Hallo nereus
Kommentar überflüssig.
Wohl kaum!
Ausgehend von der EVG als geplantes politisches Projekt aus dem Jahr 1952 mit dem Ziel, eine gemeinsame europäische, damals unvollendete, Armee zu schaffen, sehen wir ihre beginnende Verwirklichung: EVG 1952 → EWG 1957 → EG 1967 → EU 1992 in einem verteidigungsfähigen Brüsseler Prinzipat, das letztendliche seinen gesetzmäßigen Weg finden wird, wie dottore - nur inhaltlich mit geringen Abweichungen - in
https://archiv.dasgelbeforum.net/ewf2000/forum_entry.php?id=261678 Was lehrt uns Sparta? verfasst von dottore, 20.03.2004, 19:00
zeigt. Die Entsprechungen sind offensichtlich.
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→ Hi,
Sparta ist in einem, wie ich finde, ganz vorzüglichen Buch des Basler Althistorikers Lukas Thommen aufgearbeitet worden (Metzler ISBN 3-476-01964-0).
Was lernen wir aus dem höchst komplizierten Geschichts- und Verfassungsgebilde?
1. Zunächst Verblüffung, was das Thema Staat betrifft. In dem berühmten Aufsatz (Science, 1970) von Robert L. Carneiro A Theory of the Origin of State, den mir Popeye, der unübertrefflich Suchende & Findende dankenswerterweise verfügbar gemacht hat, wird u.a. auf das Beispiel Peru abgehoben:
Mit der anhaltenden und sich weiter verschärfenden Landknappheit nahmen auch die kriegerischen Auseinandersetzungen zu. Nun standen sich nicht mehr kleine Dörfer gegenüber, sondern oft große Stammesfürstentümer. Von diesem Zeitpunkt an wuchs die Größe der politischen Einheiten durch die Eroberung eines Stammesfürstentums nach dem anderen immer schneller ... Nachdem Königreiche entstanden waren, die ganze Täler umfassten, folgte als nächster Schritt die Bildung von Königreichen, die mehrere Täler umfassten, indem stärkere Täler schwächere eroberten. … durch den mächtigsten Staat und die Bildung eines einzigen großen Reiches ... zum letzten Mal durch die Inkas.
Übersetzt mit DeepL.com (kostenlose Version)
Dies bestätigen nicht nur meine eigenen Vorort-Recherchen, was den mexikanischen Bereich betrifft (siehe die Oaxaca-These, hier ausführlich diskutiert - ein Tal bzw. Tal-Teil unterwirft das nächste, den nächsten), sondern auch das Beispiel Sparta.
Man wandert ein, offenbar als relativ kleiner Haufen (vor oder um 1000 BC, dorische Wanderung), der aber über überlegene Waffentechnik verfügt (im Falle Sparta dürfte es das Eisen gewesen sein, das dort bekanntlich mythisch-mystische Züge hat, Stichwort Eisengeld).
Dann unterwirft man sich das erste Tal (Evrotas [1]). Dabei kommt es zur Unterwerfung der Urbevölkerung (Heloten - heilotes = griech. Gefangener, Staatssklave), die abgabenpflichtig wird und der jedes Jahr aufs Neue offiziell der Krieg erklärt wird.
Von Gepsimos - my photo Gepsimos 10:09, 1 May 2006 (UTC), CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=748254
[Hat was, wie uns doch die Finanzminister jedes Jahr aufs Neue den Abgabenkrieg erklären...]
Gleichzeitig entsteht eine Zwischenschicht, die Periöken (Herumwohner), denen die Abwicklung des Machtkreislaufes obliegt (Händler usw.); sie müssen Steuern nur an den König zahlen (ähnliche Erscheinungen schon in Assyrien, wo die Händler zuerst Königshändler sind, vgl. den hier schon vorgestellten tamkaru, alias royal trade agent oder auch die Juden, die Königs- oder Kaiser-Juden werden, sobald sich das ganze Abgabensystem auf Metallgeld spitzt).
Dann beginnt die Expansionsphase, einmal nach Norden der Versuch gegen Argos, dann auch etwas nach Süden (Kythera), es wird auch mini-kolonialisiert (Tarent), aber der große Wurf ist der Eroberung des Nachbartals Messenien (7./8. Jh.). Von dort Abgaben (möglicherweise 1/2 der Erträge), jedenfalls Externalisierung der Machterhaltungs- und -erweiterungskosten.
2. Die Expansion versucht sich nun gegen den Osten (Athen usw.) zu richten, aber da kommen die Perser dazwischen, die nach selbem Modell arbeiten und die ihrerseits Athen und Sparta unterwerfen wollen, was diese ablehnen - das Zurückwerfen der Perser ist bekannt (Marathon, noch ohne Spartaner, Thermopylen, Plataiai usw.).
