motivierten Auswanderungen
nach Nordamerika, für die früheste Zeit an Göbeliki Tepe. Mit
zunehmender Populationsdichte wird natürlich alles eingeschmolzen in
Zentralmacht-Staatssysteme der aggressiven Art.

Erst etablieren sich Machtstrukturen, dann wird der religiöse Überbau nachgeliefert.
Akephale Spiritualität ist etwas ganz anderes als Religionen.
Göbekli Tepe bleibt spannend - muss ja aber auch noch zum grössten Teil ausgebuddelt werden.
Es war ein religiöses Zentrum der Großregion. In umgebenden Siedlungen wie Åžanlıurfa hat man Kleine Nachbildungen der Kreise gefunden so wie eben bei uns in jedem Dorf eine Kirche steht.
Gut ist, dass da wahrscheinlich keine Grabräuber ran können.
Schlecht ist, dass da machtverseuchte Archäologen ran können und damit die Deutungshoheit der Funde der Macht überlassen wird.
"Archäologie und Macht" G.Uhlmann

Ein weiteres Beispiel findet sich wiederum in Indien, jetzt aber in der
neueren Geschichte, kaum 1000 Jahre zurückliegend, ein Beispiel also für
eine erst parallele dann Staaten übergreifende 'internationale' Macht-
und Herrschaftsstruktur.
Sie hat sich entwickelt aus Händlergilden,

Never.
Das sind Simulationen. Machtsysteme entsteht nicht aus Handel. Macht muss gewalttätig verteidigt werden.

man könnte sie der Hanse vergleichen oder den Normannen, den Templern,
vielleicht auch einigen der späteren europäischen 'Kompagnien'
(Ostindienkompagnien ...) - es ist immer eine ähnliche 'supranationale'
Erscheinung.

Machtbastarde die eine Zession von Macht per Freyheythen erstreiten konnten (Obereigentümer von allem bleibt aber stets der Zwingherr) wie halt die bürgerlichen Freyheyten auch, die doch nur das Zentralmachtsystem stärken (Optimierung der Machtzession ist das Wichtigste was ein ZMS leisten muss)

Die 'Abgabe', von der diese Machtstruktur lebt, ist die
Handelsspanne.

Ein Händler muss profitieren und Abgaben an seinen Herrn leisten.

All diese Händlerverbindungen kooperierten und
diplomatierten mit den verschiedensten Territorial-Staaten, aber sie waren
nicht von ihnen abhängig.

Oh doch, von den bewaffneten Machtsystemen schon.
Freibeuter wird man im Auftrag seiner Majestät.

Sie hatten eine eigene staatliche Struktur
(intern und nach außen), die vom Ursprung her kooperativ und
genossenschaftlich war (Orden!).

Hierarchien. Keine Egalität.
Machtsysteme können natürlich auch kooperativ sein.
Das ist ja kein Unterscheidungsmerkmal.

Sobald diese Gruppen sich territorial zu
sehr fixierten, gingen sie ein (weil immer schwächer als eine
Zentralmacht). Ihre Zeit war ebenfalls zu Ende, als die Zentralstaaten
eigene Transport- und Handelsstrukturen aufbauten (Flotte,
Handelsfinanzierung etc.).

Händler sind wie Söldner und Geistliche auch die klebrigen Finger von Zentralmachtsystemen und keine eigenständigen Entitäten, die sich ohne dahinter stehende Zwingherren reich und mächtig tauschen können.

Heute haben wir die Situation, dass gewisse kapitale Kreise sich
juristisch der Macht der Territorialstaaten entziehen und die
Territorialstaaten selbst politisch und wirtschaftlich manipulieren können
(weil ihre Kapitalbasis und ihre Netzwerke oft größer sind als die eines
Territorialstaates).

Machtzession der ZMS.

Die Geschäftsbasis dieser neueren übernationalen
Machtstrukturen war ursprünglich ebenfalls das den Handel und Transport
immer begleitende Geldsystem.

Geld ist ein Kind der ZMS und nicht des Handels.

Beispiele wären die Templer oder die Medici.
Es hat nun den Anschein, dass auch sie von den Zentralmachtstaaten
überrollt wurden, nachdem diese das Geldsystem an sich gezogen hatten.

Anders herum.
Erst das ZMS, dann der ganze Rattenschwanz.
Das ganze Verständnis dieser Phänomene steht und fällt mit dem Verständnis von Geld.

Tatsächlich aber konnten einige dieser Strukturen überleben bzw. sich neu
gründen. Und sie haben eine Dimension und Art von Herrschaftsstruktur
entwickelt, die menschheitsgeschichtlich neuartig ist, aber keimhaft in den
international operierenden Händlergilden der Vergangenheit angelegt war.

Das tät mich mal genauer interessieren.
Ich sehe immer nur ZMS in und um andere kooperierende und konkurrierende ZMS aber vielleicht bin ich da zu engstirnig.

So ist es gekommen, dass gewisse Kapitalkonzentrationen heute machtmässig
über den Staaten stehen und letztere als Subsysteme komplett
kontrollieren.

Ein Staat ist kein ZMS sondern eine Simulation eines ZMS so wie eine religiöse oder mafiöse oder ähnliche Vereinigung halt auch. Das Organisationsprinzip ist immer das gleiche, die Phänotypen sehr unterschiedlich, ein Territorium ist für ein ZMS nicht zwingend nötig, bzw. die Grenzen fluktuieren sehr, sehr stark wie bei einer Amöbe auch.

Ich bringe nachfolgend eine Inschrift der Ayyavoles aus Südindien, die
den Machtstolz der dortigen Händlergenossenschaften und die Anfänge
einer zwar regional beschränkten, der Art nach aber 'globalen'
Herrschaft
sehr klar zeigt. Zeitlich stammt der Text aus dem 11.
Jahrhundert, als Venedig noch eine Lokalmacht war, die Medicis noch gar
nicht geboren und die Gene der Rothschilds noch gar nicht aufgewickelt.

MfG, Weiner

"Sie sind berühmt in aller Welt, geschmückt mit zahlreichen guten
Eigenschaften, Beschützer des Gesetzes der heldenhaften Händler, im
Besitz von 32 Niederlassungen, 18 Hafenstädten (pa'ana), 64 Ashrams, alle
verteilt über die vier Himmelsrichtungen. Sie wurden geboren, um durch
viele Länder zu wandern, haben die Erde als ihren Rucksack, den
Betelbeutel als Geheimtasche, den Horizont als ihr Licht, ein scharfes
Schwert als Essbesteck. Sie besuchen die Caras, Colas, Pandyas, Maleyas,
Maghada, die Kosalas (Bihar), Saurashtra und die Kambodschas
(Nordwestindien), Gauda (Begalen), Parasa (Persien) und Nepal auf Wegen,
die zu Land und Wasser in die Regionen der sechs Kontinente eindringen, mit
erstklassigen Elefanten, gut gezüchteten Pferden, wohlgezimmerten
Schiffen, schwer beladen mit Saphiren, Mondsteinen, Perlen, Rubinen,
Diamanten, Lapislazuli, Topaz, Karfunkeln, Korallen, Smaragden, Kardamom,
Gewürznelken, Sandelholz, Kampfer, Moschus, Safran und anderem Pafüm und
Gewürz. Sie verkaufen in Großkontingenten oder lassen die Ware mit
Tragegestellen über der Schulter vertreiben. Sie vermeiden Verlust durch
Steuerabgaben, füllen der Herrscher Schatzkammern mit Gold und Juwelen und
ihre Rüstkammern mit Waffen, von dem Rest beschenken sie täglich Pandits
und Munis (Tempelpriester), haben selbst weiße Schirme als Baldachine
(Symbol des Königs), den mächtigen Ozean als Festungsgraben, den
Götterkönig Indra (blitzeschleudernd) als Leibwächter, Varuna (Gott des
Wasser) als Standartenträger, Kubera (Gott des Reichtums) als ihren
Schatzmeister, die neun Planeten als Gürtel, Sonne und Mond als ihre
Handschuhe, die 33 Götter als ihre Zuschauern - sie, die 500 Herren der
glückverheißenden Ayyavole-Kaufmannsgilde. Die besten unter ihnen, von
unbeflecktem Ruhm, greifen wie der Elefant und töten, stehen fest wie die
Kuh und töten, speien Gift wie die Schlange und töten, springen wie der
Löwe und töten. Sie sind weise wie Brihaspati (ein Gott), erfolgreich in
Auswege ersinnen wie (Vishnu-) Narayana; über den vorbeigegangenen Tod
machen sie Scherze, dem ankommenden Tod treten sie entgegen; den krallenden
Tiger verschrecken sie, Lehm stecken sie in Brand, aus Sand machen sie
Seile, sie fangen den Blitz und zeigen ihn her, Sonne und Mond ziehen sie
auf die Erde herab; sie diskutieren über das dritte Auge und über die
vier Arme Ishvaras (Shiva), über das laute Gelächter Brahmas und über
den Wahn der Bhagavati (eine Göttin). Falls ein Sack durch den Inhalt, den
sie aus den vier Himmelsrichtungen zusammentrugen, platzt - oder wenn ein
mit Getreide beladener Esel davonläuft, oder wenn ein Wagen ausgeraubt,
ein Goldbarren gestohlen oder eine Steuer umgangen wurde, beim Geschrei von
Plünderern, bei einer Rechtsversammlung im Zusammenhang mit Gebräuchen,
wenn ein Handelsvertrag abgeschlossen wurde - in all diesen Fällen, machen
sie keine Fehler, sondern tragen das Haupt des Diebes als Troddel, binden
des Feindes Hand als ein warnendes Zeichen an einen Pfahl; Glücksspiele
erlauben sie nicht, erarbeitet ist all ihr Vermögen. Grüßet also mit
gefalteten und an die Stirn gehobenen Händen die 500 Herren (Svami) der
Ayyavole, die im Besitz aller Ehrentitel sind, öffnet Euren Sack und
bietet ihnen Speisegaben an, oh ihr Händler (setti), stiftet den 500
Herren der Ayyavole eine Trommel in einer Schale - und wünschte ihnen
weiter viel Glück."

