Ein paar Zahlen und Perspektiven hierzu

Miesepeter, Sonntag, 14.12.2025, 13:24 (vor 1 Tag, 9 Stunden, 41 Min.) @ Dieter941 Views

Hallo,
hin und wieder liest man von enormen Schuldenaufnahmen der großen Tech-KI-Unternehmen. Sie werden aufgenommen (vermutlich) für Investitionen in KI. Man liest von Bilanzen die beschönigt sind (zu geringe Abschreibungen) zu geringe Gewinne/Umsätze im Verhältnis zur Schuldenaufnahme.

Hallo Dieter,

das ist alles korrekt, aber es bildet nicht das gesamte Bild ab.

Zunächst einmal, um welche Summen handelt es sich überhaupt?

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Geplant oder geschätzt sind also knapp 3 Billionen USD Global Invest, verteilt über 4 Jahre, ergo 750 Mrd.USD pro Jahr. Ca. 50% davon in den USA.
Das US BIP beläuft sich auf ca 25 Billionen USD pro Jahr, wir reden also über 1.5% des BIP jährliche Investition, davon vielleicht 2 Drittel Neuverschuldung.

Einige Start-ups können ihre Investitionen nur über Schulden finanzieren (Open AI, Anthropic, X), andere können Sie auch komplett aus Eigenmitteln tätigen (Google, Microsoft, Tesla, Amazon, Nvidia)

Wenn überhaupt, dann sind nur die Investitionen der Start-ups im grenzwertigen Risikobereich.

Machen diese Investitionen Sinn?

Eine neue Studie von Anthropic besagt, dass selbst wenn der Fortschritt der KI heute zum Stillstand käme, die vorhandenen Tools die Arbeitsproduktivität in den USA in den nächsten zehn Jahren um etwa 1,8 % pro Jahr steigern könnten. Andere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen:

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1,8% des US BIPs sind 450 Mrd. USD Produktivitätsgewinn pro Jahr zu Beginn dieser Dekade, über 10 Jahre gerechnet summiert sich der Zuwachs auf ca. 5 Billionen USD.

Volkswirtschaftlich scheint das Investment sich also durchaus zu rechnen.
Dass aus debitistischer Sicht eine nennenswerte Neuverschuldung, gerade im investiven Bereich, eine systemrelevante Bedeutung hat, muss sicher nicht ausführlich erklärt werden.

Ob es sich auch betriebswirtschaftlich für die einzelnen Firmen rechnen wird, ist eine andere Frage. (Google, Microsoft, Tesla usw. gehen sicherlich davon aus) Mit volkswirtschaftlichem Risiko verbunden sind aber nur die Schuldenaufnahmen der Start-ups. Bisher werden diese hauptsächlich von Venture-Capital-Firmen finanziert, und vermutlich werden sie früher oder später ihr Kapital an der Börse einsammeln. Es wird also von vornherein mit Risikokapital finanziert und nicht vorrangig mit den Spareinlagen in Banken (wie bei den Subprime Finanzierungen).

Ist da was dran? Sind die Firmen systemrelevant, sodaß z.B. die USA sie stützen werden mit Steuergeldern, wenn es zur Zahlungsunfähigkeit bei Bedienung der Schulden kommt,

Die etablierten Player wie Google oder Microsoft können ihre Investitionen aus Eigenmitteln finanzieren. Die Start-ups werden mit Risikokapital finanziert. Vielleicht wird der Staat dennoch den Firmen unter die Arme greifen, im Fall, dass dies notwendig wird, um die Investitionstätigkeit aufrecht zu erhalten. Denn für den Staat, wie oben gesehen, rechnet sich der ganze Komplex sowohl volkswirtschaftlich als natürlich auch im Hinblick auf den Wettstreit mit China und die globale technologische Vorherrschaft.

da vielleicht eine deflationäre Industrie nicht in der Lage ist, deren Produkte teuer einzusetzen?

Industrien unter Druck nutzen diese Produkte vmtl. intensiv, da sie erhebliche Personaleinsparungen ermöglichen. Schon jetzt reduzieren Unternehmen wie Google, Microsoft und Amazon zehntausende Arbeitsplätze, da KI die interne Produktivität stark steigert. (Diese interne Produktivitätssteigerung muss auch noch in der betriebswirtschaftlichen Investitionsrechnung berücksichtigt werden)

Oder auch die Frage: Wer bedient die Schulden, wenn viele arbeitslos aufgrund eines KI-Einsatzes in Unternehmen werden und Einkommen und damit Konsum und priv. Investitionen wegbrechen.

Das ist die große Frage, auf die es am Ende hinausläuft. Werden diese Produktivitätssteigerungen dazu führen, dass die gleiche Wirtschaftsleistung mit weniger Arbeitskräften erzielt wird, oder werden sie dazu führen, dass mit der gleichen Anzahl von Arbeitskräften ein höherer Output erzielt wird?
Vermutlich wird es eine Kombination aus beiden Aspekten sein.

Viele Arbeitsplätze werden wegfallen, viele verbleibende Arbeitsplätze werden produktiver, andere Arbeitsplätze sind wenig bis überhaupt nicht betroffen (Klempner, Bauarbeiter). Es werden aber ebenfalls viele neue Arbeitsfelder erscheinen, die heute noch niemand auf dem Schirm hat. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass diese Veränderung anders verlaufen wird, als die Mechanisierung der Landwirtschaft, die Automatisierung der Industrie oder die Digitalisierung der Büroarbeit. All diese Umwerfungen führten zwar zu einer massiven sektoriellen Personalreduzierungen (Agrikultur zb von 50% Beschäftigung der Bevölkerung zu 3% der Bevölkerung in 100 Jahren), aber letztendlich wurden die Arbeitskräfte in neuen Berufsfeldern benötigt. Heute kommt als konträrer Aspekt in den Industriestaaten noch die negative Demografieentwicklung hinzu. Wenn in einer Volkswirtschaft wie Deutschland der Pool der arbeitsfähigen Bevölkerung jährlich um 2% sinkt, benötigt es schliesslich einer ebenso hohen Produktivitätssteigerung, um den Output auf dem gleichen Niveau zu halten.

Ein weiterer Punkt, den man bei der Betrachtung dieses gesamten Themenkomplexes natürlich nicht unterschlagen sollte, sind die völlig neuen Möglichkeiten der zentralisierten gesellschaftlichen Kontrolle und Steuerung. Selbst wenn diese ganzen Investitionen sich wirtschaftlich nicht rechnen würden, kann es durchaus sein, dass alleine diese Vorteile der politischen Kontrolle für weite Teile der entscheidenden Eliten eine Investition in den oben genannten Größenordnungen sinnvoll machen.

Eine Reduzierung der Perspektive allein auf die Schuldengrößen ist unterkomplex, ich habe sicherlich nur einen kleinen Teil der Elemente aufgeführt, welche bei einer Gesamtbetrachtung der KI-Investitionen zu berücksichtigen sind, aber ich denke, es sollte ausreichen, um zu verdeutlichen, dass eine Bewertung nicht auf einer eindimensionalen Schiene erfolgen kann.

Gruss,
mp


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