Außerdem stört ein gewaltiges Erdbeben die Pläne (460, ca. 20.000 Tote - viel der vorderasiatischen Reiche gab ein Erdbeben den Genickschuss, siehe die hier schon detailliert vorgestellte Vansee-Kultur, davor schon Santorin, Mykene, Knossos usw.) und es kommt erst mit Verzögerung zum Showdown mit Athen und dem Triumph von 404, wonach gigantische Mengen Kriegsbeute nach Sparta strömen, was das Gold- und Silberverbot (als Bezug auf die Sagengestalt des Lykurg) initiiert.
[Antizyklische Konjunkturpolitik]
3. Im Inneren (ca. 9000 Vollbürger) destabilisiert sich die Lage. Zum einen durch die Massierung von Gold und Silber (nirgends in Griechenland gab's mehr davon, wenn auch offiziell Staatsmonopol) und dann durch die immer schlechter werdende Vermögens-(Land-)Verteilung. Das lag u.a. daran, dass möglichst viele Söhne Vorteile brachten: Ab 3 kein Militärdienst mehr, ab 4 keinerlei Abgaben. Abgaben waren sog. Syssitien [2], also zuerst Naturalien, dann Geld, das zu den (in kleinen Gruppen, Mahlgemeinschaften, Symposia) gemeinschaftlich begangenen Festivitäten zu berappen war. Wer nichts berappte, verlor das Bürgerrecht.
Griechisches Symposion, Fresko aus Paestum, um 475 v. Chr. https://de.wikipedia.org/wiki/Symposion
[Hören wir nicht die Familienpolitiken der Gegenwart?]
Die Macht, vor allem das Finanzwesen liegt in der Hand nicht der beiden (zwei!) Könige, die eher Feldherrenstatus hatten, als in der der (fünf) Ephoren, einmal gewählt, keine Wiederwahl. Dazu: Grundsätzlich jüngere Leute, was sich aus dem System heraus selbst erklärt. Ephoren und Könige schworen einander jährlich einen Eid, was die Lage aber nicht erquicklicher machte.
4. Sparta kann die Kosten für das (für griechische Verhältnisse) gewaltig gestretchte Imperium nicht mehr externalisieren und muss schon ab 383 Söldner kaufen. Zum großen Problem wird obendrein die Oliganthropia[3] (Menschenmangel). Nach der Katastrophe von Leuktra 371, wo Epaminondas mit seiner blitzgescheiten Idee der schiefen Schlachtordnung (Vorform des Schlieffen-Plans) die Spartiaten vernichtend schlug, blieben nur noch ca. 1500 Vollbürger übrig.
[Tja, nach großen Verlusten muss man halt bescheiden werden]
5. Was machen die Spartaner jetzt? Sie verdingen sich inkl. ihrer Könige selbst als Söldner an jeden, der sie mietet. Im 3. Jh. sind dann noch 700 Vollbürger übrig, davon 100 Superreiche (wen wunderts?) und ein König (Agis) versucht noch eine Reform: Schuldenstreichung und Land umverteilen. (Parallele dazu in Rom, die Gracchen und später Catilina usw.). 240 wird er darob von den Ephoren gehenkt.
Ein weiterer König (Kleomenes, von dem es hübsche seltene Münzen gibt) versucht sich nochmals an derselben Nummer, die Heloten dürfen sich sogar freikaufen, usw. Aber nichts wird, denn die Nachbarn sind nicht dumm und besetzen 222 Sparta (Kleomenes, der Reformator geht in den Tod) und 146 unterwirft Rom schließlich ganz Griechenland. Der Rest ist dann für Sparta das Schicksal einer besseren Landstadt, vor deren Geschichte alle Achtung haben.
Also?
Mächte, Staaten, Reiche usw. entstehen immer per Gewalt und niemals freiwillig. Danach Expansion und Erfolge. Sobald sie sich dann sich gegenseitig versichern, wie toll jeder jeden findet und sich auch noch weiter ausdehnen, um so richtig mächtig auszuschauen, ist das der Beginn des Untergangs, im Inneren wie nach außen.
Und wer immer noch nicht an den mit Windeseile heranziehenden Untergang des völlig überstretchten Westens glaubt (Deutschland wird wo verteidigt? Am Hindukusch! Von den USA schweigen wir lieber still), der ersetze die schiefe Schlachtordnung durch das bequemere Wort Sprengstoff. Der Rest (Überschuldung, Verteilung) ist die passende side-show, die auch zwischendurch zur main show werden kann.
Das Phänomen Staat jedoch kann strampeln wie es will - und dennoch wird es untergehen.
Schönen Sonntag übrigens + Gruß!
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Nichts Neues unter der Sonne und Gruß - Ostfriese
PS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Evrotas Das Flussbett des Evrotas in der Nähe der Stadt Sparta (Sparti)
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Syssitia Syssitia
[3] https://onesearch.library.rice.edu/discovery/fulldisplay/alma991023188239705251/01RICE_... Spartan oliganthropia / by Timothy Doran. Doran, Timothy, author.