(zitiert nach Kulke/Rothermund, Geschichte Indiens, 2018)

~~~~~~~~~~~~~~~+

*) am weitesten auf dem Seewag nach Osten haben sich jene vorgewagt, aus
denen dann später die Polynesier hervorgegangen sind.

Nach S.W. Serjeantson sind die Antigene HLA B13, B18 and B27 häufig unter
Melanesiern, aber fehlen bei Polynesiern. Letztere haben signifikant
häufiger A11 in Verbindung mit Bw48. A11 ist kaukasisch, mit B40
assoziiert wurde es im Industal (Harappa!) gefunden.

The Colonization of the Pacific – A Genetic Trail, edited by Adrian Hill
and S.W. Serjeantson, 1989

**)
https://www.independent.co.uk/news/science/archaeology/dna-sequencing-of-ancient-phoeni...

Interessante Quellen, die nichts am Grundprinzip ändern.
Amerika wurde auch nicht von Columbus entdeckt.
Das müsste man halt alles sinnvoll zusammen führen.
Aber dagegen steht die immer größer werdende Simulationskraft der Zentralmachtsysteme, die uns mit Forschundgergebnissen und Videoproduktionen überhäufen können, dass wir am Ende nicht mehr wissen wo vorne und hinten ist, weil uns die Deutungshoheit entrissen wurde und wir die Simulationskraft hinnehmen "So war es, ich habe es ja im Fernsehen oder auf youtube selbst gesehen oder im Buch oder Blog selbst gelesen".
Schwierig, schwierig...[[zwinker]]

Liebe Grüße
Silke

Suche nach Kontrakten.

Centao @, Donnerstag, 28.03.2019, 09:56 vor 1857 Tagen @ Silke 3114 Views

Liebe Silke,

finden Archeologen dort im Industal Kontrakte, z.B. auf Ziegeln, wäre viel gewonnen.

Die Genossenschaftsthese eines uralten "Handelsreiches" zwischen verschiedenen ZMS wäre ein Artefakt. Doch bei naher Betrachtung vom Beitrag des @Weiner ist hier nur die alte Tatsache "Möge ein Herrscher regieren" konkret in Frage gestellt. Mit der Vielgestaltigkeit von ZMS, gut abbgebildet in Kulturbildern in der Geschichte selbst ist doch zu rechnen!?

Beste Grüße,
CenTao

Es ist aber auch ein eine Frage der Logik...

Silke, Sonntag, 31.03.2019, 17:26 vor 1854 Tagen @ Centao 2887 Views

bearbeitet von Silke, Sonntag, 31.03.2019, 17:38

...wenn doch die Argumente schon alle im Forum wiederholt erarbeitet wurden.

Lieber CenTao,

aber ja, jedes geeignete Phänomen weltweit sollte hier diskutiert werden, um debitistische Mechanismen eventuell zu falsifizieren (was ich mal heftig bezweifle) oder wenigstens um sie danach gemeinsam besser zu verstehen.

finden Archeologen dort im Industal Kontrakte, z.B. auf Ziegeln, wäre
viel gewonnen.

Die werden sie finden.
Die Inka hatten ihre Quipu und brauchten keine Schrift.

Die Genossenschaftsthese eines uralten "Handelsreiches" zwischen
verschiedenen ZMS wäre ein Artefakt.

Es wäre halt sehr widersprüchlich.
1. Die Industal-Zivilisation war schon immer mit den Zentralmachtsystemen in Ägypten, Mesopotamien, Elam und später mit den Phöniziern und Persern, Bahrain, Afganistan uva. in Kontakt.
Ein ZMS pflegt keine Handelskontakte mit einer genossenschaftlich organisierten egalitären Gemeinschaft sondern raubt sie einfach aus, da diese nicht wehrhaft ist (nicht kriegserfahren)oder fordert Tribute bzw. installiert Vasallen, Satrapienregierung oder anderen eigene Interessenvertreter.
Handel können immer nur gleichrangige, gleich starke und gleich bewaffnete Partner miteinander betreiben (die sich dabei gegenseitig ihre Waffen zeigen!).
2. Was soll das Handelsgut und das Gegenhandelsgut gewesen sein?
3. Wozu haben Harappa und Mohenjo Daro Zitadelle, Mauern, Oberstadt?
4. genormte Ziegel, symmetrische und geplante Bauten mit Ab/wassersystemen und verschiedensten Maßsystemen ohne eine Zentralmacht?
4. Wozu die Siegel, die offensichtlich Eigentum besiegeln?
5. Wer soll Handelsunternehmungen über solche Entfernungen vorfinanzieren (Riesenaufwand vor dem Erlös von Handelsgewinnen)?

Doch bei naher Betrachtung vom
Beitrag des @Weiner ist hier nur die alte Tatsache "Möge ein Herrscher
regieren" konkret in Frage gestellt.

Das kann man ja machen, wie man auch immer wieder von "Geld ist ein Tauschmittel" anfangen kann und von "Zins ist eine Verzichtsprämie" oder von "Imperien können auch durch Hochtauschen mächtig werden wie angeblich die Hanse oder die Phönizier" oder von dem "Bösen" im Menschen und der "angeborenen Destruktivität der Spezies Homo".
Dadurch wird es aber... immer noch nicht richtig.

Mit der Vielgestaltigkeit von ZMS, gut
abbgebildet in Kulturbildern in der Geschichte selbst ist doch zu
rechnen!?

Unterschiedliche Phänomenologie - ja!
Auf jeden Fall, von Monarchie bis Demokratie, von Sozialismus bis "Kapital"ismus.

Unterschiedliches Wesen - nein!
Ohne bestimmte Kernmechanismen geht es schlicht nicht.
Egalitäre Stämme leben in:
- costum,
- Konsens und
- Subsistenz in
- segmentären Stammesstrukturen
- ohne Machtkonzentration und dauerhafte und vererbbare Institutionen.
Die brauchen nicht handeln, weil sie alles haben, was sie brauchen.

Zentralmachsysteme müssen
- sich zentristisch organisieren mit einer ohnmächtigen Masse gleichgeschalteter Individuen und als deren Spiegelbild der zwanghaft an ihrer Existenz festhaltenden Institution der Macht, die dann natürlich über die royal merchants machterhaltendes Zeug beschaffen lassen muss,
- Abgaben erheben weil sie davor Ausgaben haben,
- Aufschulden, da sie Ausgaben vor Einnahmen haben und die Abgaben nie reichen,
- einen Machtkreislauf installieren um den Machtapparat finanzieren zu können,
- Machzession betreiben mit Eigentum, Geld, Zins usw (Versprechen, Hoffnungen und Ansprüche).
- immer mehr Redistribution betreiben, da sie immer mehr Potential rauben müssen und
- immer mehr Ressourcen und Nachschuldner aquirieren (Expandieren, Rohstoffe sichern und Produkte, Müll und Schulden entsorgen), so wie thermodynamische Systeme auch ihre Entropie los werden müssen (durch Verwertung immer neuer entropiearmer Strukturen und Export der entstandenen Entropie ins Nirgendwo)

Die angebotene Quelle werde ich mir anschauen.
"Trading in prehistory and protohistory" von A Michailidou (2008)

Liebe Grüße
Silke

Logik vs. Wissenschaft?

Centao @, Mittwoch, 03.04.2019, 11:55 vor 1851 Tagen @ Silke 2558 Views

Liebe Silke,

können nicht auch "scheinbare" Ausnahmen zur Festigung des debitistischen Weltbildes dienen? Inwiefern sich die Industal-Ziv-Entwicklung genauer einordnet, obliegt eben mal noch dem Erkenntnisprozess, zu mindestens bei mir.

So einfach kommst Du mir aber nicht davon, auch wenn die Logik der Entstehung des Handels aus unserer heutigen Sicht klar und zwingend für mindestens begleitende ZM-Strukturen für royal merchants / privateers spricht..<img src=" />

Dazu gehört aber auch eben für eine ordentliche Gegenthese im Mindesten das Lesen der vom @Weiner angegeben Originalquellen, wobei dies natürlich subjektivierte Quellen sind. Dazu dann demnächst mehr.

