Ist die BRD ein Land ohne Eliten?

Plancius, Sonntag, 07.12.2025, 15:03 (vor 3 Tagen)1635 Views
bearbeitet von Plancius, Sonntag, 07.12.2025, 15:08

Egal, welchen Bereich man in der BRD anschaut, sei es nun Politik, Wirtschaft, Kultur, Gesundheitswesen, Militär, Wissenschaft, Medien, Sport, überall sind deren Schaltstellen weitestgehend mit inkompetenten Personen besetzt.

Irgend etwas scheint also extrem schief zu laufen in diesem Lande, nach welchen Mechanismen Personen in hohe Positionen gespült werden. Angesichts der verheerenden Inkompetenz allerorten wagt man überhaupt gar nicht mehr das Wort „Eliten“ in den Munde zu nehmen. Ist es deshalb nicht berechtigt, die Frage zu stellen:

Ist die BRD ein Land ohne Eliten?

Ich möchte dies an einem Beispiel illustrieren.

Um das Jahr 2000 herum war ich in einem Projekt involviert, wo es darum ging, die Lieferanten von Nokia Bochum über einen zentralen Hub an das Warenwirtschaftssystem von Nokia anzubinden. Nokia meldete seine Bedarfe für einen bestimmten Tag und die Lieferanten wiederum meldeten ihre Lieferfähigkeit mit Preis und Menge an Nokia zurück. Über ein flexibles Quotensystem wurden dann die Lieferanten beauftragt, ihre Bauelemente an die Fertigungsstrecke in Bochum zu liefern.

Bochum war seinerzeit der ideale Standort für die Nokia Handyproduktion. Im Großraum Düsseldorf – Meerbusch – Kamp-Lintfort – Viersen saßen die ganzen japanischen und taiwanesischen Firmen mit ihren Europa-Zentralen und ihren Lagern für elektronische Bauelemente. Ein hochkomplexes Logistik-System beschaffte die Bauelemente aus den asiatischen Fertigungsstätten in Taiwan, Philippinen, Malaysia, Vietnam, China, Thailand und Japan. Ziel war es, die Kunden jederzeit beliefern zu können, die Lagerhaltung jedoch gering zu halten.

Die Innovationsgeschwindigkeit in der Handyindustrie ist hoch. Langsam drehende Bauelemente im Lager mit einem Alter > ½ Jahr müssen schon häufig abgeschrieben werden. Am Düsseldorfer Flughafen kamen die Bauelemente häufig per Luftfracht an. Manchmal wurden Bauelemente kurzfristig von den Lägern um Düsseldorf herum per Hubschrauber ans Band in Bochum geliefert.

Um Auftragsspitzen abzufedern, wie in der Vorweihnachtszeit, konnte Flextronics in Paderborn kurzfristig Teile der Handyfertigung übernehmen. Die Universitäten im Rheinland bis nach Aachen sorgten zudem für innovatorische Impulse und Nachschub an Ingenieuren. Und nicht zu verachten für die Nokia Manager: Von Düsseldorf konnte man 2 x täglich nach Helsinki fliegen.

Also das ganze System der Handyfertigung war ein komplexes, sensibles Gebilde vom Vertrieb bis hinunter zu den Lieferanten. In einer Branche mit hoher Innovationsgeschwindigkeit ist ein solches eingespieltes Team unerlässlich.

Dann kam die Entscheidung, das Werk in Bochum zu schließen und dafür ein Werk in Cluj Napoca/Rumänien aufzubauen. Ein jeder wusste sofort, dass dieser Entschluss in die Hose gehen wird. Diese sensible Netzwerk an Lieferketten in einer solch dynamischen Branche zu zerreißen, kommt dem Todesurteil für eine Firma gleich. Nur nach Subventionen zu schauen und den Markt dabei zu vernachlässigen, wird eine Firma über kurz oder lang ins Nirwana befördern.

Und es kam, was kommen musste: Heute ist Nokia ausgeknockt, spielt im Markt keine Rolle mehr.
Nun stellt sich die Frage: Wieso hat jeder kleine Arbeiter am Band das Unglück kommen sehen, die Nokia Manager jedoch nicht?

Diese Frage kann man in der deutschen Wirtschaft allerorten stellen.

Wieso befürworten Automobilmanager ein Verbrennungsverbot? Ein jeder mit etwas Sachverstand weiß, dass die Käufer mehrheitlich nach wie vor Verbrenner bevorzugen.

Warum lassen sich Stahlkonzerne auf das Projekt mit grünem Wasserstoff ein? Währenddessen besetzen andere Stahlkonzerne die Märkte der Welt.