Indien ist aber eben auch in vielerlei Hinsicht so völlig anders.. ich war dort und lassen wir uns überraschen was da noch kommt.

In diesem Sinne,
viele Grüße,
CenTao

Ich habe mir mal die ganzen Argumente im EWF und DGF zum Handel angeschaut

Silke, Mittwoch, 03.04.2019, 19:33 vor 1850 Tagen @ Centao 3006 Views

bearbeitet von Silke, Mittwoch, 03.04.2019, 20:10

weil ich solche Fragen zumindest für mich so beantwortet haben will, dass ich dann guten Gewissens nörgeln kann.[[zwinker]]

Lieber CenTao,

können nicht auch "scheinbare" Ausnahmen zur Festigung des debitistischen
Weltbildes dienen?

Unbedingt.
Das schrieb ich aber auch...

Inwiefern sich die Industal-Ziv-Entwicklung genauer
einordnet, obliegt eben mal noch dem Erkenntnisprozess, zu mindestens bei
mir.

Zumindest sind ja alle hier wohl einer Meinung, dass aus relativ friedlichen und gewaltärmeren Strukturen (Gemeinschaften) irgendwann relativ kriegerische gewalttätige Strukturen (Gesellschaften) werden...werden müssen, wenn sie unter den schwankenden Umweltbedingungen nicht aussterben wollen wie all jene, die eben diesen Schritt nicht gegangen sind.

So einfach kommst Du mir aber nicht davon, auch wenn die Logik der
Entstehung des Handels aus unserer heutigen Sicht klar und zwingend für
mindestens begleitende ZM-Strukturen für royal merchants / privateers
spricht..<img src=" />

Das sind sämtlich die von @dottore und Co. vorgetragenen Argumente, die ich bloss aus meiner tiefen Überzeugung heraus verteidige gegen die weltfremden Darstellungen der Elfenbeinturmbewohner.
"Die Details entscheiden und nicht irgendwelche schlank dahingeworfenen"Handelgibt'sheute - alsohatesihnschonIMMERgegeben"-Thesen"
@dottore
Das dazu zusätzlich gelesene Material kann man intepretieren indem man zwei Arbeitshypothesen formuliert:
1. Handel ist ein primär privates Phänomen, dass von der ZM gekapert wurde, oder
2. Handel ist ein ZM-Phänomen, dass sich die Privaten zu Nutzen machen (Machtzession) um davon zu profitieren.

Zu 1.
- Wozu und was sollten die Partner handeln?
- Wie sollten sie dabei Wertverhältnisse definieren?
- Wie sollten sie einen reibungslosen Ablauf sicher stellen?
- Wie sollten sie ihre Handelsaktivitäten finanzieren?

Die im Forum angebotenen Argumente sind nach meinem Empfinden erschöpfend.
Stämme (in segmentären Gemeinschaften) mit ihren Unterstämmen funktionieren deshalb, weil sie alles haben, bzw. sich alles verschaffen können, was sie brauchen, ohne sich gegenseitig zu massakrieren - Essen, Trinken, Schutz/ Wohnen, Wärme, Werkzeuge, Waffen, Nachkommen usw..
Beim Erreichen der Dunbar-Zahl erfolgt eine Abspaltung eines Segmentes, eines Unterstammes mit den gleichen Strukturen, Verhaltensweisen, Wertvorstellungen, Ahnenreihen und Gewohnheiten des Hauptstamm, der neues Territorium sucht, aber mit dem Hauptstamm in loser Verbindung bleibt. Das haben U.Wesel und Ch.Sigrist, Evans-Pritchard, Fortes, Durkheim uva. lang und breit beschrieben.
Ein Stamm besteht aus mehreren primären Segmenten, die wiederum aus sekundären und tertiären Segmenten bestehen, welche miteinander mehr oder weniger stark kooperieren und konkurrieren unter Einhaltung bestimmter Tabus (Inzest, vorsätzliche Schädigung anderer Stammesmitglieder) und Gebote (Exogamie, Reziprozität), Gewohnheiten (Wiedergutmachungspflicht) und Verboten (Machtverklumpung wird aktiv bekämpft) usw. usf..
Also was soll man untereinander handeln?
Lebensmittel?
Die verschafft sich jeder selbst auf die gleiche Art, Jagen, Sammeln, Fischen, Ackerbau, Fischen, Viehzucht usw.
Werkzeuge?
Jeder Unterstamm stellt seine eigenen Werkzeuge her weltweit auf die verschiedenste Art.
Waffen oder Waffenmaterial?
Das nun ganz bestimmt nicht privat?
Schmuck und Luxus?
Wozu? Kunst stellt jeder selbst her.
Technologie/Informationen?
Die wird unter den Stämmen weiter gereicht und ausgetauscht durch Heirat/Paarbeziehungen, friedenserhaltende Gewohnheiten und generell hohe Fluktuation der Mitglieder (häufigstes und geeignetes Mittel zur dauerhaften Streitschlichtung in den Unterstämmen).
Am Beispiel der Nuer wurde beschrieben, dass in den Stämmen die Menschen gleichzeitig in
-Ahnenreihen (Lineages)
-Dorfgemeinschaften (regional)
-Altersbünden alt<->jung (Gada)
-anderen Interessenverbänden
organisiert waren/sind und sich untereinander fleissig austauschten und in den verschiedensten Interessenkonflikten standen (Möglichkeit von Rache/Fehde für Fehlleistungen so wie bei den sogenannten Schimpansenkriegen eben auch oder für Hexerei), dass keine Machtzentralisation und -Institutionalisierung möglich war.
Da konnte sich keine ohnmächtige Masse bilden, die den Lügen, geweckten Hoffnungen und gemachten Versprechen eines Charismatiker's erliegen konnte weil Funktionsautoritäten immer nur zeitlich begrenzt akzeptiert wurden, nicht per Wahl sondern per Duldung der Führungsübernahme, bis die Aufgabe erledigt war.
Werte von Handelsgütern sind immer Machtderivate, weil das etwas mit dem "haben müssen" zu tun hat, mit den "Terminen, zu denen sie erscheinen müssen", die durch eine Macht gesetzt werden.
Verhältnisse dieser Werte sind immer Ausdruck der Stärke der beteiligten Mächte - der Stärkste diktiert.
Wo sollen die Handelsplätze der privaten Händler gewesen sein und die Überbleibsel ihrer ganzen Logistik (Warenhäuser, Transport, Silos usw,)
Ein reibungsloser Handel bedarf einer höheren Instanz, die angerufen werden kann zur Schlichtung, die die Regeln vorgibt und Regelbrüche sanktioniert.
Letztlich muss ein Handelsprozess unbedingt vorfinanziert werden (Lohn gibt es es erst bei Handelsabschluss, nicht aber bei Erstellen der Handelsgüter, Transport und Vorbereitung des Handels - Zeit verrinnt, in der Urschuld bedient werden muss). Wenn du mit einem Schiff voll Waren über Wochen unterwegs bist kannst du in dieser Zeit deinen Grundbedarf nicht decken (die Subsistenz) und musst dich gegen Räuber, Hindernisse und Katastrophen verteidigen. Wo soll der Profit herkommen um die Riesenlöcher, die diese Vorfinanzierung reisst, zu stopfen?

Zu 2.
- Erst kommen die Söldner und Pfaffen, dann die Händler und Unternehmer
- Erst werden Tribute erhoben, dann wird gehandelt.
- Frieden ist ruhender Krieg und Handel Machtzession der tributierenden Macht
- Gehandelt wird erst, was Herrscher brauchen (Status- und Machtzeug).
- Dann wird alles gehandelt was unter herrschaftlichen Schutz und unter herrschaftliche Kontrolle einschliesslich Abgabe gestellt werden kann.

Das passt alles viel besser auf Handelsaktivitäten.
Händler/ Agenten ziehen unter dem Schutz des Herrschers und beschaffen, was "des Herrschers Herz erfreut" um daran zu profitieren.
Handel ist ein sehr ineffektives Geschäft im Vergleich zu Raub und Tributierung wenn nicht...
...der Gegenüber genau so bewaffnet und stark ist wie ich, so dass ein Raubversuch mich wahrscheinlich teurer zu stehen kommt als ein Handelsangebot, bei dem die Waffen nur gezeigt, aber nicht benutzt werden.
Möglich wird ja Handel immer erst, wenn davon die Machtstrukturen profitieren (Abgaben, Gebühren, Beschaffen von Luxus- und Machtzeug wie Lapislazuli, Jade, Edelmetalle, Seide, Gewürze wecken von Bedürfnissen, die vorher nicht existierten, nun aber kostspielig befriedigt werden können) und dafür im Gegenzug die Infrastruktur und den Schutz bereit stellt, ausbauen und beschützen (Strassen, Handelsstädte, Zollgrenzen usw.).

Dazu gehört aber auch eben für eine ordentliche Gegenthese im Mindesten
das Lesen der vom @Weiner angegeben Originalquellen, wobei dies natürlich
subjektivierte Quellen sind. Dazu dann demnächst mehr.

Also die Obsidianhandel-Story (in Europa und Südamerika) ist ja z.B. Fake-News vom Feinsten, die allein an ihrer inneren Logik zusammen bricht und eine typische Spin-Doktorei von ZMS-verseuchten "Wissenschaftlern" darstellt.
Die hat der @dottore mit seinen Quellen damals schon widerlegt.
Für die ZM-These hat er viele Beispiele angeführt.
Für primär privaten Handel gibt es keine guten Beispiele.

Problematisch ist, wie bei der ganzen Machttheorie vs, Tauschparadigma, dass die Systemwissenschaften sich mit immer neuen und stärkeren Falsifikationsversuchen und mächtigeren Simulationen durchsetzen werden (siehe "Verbotene Archäologie" und "Archäologie und Macht") und kritische Leute wie der @dottore und Mitstreiter einfach aussterben oder aufgekauft werden.

Indien ist aber eben auch in vielerlei Hinsicht so völlig anders.. ich
war dort und lassen wir uns überraschen was da noch kommt.

Erst waren mehr oder weniger friedliche und gewaltarme Stämme unterwegs die im Zuge der schwerwiegenden Umweltveränderungen entweder ausstarben, kriegerisch wurden oder von anderen kriegerischen Gesellschaften übernommen wurden.

Kooperative Elemente haben sich überall so lange gehalten, bis sie sich nicht mehr halten konnten.

Wenn man sich mal in die Gedanken von R.Dawkins, D.Dennett und Co. vertieft sind wir sowieso nur "Apes with infekted brains" weil wir Menschen ja sowieso nur die Container für die immer komplexer und widerstandsfähiger werdenden Informationsstrukturen (Gene, Meme, Kulturen, Felder) darstellen.
Wir haben jetzt noch eine gewisse Zeit des Nebeneinander von biologischen und digitalen Strukturen/Personen, bis die biologischen dann nach und nach verschwinden wie die hikikomori in Japan heute schon.

Wenn man sich dem Phänomen "Handel" aus thermodynamischer Sicht nähert geht es um Negentropieverschaffung und die Anergiesenke des @Kurt weil unsere Schulden, Produkte, Müll irgendwohin entsorgt werden müssen, damit wir bei unserer ganzen Entropieproduktion (die entsteht nun einmal bei der Komplexitätszunahme, die wir betreiben - die wir als Lebewesen betreiben müssen) nicht daran ersticken.
Nachschuldner müssen her um jeden Preis.
Am besten solche, die daran fallieren weil nur ausgebuchte Schulden gute Schulden sind.

Schulden verschwinden in den endlosen Ver- und Entschuldungsketten ja nicht durch Konsum, wie hier immer wieder behauptet wird (dadurch werden sie nur erfolgreich weiter gereicht) sondern durch Fallieren von Nachschuldnern, nachdem sich die Altschuldner durch Nachschuldnerstellen erfolgreich entschulden konnten und die Nachschuldner ihrerseits keine Nachschuldner mehr akquirieren können.

Einfaches Beispiel:
Meine Urschuld "Hunger" wird nur dadurch bedient, dass ich einen Nachschuldner zum Fallieren zwinge - ein anderes Lebewesen töte (Hasen schiessen, Fisch fangen, Schwein schlachten, Weizen abmähen, Kartoffeln ausbuddeln, Nüsse pflücken usw.).
Dumm gelaufen für die Nachschuldner (Hase, Fisch, Schwein, Weizen, Kartoffelpflanzen, Nussbaumpopulation) die sich mit den von mir entnommenen Elementen nicht mehr vermehren können, deren Informationsgehalt für die Spezies verloren geht.

Nicht nur Bargeld (auf Metall und Papierträger beurkundete Geldeinheiten) wird den digital beurkundeten GE weichen, auch Informationseinheiten auf biologischer Grundlage (biologische Menschen) werden den viel resistenteren nicht biologisch definierten Informationseinheiten weichen (Meme brauchen vielleicht irgendwann keine Menschen im herkömmlichen Sinne mehr, wie die sumerischen Tontafeln oder komplexe moderne Computerprogramme zeigen).
„Evolution is cleverer than you are“
Orgel's second rule

Liebe Grüße
Silke

Handel ohne Waffen - Caral in Peru

Oblomow, Montag, 11.11.2019, 07:50 vor 1629 Tagen @ Silke 1865 Views

bearbeitet von Oblomow, Montag, 11.11.2019, 08:09

"Zumindest sind ja alle hier wohl einer Meinung, dass aus relativ friedlichen und gewaltärmeren Strukturen (Gemeinschaften) irgendwann relativ kriegerische gewalttätige Strukturen (Gesellschaften) werden...werden müssen, wenn sie unter den schwankenden Umweltbedingungen nicht aussterben wollen wie all jene, die eben diesen Schritt nicht gegangen sind."

Durch Zufall ne tolle Reise-Reportage gesehen. 4600 vor Christus erste große Stadt. Eine komplexe Gesellschaft mit Großbauten (Pyramiden) und was hat man nicht gefunden? Waffen!!! Alles fußte auf Handel. Hierachien gab es auch. Vielleicht haste ja Zeit, Dich damit zu beschaeftigen. Gibt noch wenig darueber, ne englische BBC Doku: https://youtu.be/ymW9yIyNNAo.

Herzlich
Oblomow

"Florierender Binnen- und Außenhandel führen naturgemäß zu einer Überflussgesellschaft"

Silke, Montag, 11.11.2019, 10:43 vor 1629 Tagen @ Oblomow 1809 Views

bearbeitet von Silke, Montag, 11.11.2019, 11:09

Ruth Shady

Lieber Oblomow,

Durch Zufall

wohl kaum...

ne tolle Reise-Reportage gesehen. 4600 vor Christus erste
große Stadt. Eine komplexe Gesellschaft mit Großbauten (Pyramiden) und
was hat man nicht gefunden? Waffen!!! Alles fußte auf Handel. Hierachien
gab es auch. Vielleicht haste ja Zeit, Dich damit zu beschaeftigen.

Nicht "vielleicht". Ich schaue mir alles an, was mir Leute ernsthaft anbieten.
Und die "friedlicher Handel und Wandel vs. Macht- und Abgabesysteme" -Diskussion bleibt für mich zentral.
Wenn die 2005 gefundenen "Ur-Quipu" wirklich das sind, was sie sein könnten, haben wir zumindest etwas, das ohne Einsatz von Waffen schlecht ausgekommen sein dürfte.
https://science.sciencemag.org/content/309/5737/1008

Gibt
noch wenig darueber, ne englische BBC Doku: https://youtu.be/ymW9yIyNNAo.

Der Link funktioniert nicht, aber,
"Einstweilen würde ich diesen Caral-Hype (love not war!) mit distanzierter Vorsicht genießen."

Ich werde mal nach Neuigkeiten suchen.