Selbige Fragen stellen sich überall im Lande. Eine Elite an der Spitze der Schaltstellen unseres Landes hätten längst ihr Veto gegen die katastrophale Politik eingelegt.

Wozu bezahlt die Wirtschaft all ihre teuren Lobbyverbände? Wahrscheinlich dafür, dass die eigenen Lobbyanwälte die Gesetzesvorlagen für die Politik schreiben, die dann ihr eigenes Todesurteil bedeuten. Nur um ja Politik und Presse kurzfristig zu gefallen.

Ein funktionierendes System der Elitenselektion würde ganz andere Personen auf ihrem Weg in Führungsposten filtern. In China, Russland und zum Teil USA scheint das ganz anders zu laufen.

Ich möchte hier mal einen Blick zurück in die DDR werfen. Hier gab es ein wohlstrukturiertes und durchdachtes System der Elitenauswahl. Mit der falschen Ideologie als Grundlage hilft das aber anscheinend auch nicht weiter, wie der Untergang der DDR 1989 bewiesen hat.

Schon ab der vierten Klasse wurden talentierte Schüler für den Leistungssport akquiriert.
In der jährlichen „Messe der Meister von Morgen“ konnten naturwissenschaftliche Talente ihr Können zeigen. Diese Messen wurden von regionalen Betrieben unterstützt.

Ab der sechsten Klasse konnten sprachbegabte Kinder auf spezielle Sprachschulen wechseln. Dort wurde dann auf ein Auslandsstudium oder eine Tätigkeit mit Sprachkenntnissen vorbereitet.

In der 9.Klasse hatten Jungen mit guten Schulnoten Gespräche beim Direktor mit zwei ranghohen Offizieren, wo sie für ein Studium an einer Militärakademie begeistert werden sollten.

In der 9.Klasse wurden weiterhin die jahrgangsbesten Jungen in einem Gespräch beim Direktor mit einem Offizier des MfS und einem Mitglied der Kreisparteileitung für eine Tätigkeit im diplomatischen Dienst der DDR geworben. Hierzu musste man an einer Prüfung teilnehmen, wo maximal 15% bestanden. Anschließend ging man von Klasse 10 bis 12 auf die Arbeiter-und-Bauern-Fakultät in Halle mit intensivem Russischunterricht, worauf dann das Studium an der Diplomatenakademie und dem MID in Moskau anschlossen.

Wenn ich mir vorstelle, dass heute ein mit allen diplomatischen Wassern gewaschener Sergej Lawrow einer Frau Baerbock oder einem Herrn Wadephul gegenübersitzt, dann ist das ein trauriges Zeichen für unser Land. Die deutschen Politiker sind doch für ihre Partner in Russland, China oder den USA in keinster Weise satisfaktionsfähig.

Ich erlebe ja an den eigenen Familienangehörigen, Enkel, Nichten, Neffen usw., wie unser Bildungssystem versagt und überhaupt keinen Beitrag leistet, Eliten für die Zukunft zu selektieren. An den Schulen passiert außer dem Parken von Lebenszeit überhaupt gar nichts.

Nur selten hört man davon, dass ein junger Mensch überhaupt einen Realberuf erlernt. Stattdessen strömt alles in den vornehmlich öffentlichen Dienstleistungssektor.

Niemand macht sich Gedanken darüber, wer in ein paar Jahren unsere Heizungen repariert oder unsere Wohnung tapeziert. Berufslenkung, um die gesellschaftlichen Bedarfe mit individuellen Neigungen in Übereinstimmung zu bringen existiert überhaupt gar nicht mehr. Was werden hier schon vorab für riesige Werte an Humankapital jährlich vernichtet.

Ich gebe mich auch bei der Erklärung dieser Misere nicht damit zufrieden, dass unser schuldgeldbasiertes Geldsystem die Ursache hierfür ist oder irgendwelche Freimaurerlogen in dunklen Hinterzimmern all diese dysfunktionalen Entwicklungen zu verantworten haben.

Früher habe ich mal gedacht, die BRD ist ein wohlorganisiertes Land, das durch seine internen Mechanismen Wohlstand produziert. Aber anscheinend ist es ein Land, das an einer schwerwiegenden Autoimmunerkrankung leidet und sich selbst aufzehrt.

Der Speck von dem gezehrt werden kann, scheint aber so dick zu sein, dass die Mehrheit der Leute, vorzugsweise im Bildungsbürgertum des Westens, das überhaupt noch nicht geschnallt hat.

Gruß Plancius

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"Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad an Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand." ARTHUR SCHOPENHAUER


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