Vielen Dank für die Anregung.[[herz]]

Die Kulturen Südamerikas:
Nach Michael Zink .
Die rätselhaften Vorfahren der Inkas .
( 2011. ISBN: 978-3-534-23242-0 )

Archaikum ( ca. 4500. bis ca. 1800. v.Chr. )
Ecuador : Las Vegas Kultur , Valdivia ,Machalila Kultur .
Nordperu : El Brujo , Senchin Bajo , Caral , Kothosh , Ventaron .
Südperu : Paloma , Pernil Alto .

Formativum : ( ca. 1800. bis ca. 200. v.Chr. )
Nordperu : Kutun Wasi, Caballo Muerte , Sechin Bajo , Chavin de Huantar , Cerro Sechin , Sechin Alto , Las Haidas .
Südperu : Paracas .

Frühe Zwischenperiode : ( Ca.200. v.Chr. Bis ca. 600/800. n.Chr. ) .
Nordperu : Sipan , Huacas de la Luna , Panamarca .
Südperu : Palpa/ Nazca , Cahuachi .

Mittlerer Horizont : ( ca. 600. bis 900. )
Peru : Huari-Kultut , Huari , Cajamarquilla , Pikillacta ..
Südperu und Bolivien : Tiwanacu .

Späte Zwischenperiode : ( ca. 900. bis 1438.) .
Peru : Chachapoya , Kuelap . Chimu Kultur ; Sican , Chan Chan . Chancay-Kultur ; Ancon .Chanca-Kultur ; Ica-Kultur .

Später Horizont : ( 1438. bis 1534. ) Einflussbereiche der Inka -Kultur .

Liebe Grüße
Silke

PS. Schön, dass du die "deutschen Gedichte und kleinen deutschen Texte" immer weiter pflegst.
Das ist eine echte Bereicherung.[[top]]

Danke Dir arg (m.L.) & Technische Frage & @Ellis Zitate zur Nacht

Oblomow, Montag, 11.11.2019, 15:38 vor 1629 Tagen @ Silke 1765 Views

Hallo @Silke!

Ich habe nur diese Reportage gesehen: https://www.youtube.com/watch?v=ymW9yIyNNAo. Ich hätte natürlich mich auf den Weg ins Archiv machen müssen und Caral eingeben sollen. Wenn man Caral hier oben im Suchfeld eingibt, kommt da so gut wie nichts, außer natürlich Dein Beitrag, der dann auch wieder ins alte Forum führt und einen überreich beschenkt.

Jetzt stellt sich die Frage, warum gibt es da keine Verbindung zwischen den Datenbanken des alten Forums und des neuen Forums? Apropos altes Forum: Hier eine wunderbare Liste mit von @Elli gesammelten geistreichen Zitaten: http://www.dasgelbeforum.net/30434/zitate0.htm

Arg [[herz]] lich
Oblomow

Ähem. In USA findest du auch keine Waffen (zumindest keine Kriegswaffen).

Mephistopheles, Montag, 11.11.2019, 11:08 vor 1629 Tagen @ Oblomow 1805 Views

Die befinden sich alle auf den Militärbasen weltweit.
In Rom selber fandest du innerhalb des Pomeriums auch keine Waffen. In der Stadt und Italien galt nämlich ein Waffenverbot. Augustus hat das dann umgangen mit seiner Prätorianergarde, die nur wenige Meilen von Rom entfernt stationiert war. Aber die war nur zum Schutz des Kaisers gedacht.

Gruß Mephistopheles

(Zentral-) Macht ist nicht der Anfang sondern das Ende ...

Weiner, Donnerstag, 28.03.2019, 11:30 vor 1857 Tagen @ Silke 3218 Views

... von evolutionären bzw. geschichtlichen Entwicklungen.

Ich danke Dir, liebe Silke, für Deine ausführliche Antwort! Irgendwo habe ich ein Textbruchstück abgespeichert, mit dem ich Deinen vorletzten an mich gerichteten Beitrag zum eigentlich gleichen Thema beantworten wollte, beginnend mit irreversiblen thermodynamischen Prozessen und dissipativen Strukturen ... aber irgendwie klappt das halt zeitlich nicht mit der angemessenen Ausführlichkeit. Und passt vielleicht auch nicht ins Forum. Und dann sage ich mir: lieber nichts als etwas Bruchstückhaftes, auch wenn es unhöflich erscheint ...

So will ich diesmal wenigstens ein paar jener Punkte ansprechen, die Du aufgeworfen hast - alle schaffe ich nicht.

Der @dottore hat lang und breit erklärt, dass immer Machtsysteme vor
Handelssystemen kommen müssen

Tun sie nicht. Die Altwege, wie etwa die Feuersteinstrassen (siehe Wiki), waren nicht von Zentralmächten organisiert, nichteinmal abschnittsweise. Aber sogar in historischer und quellengestützter Zeit ist das immer anders belegt, Handel geht voraus und wird erst dann von der Zentralmacht in ihren Dienst genommen, wenn letztere sich (endlich) einmal konstituiert hat.

Dazu ein erstes Beispiel: Die im Dorf namens ROM zusammenlebenden Großfamilien (gentes) bzw. ihre (Jung-) Männer gingen sehr gern auf Raubzüge. Und was sie dabei stahlen, behielten sie ein jeder für sich. Erst spät in der Geschichte dieser Raubzüge, als man spezielle Kriegstechniken anwendete (Formationen, Zusammenspiel verschiedener Waffengattungen etc.), die einen Koordinator und Anführer benötigten, wurde nach einem Sieg entsprechend auch über eine neue Verteilung der Beute nachgedacht. Es wurde dann immer noch derart gelöst, dass eine Familie bzw. deren 'Hausvater' zwar 'gemeinschaftlich' erbeutete Sklaven bekam, jedoch konnte er mit diesen Sklaven nicht machen, was er wollte. Sondern sie standen gewissermaßen unter der Beobachtung der Gemeinschaft (wie die Allmende), und man konnte ihm ggfs. die Beute wieder entziehen. Und erst viele Generationen später rang man sich zu der Erkenntnis durch (und konnte es sich materiell leisten), dass ja die (eigentlich fiktive!) Gemeinschaft selbst Eigentum an einem Sklaven halten konnte: man hat diese Sklaven dann als Helfer bei Kulthandlungen oder (zeitlich noch später) in der Verwaltung eingesetzt. Ab diesem Zeitunkt erst waren sie Sklaven in Staatsbesitz. Und ab da gab es dann den römischen (Zentral-) Machtstaat, aber auch nur, in jener Zeit, in sehr embryonaler Gestalt.

Ganz ähnlich war es auch mit dem Handel. Der war Angelegenheit der (Groß-) Familie, sowohl nach außen, wie auch innerhalb des Dorfes. Viele der späteren Adelsfamilien sind an ihren Ursprüngen nur aus Italien deshalb nach Rom umgezogen, weil sie im Schutz dieser sehr speziellen 'römischen' Dorfgemeinschaft (die anfangs gar keinen guten Ruf hatte ...) etwas freier und flexibler ihren Handwerken und Handelsgeschäften nachgehen konnten - und weil eben dort die Grauzonen zum gemeinschaftlichen, kooperativen Raub sehr ausgedehnt waren ...

Und wie kamen die Könige nach Rom. Bitte nachlesen: es waren Fremde, die berufen wurden. Und die Durchsetzung des ersten Machtanspruches erforderte dennoch ein Sakrileg: egalitär kooperative Gemeinschaften tun sich sehr schwer, zuhause (!) und aus sich heraus einen König zu installieren (und es hielt in Rom ja auch nicht lange ...). Auf Wanderschaft, auf Kriegszug oder in Notzeiten ist es einfacher. Dennn die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass bei internen Konflikten eine Spaltung entsteht - was auch wieder niemand will. Wie selbst der schon sehr starke Heerführer dem 'alten Recht' nachgeben und sich Tricks einfallen lassen muss, um seine 'Macht' immer wieder darzustellen, schildert sehr anschaulich die berühmte Geschichte vom "Kelch von Soissons":

https://www.welt.de/print/wams/kultur/article13737547/Oh-Gott-lass-mein-Land-Grossmacht...

Ganz anderes Beispiel: Der UrUrUrgroßvater von Mohammed Prophetus (Allah sei ihm gnädig!) war ein Clan-Chef unter vielen absolut autonomen Clan-Chefs im Raum Mekka. Die Clans und Stämme, wenn sie auf Handels(!!!)-Reise waren, um Ziegen gegen Kamele zu tauschen, waren außerhalb von Mekka in Feindesland (dem Territorium anderer Stämme). Jeder andere Clan (oder eine Clan-Koalition) konnte sie überfallen, so wie auch sie jeden überfielen, der an Mekka vorbeizog und nicht wehrhaft genug war. Besagter Urahn von Mohammed (Allah sei ihm gnädig!) kam auf folgende Idee und konnte seine Nachbar-Clan-Chefs nach langen Diskussionen davon überzeugen: dass man ein Mal im Jahr für eine bestimmte Zeit einen Frieden ausrief und gemeinsam garantierte (kooperative Handlung der Clan-Chefs!), während dem alle fremden Stämme im Raum Mekka sich treffen können sollten - für einen freien Handelsaustausch und freie Kommunikation. Jeder sollte seinen eigenen Gott mitbringen dürfen, ohne dass man sich gegenseitig heruntermachte und beleidigte: was hast Du für einen mickrigen Gott! Der bringt Dir ja gar keinen Segen (Baraka). Diese Auszeit-Idee hat dann sehr gut funktioniert und den Handel sehr belebt, hat alle zufrieden und die Mekkaner reich gemacht - auch wenn die Gäste sich oft in der Nacht heimlich davonschleichen mussten, denn außerhalb des Bannkreises und 'Götterfriedens' waren sie wieder 'vogelfrei'. Fazit: Hier geht Handel ganz gewiss der Zentralmacht voraus.

Jetzt kommen wir aber zum UrUrUr-Enkel (Allah sei ihm gnädig!): der hatte einen Vorschlag, der gegenüber der Rechtskonvention seines Großvaters genauso abwegig war, wie der einstige Vorschlag des Großvates gemessen am uralten Recht: Mohammed wollte die Vielgötterei abschaffen. Sagte er wenigstens. Zu dem Zeitpunkt war er arm und vielleicht krank, und man verachtete ihn. Weil er sich dem Mainstream widersetzte, war er ihn Gefahr und musste letztlich fliehen. Es hat ihm das Leben gerettet, dass er von einer egalitären und kooperativen Gruppe aus Medina unterstützt wurde. Ähnlich wie ein anderer Führer hat er sich besonders aufgrund seines 'Redetalentes' zum Alpha aufschwingen können (wie der andere hatte auch er nur in wenigen Augenblicken seines Lebens aktiv eine Waffe in der Hand, protzig rumhängen hatte er sie dagegen, wie auch der andere, häufiger ...). Und Mohammed - Allah sei ihm gnädig! - stellte zugleich eine weitere Forderung, die tausend Mal wichtiger war als die Abschaffung der Vielgötterei: Bedingung einer Beteiligung im neuen Gruppenverband war, dass innerhalb seiner Räuberbande nicht mehr Blut- und Verwandtschaftsrecht sollte, sondern alles gehörte allen gemeinsam und wurde nach Verdienst und ggfs. nach dem Spruch des Anführers verteilt. Wenn der Raubzug oder die Schlacht gewonnen wurde ...

https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeindeordnung_von_Medina

Wie ist die Spaltung zwischen (späteren) Sunniten und Schiiten entstanden? Aus Streit über das persönliche Erbe von Mohammed. Die Gruppe wollte, dass es unter allen verteilt würde. Fatima, die Tochter, beanspruchte es (nach der alten Regel) für sich. Das Kuriose am Ausgang ist, dass in der Folge der Streitigkeiten die alten Adelsfamilien aus Mekka die Macht an sich reissen konnten, eben die UrUrEnkel jener, die Mohammed einst die Kehle durchschneiden wollten.

Macht ist etwas sehr, sehr Kompliziertes. Ich verweise nochmals auf den Film über die Kriegeraffen, der eigentlich Film über viele grüne Blätter heißen sollte - der aber dennoch sehr schön zeigt, dass bereits im Tierreich die rohe Gewalt nicht ausreicht. Es gibt in Wirklichkeit keine Alpha-Männchen sondern nur kooperative Alpha-Konfigurationen mit einem Anführer (der ständig in Gefahr schwebt). Weil Macht so kompliziert ist, ist sie auch immer so fragil (und dadurch das größte Unruhemoment in der Geschichte). Weil sie so fragil ist, sucht sie stets nach neuen Instrumenten, sich selbst zu erhalten - und greift deshalb auf das gesamte Inventar der dem Menschen zur Verfgügung stehenden Möglichkeiten zurück. Aber die Macht erschafft diese Instrumente keineswegs. Technik, Geld, Handel, Kunst, Religion etc. etc. sind alle auch ohne Macht vorhanden. Sie werden durch die Macht nur perfektioniert (und in Dienst genommen). Die Macht selbst ist überhaupt nicht schöpferisch, ganz im Gegenteil - fast möchte ich sagen, die rohe Macht, wenn sie entkleidet ist und ohne ihre Diener dasteht, ist primitiv und dumm. In gewisser Weise sogar lächerlich. Man sieht das am besten am Ende von Diktaturen. Da darf dann, meist nur für einen Moment, das so genannte 'Volk' triumphieren - wo es doch eigentlich über seine vorherige Dummheit sich schämen sollte.

Noch ein paar Worte zur Vorfinanzierung. In der Natur gibt es sie nicht. Die Natur lebt aus dem Überschuß und Überfluss (muss natürlich erarbeitet werden, siehe Thermodynamik!). Im existentiellen Fall ist es eben das 'Vermögen', das eine Generation der nächsten mit auf die Reise gibt. Die Schildkröte bildet in sich und legt in den Sand ihre Eier. Rest geht von alleine. Moralisten mögen das dann Ur-Schuld nennen. Es ist aber keine Schuld sondern die Freiheit, Größe und die Kunst des Lebens. Der Same enthält einen Keimling und ein Fresspaket, das die Eltern zusammengestellt haben, manchmal kommt noch eine Fütterung und 'Lehre' hinzu. Der Keimling wächst dann zu einem riesigen Tier oder Baum aus, und nehmen wir als Beispiel die Eiche, so produziert sie im Laufe ihres vielhundertjährigen Lebens zig Tonnen an neuen Eicheln. Soll man das Ur-Schuld oder Vor-Finanzierung nennen? Derartige Begriffe nenne ich krämerisch!

Genauso ist es im Menschlichen und Geschichtlichen. Wenn das Wikinger-Dorf mal ein paar gute Jahrzehnte hatte, dann sind viele Töchter und Söhne großgewachsen und stecken voller Tatendrang. Dann gehen die Söhne halt auf Fahrt in die Rus und rauben andere Dörfer aus und verkaufen die Gefangenen als Sklaven an den Kaiser von Byzanz. Und weil sie unterwegs einen guten und starken Eindruck auf die Slawen an der Wolga machen (die ja bekanntlich immer unter sich zerstritten sind), laden die Slawen an der Wolga die Wikinger ein, über sie zu herrschen - gegen Kost und Verpflegung ... Und jetzt kommt nach 1000 Jahren ein Analytiker daher und behauptet: ein Dorf in Südschweden hat den Handel nach Byzanz und die Entstehung des Russischen Staates vorfinanziert. Ich krieg mich nicht mehr! Ja, der Bär finanziert mit Bauchspeck seinen Winterschlaf vor. Frag den Bären!

Falls jemand Fachliteratur braucht: etwa von Walter Eder "Servitius Publica - Untersuchungen zur Entstehung, Entwicklung und Funktion der öffentlichen Sklaverei in Rom" (Wiesbaden 1980). Gemeint sind hier mit 'öffentlich' die Sklaven des Staates [der als eigene Körperschaft aufgefasst wird]. Der Reiz des Buches liegt darin, dass es unbeabsichtigt und nebenbei aufzeigt, wann und wie sich Rom, ein Haufendorf mit ein paar Dutzend tüchtigen Familien, als Staat begriffen und verstanden hat. Das war ein langer (geistig-kultureller!!) Entwicklungsprozess ...

Zum frühen Handel ist online verfügbar https://helios-eie.ekt.gr/EIE/bitstream/10442/.../A01.053.0.01.pdf

"Trading in prehistory and protohistory" von A Michailidou (2008)

Hauptproblem ist die Definition des Handels. Neandertaler hatten ihr (ggfs. bewegliches) Revier mit 50 km Durchmesser. Sie haben nicht gehandelt. Homo sapiens von Anfang an.

Die entscheidende Frage ist: warum fügt sich in der zuvor egalitären Gruppe die Mehrheit dem "Mächtigen" - ein Akt, durch den die Mehrheit erst "den Mächtigen" konstituiert. Bei der Antwort kommen wir in den Bereich der Thermodynamik, deshalb breche ich hier lieber ab. Der Mächtige ist niemals alleine mächtig. Macht ist eine gruppendynamische Angelegenheit, eine letztlich harmonische Konfiguration. Ist sie gefunden, ist die Gruppe als ganzes sehr viel 'effizienter', auch wenn der Einzelne in ihr leiden mag. Und ganz eindrücklich zeigt sich derartige Effizienz im Ausrauben, Ausbeuten und Unterdrücken. Es stehen der Gruppe (die nun ein neuer Organismus ist) dann alle Türen offen. Bis eine stärkere Gruppe kommt. Oder bis sie, den Gesetzen und Zyklen der Zeit entsprechend, innerlich zerfällt.

Ich muss mich leider aus der Diskussion verabschieden. Ich hoffe, die Banalitäten, die ich erzählt habe, waren wenigstens kurzweilig!

Liebe Grüße, Weiner

Das habe ich inhaltlich sofort verstanden .....

NST @, Südthailand, Donnerstag, 28.03.2019, 12:30 vor 1857 Tagen @ Weiner 3056 Views

Noch ein paar Worte zur Vorfinanzierung. In der Natur gibt es sie nicht.

Die Natur lebt aus dem Überschuß und Überfluss (muss natürlich
erarbeitet werden, siehe Thermodynamik!). Im existentiellen Fall ist es
eben das 'Vermögen', das eine Generation der nächsten mit auf die Reise
gibt.

Soll man das Ur-Schuld oder Vor-Finanzierung nennen? Derartige Begriffe nenne
ich krämerisch!

Ich krieg mich nicht mehr!
Ja, der Bärfinanziert mit Bauchspeck seinen Winterschlaf vor. Frag den Bären!

und die Zitate sind für mich die Essenz daraus. Punkt 1 und 2 sind reale Begebenheiten, die ich täglich erleben kann. War mal wieder ein genialer Beitrag. [[top]]
Gruss

--
[image]
Jeder arbeitet im Ausmass seines Verstehens für sich selbst und im Ausmass seines Nicht-Verstehens für jene, die mehr verstehen!

Die armen Alphas

Oblomow, Donnerstag, 28.03.2019, 15:19 vor 1857 Tagen @ Weiner 3104 Views

"Macht ist etwas sehr, sehr Kompliziertes. Ich verweise nochmals auf den Film über die Kriegeraffen, der eigentlich Film über viele grüne Blätter heißen sollte - der aber dennoch sehr schön zeigt, dass bereits im Tierreich die rohe Gewalt nicht ausreicht. Es gibt in Wirklichkeit keine Alpha-Männchen sondern nur kooperative Alpha-Konfigurationen mit einem Anführer (der ständig in Gefahr schwebt). Weil Macht so kompliziert ist, ist sie auch immer so fragil (und dadurch das größte Unruhemoment in der Geschichte). Weil sie so fragil ist, sucht sie stets nach neuen Instrumenten, sich selbst zu erhalten - und greift deshalb auf das gesamte Inventar der dem Menschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zurück. Aber die Macht erschafft diese Instrumente keineswegs. Technik, Geld, Handel, Kunst, Religion etc. etc. sind alle auch ohne Macht vorhanden. Sie werden durch die Macht nur perfektioniert (und in Dienst genommen). Die Macht selbst ist überhaupt nicht schöpferisch, ganz im Gegenteil - fast möchte ich sagen, die rohe Macht, wenn sie entkleidet ist und ohne ihre Diener dasteht, ist primitiv und dumm. In gewisser Weise sogar lächerlich. Man sieht das am besten am Ende von Diktaturen. Da darf dann, meist nur für einen Moment, das so genannte 'Volk' triumphieren - wo es doch eigentlich über seine vorherige Dummheit sich schämen sollte."

Danke für diesen wunderbaren Text. Was ich verstehe, das ist denkwürdig, was ich nicht verstehe, da muss ich wohl noch etwas selbst denken. So ging mir das früher häufiger im Forum.

Man bekommt fast Mitleid mit der Macht, so etwa wie bei Star Wars. Der arme Kerl, dieser Imperator. [[euklid]]

Herzlich
Oblomow

Schau noch einmal in die Sammlung

Silke, Samstag, 30.03.2019, 19:49 vor 1854 Tagen @ Weiner 2929 Views

bearbeitet von Silke, Samstag, 30.03.2019, 19:56

Lieber Weiner,

Handel in der Steinzeit dazu Renfrew
http://www.dasgelbeforum.net/sammlung/htm/331184.htm
Bitte aber den ganzen Faden lesen.

Tun sie nicht. Die Altwege, wie etwa die Feuersteinstrassen (siehe Wiki),
waren nicht von Zentralmächten organisiert, nichteinmal abschnittsweise.

Sie waren ja auch keine "Handels"strassen.
Obsidian ist gewandert, ganz klar, es wurde aber nicht gehandelt sondern nur mitgenommen und weiter gereicht.
"Eine irgendwie geartete Kombination aus Bergmann, Silexverarbeiter und ‘Händler‘ als Vollzeitspezialist ist damit jetzt schon weitgehend unwahrscheinlich."
Georg Roth wurde vom @dottore als Kronzeuge genannt.
"Die auf Silexbergbau spezialisierten Archäologen Marjorie de Grooth/NL und Georg Roth/D können nach ihrer Ansicht die präsentierten Hypothesen (Handelsnetz der Steinzeit) widerlegen. Anhand umfassender Datenanalysen lässt sich nach ihren Studien - nicht nur zu Arnhofen - weder beim Bergbau, noch bei der Verarbeitung oder der Weitergabe eine derartig komplexe Arbeitsteilung im mitteleuropäischen Alt- bis Spätneolithikum auffinden."

"Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, zu glauben, dass eine weit entfernte Waffe dorthin "gehandelt" wurde."
@dottore

Den Rest spare ich mir mal, da wohl eher nutzlos.
Du schreibst als Biologe? "Vorfinanzierung gibt es nicht" und etwas tiefer beschreibst du selbst Beispiele dafür und hast kein Gespür für die Wichtigkeit der Thermodynamik bei der Beschreibung lebender, also dissipativer, also debitistischer Systeme.
Du schreibst von Übermass und Überfluss ohne die Knappheit zum Termin verstanden zu haben.
Und du hast das Urschuldkonzept nicht verstanden und kommst hier moralingetränkt daher (Schuld hat in diesem Konzept nichts mit Moral oder Krämerei zu tun).
Dann lassen wir das mal alles lieber so stehen wie es ist.
Vollgeldkonzepte sitzen halt sehr tief und haben enorme Simulationskraft.

Liebe Grüße
Silke

Danke für die Klarstellung

Mephistopheles, Samstag, 30.03.2019, 22:51 vor 1854 Tagen @ Silke 2863 Views

Ein immer wiederkehrendes Phänomen: Kaum geht es um die Verteidigung einer Ideologie, setzt selbst bei den intelligentesten Menschen der Verstand aus.

Unbestritten ist, dass die Jäger und Sammler hochmobil waren und 1.000e km Entfernung für sie kein Problem darstellten. Das schaffen sogar altgediente Bundespräsidenten, wenn man ihnen genügend Zeit lässt. Und Zeit, wenn überhaupt etwas, das hatten die Jäger und Sammler im Überfluss.
Warum waren sie das? Ganz einfach, sie folgten den Herden bei ihren jahreszeitlichen Wanderungen.
Soweit besteht Einigkeit.
Jetzt ernährt der Mensch sich aber nicht vom Fleisch allein, es muss auch frisches Grünzeug und einige Früchte und Wurzeln dabei sein. Das findet sich ironischerweise immer genau da wo auch die Herden durchziehen.
Auch darüber besteht Einigkeit.

Aber kaum findet sich irgendein Gegenstand in ein paar 1.000 km Entfernung von seinem Ursprungsort, also dem Ort seiner Auffindung, so sind, so verlangt es jedenfalls die Ideologie, die hochmobilen Jäger alle ganz plötzlich kollektiv von einer eigen artigen Lähmung und Amnesie befallen worden, welche sie daran hinderte, irgendeinen Gegenstand, den sie während ihrer Wanderung fanden und vielleicht erst in einem halben Jahr benötigen würden, oder der ihnen erst in einem halben Jahr nützlich wäre, einfach mitzunehmen.

Nein, so verlangt es ebenfalls die Ideologie, in einem solchen warteten die Jäger an dem Ort, an denen sie Tiere erlegt hatten, einfach darauf, dass die Herde und ein Händler in einem Jahr wieder vorbeikommt und ernährten sich in der Zwischenzeit von Tiefkühkühlkost.

Gruß Mephistopheles

Toller Text. Habe ich total übersehen.

Mephistopheles, Sonntag, 10.11.2019, 23:22 vor 1629 Tagen @ Weiner 2080 Views

Sie vermeiden Verlust durch

Steuerabgaben, füllen der Herrscher Schatzkammern mit Gold und Juwelen und
ihre Rüstkammern mit Waffen, von dem Rest beschenken sie täglich Pandits
und Munis (Tempelpriester), haben selbst weiße Schirme als Baldachine
(Symbol des Königs), den mächtigen Ozean als Festungsgraben, den
Götterkönig Indra (blitzeschleudernd) als Leibwächter, Varuna (Gott des
Wasser) als Standartenträger, Kubera (Gott des Reichtums) als ihren
Schatzmeister, die neun Planeten als Gürtel, Sonne und Mond als ihre
Handschuhe, die 33 Götter als ihre Zuschauern - sie, die 500 Herren der
glückverheißenden Ayyavole-Kaufmannsgilde.

Aus welcher Zeit stammt der Text?

Gruß Mephistopheles

wer zuerst verhundert stirbt aus

valuereiter @, Montag, 25.03.2019, 10:24 vor 1860 Tagen @ Weiner 3937 Views

... der
Neandertaler über Jahrhunderttausende sich körperlich besser an das
damals sehr rauhe Klima und die Jagd allhier angepasst hatte. Der neue
Mensch aus 'Afrika', der anfangs ganz sicher eine dunkle Hautfarbe und
lockige schwarze Haare hatte ..., war dagegen lernfähiger und innovativer.

evtl. hatte der "neue"/Cro Magnon Mensch einen anderen für das Überleben entscheidenden Vorteil:

Der Neandertaler war doch deutlich kräftiger/muskulöser gebaut?
Dürfte also auch einen höheren Grundumsatz gehabt haben?
(wovon heute alle Übergewichtigen träumen ;) )

Sprich:
Bei starken Klimaschwankungen/Dürrezeiten = Mangel an Beeren/Knollen/... UND gleichzeitig an jagdbarem Wild sind wohl die Neandertaler zuerst verhungert ...

Beleg für diese These:
https://www.br.de/themen/wissen/neandertaler-atmen-beissen-urmensch-100.html
"Die körperlich gedrungenen, sehr muskulösen Neandertaler hätten ... einen hohen Energiebedarf gehabt, ... Berechnungen gehen von einem täglichen Kalorienbedarf von 3.360 bis 4.480 Kalorien bei den Neandertalern aus, ... Ein moderner Mensch verbraucht im Vergleich dazu rund 2.500 Kalorien am Tag."

Hast Du Roddier gelesen?

Naclador @, Göttingen, Mittwoch, 27.03.2019, 10:37 vor 1858 Tagen @ Weiner 3271 Views

Hallo Weiner,

Der eigentliche evolutionäre Fortschritt des Menschen gegenüber
vergleichbaren höheren Säugetieren ist seine lange 'Kindheit' und
Lernfähigkeit, die dann wiederum das Phänomen der Kultur hervorbringen.
Diese schiebt sich zwischen den Körper (mitsamt dessen physiologisch
fixierten Verhaltensweisen) und die äußere Wirklichkeit (die es zu
bewältigen gilt). Ohne kulturelles Inventar kann der Mensch nicht
überleben. Ich nenne es, in Analogie zum Genom, das Kulturom. Es wird von
Generation zu Generation übermittelt, ist aber - das besondere an der
ganzen Sache! - extrem wandelbar und für Innovationen offen.


Woher kommen diese Innovationen?

F. Roddier hat sich in seinem Buch "Thermodynamics of Evolution" einige Gedanken dazu gemacht, wie es zur Kulturentstehung beim Menschen gekommen sein könnte. Ein Auszug:

"Mammals were also late to develop an organ capable of emitting complex
and varied sounds such as those of birds. It is among primates that cultural
acquisitions are most clearly identified. Their ability to imitate exceeds that of
all other animals, to the point that the french word "singer" (from "singe"
which means ape in french) has become synonymous to imitate. Young apes
are able to reproduce complex tasks performed by their parents such as
collecting rainwater on a spongy material or insects on branches or twigs.
It is widely admitted that the branch leading to our species has detached from
that of the chimpanzees, about seven million years ago. The split occured in
East Africa. The climate having changed, trees became rarer. Savannah had
gradually replaced the forest. Fruit eaters, primates used to live in trees. They
no longer had food nor housing. They desperately sought ways of survival.
Adapted to the picking of fruits, their hands also allowed them, with a little
effort, to uproot plants. Some of them were able to survive by eating roots, a
hidden part of the plant left over by most other animals. The digestive system
of their descendants slowly adapted to this new regime. The need to stand up
to pull out plants has probably developed in them a morphology favorable to
bipedism, a mode of propulsion they later adopted.
Children education became a problem. Teaching them how to use a twig was
no longer sufficient. One had had to teach them elements of botany. The child
who would best memorize the relationship between the visible part of a plant
and its root had a better chance of survival. He would not waste all his energy
uprooting unsuitable plants. Memory being related to the size of the brain, the
latter began to grow. For short, hundreds of thousands of years later, these
primates became Australopithecines."

Kann ich bei Bedarf auch übersetzen. Mir erscheint diese Erklärung plausibel.

Was eigentlich ist der 'kulturschaffende'
menschliche ... Geist?

Da muss ich passen. Metaphysik ist nicht mein Gebiet :-).

Viele Grüße,
Naclador

--
"Nur die Lüge benötigt die Stütze der Staatsgewalt. Die Wahrheit steht von alleine aufrecht."
Thomas Jefferson

Werbung