"russische Staatsbürger"? Ich glaube, hier liegt ein gewisses Mißverständnis vor ...
Cher Miesepeter,
es geht m.W. nicht um Staatsbürger der Russischen Föderation, sondern um russische (=russischstämmige, russischsprachige) Bewohner Estlands, denen mit List und Tücke seit Jahren ganz eindeutig aufgrund ihrer etnischen Zugehörigkeit zur russischen Volksgruppe Staatsbürgerschaftsrechte vorenthalten werden.
Das ist etwa so, wie wenn dänischsprachige Staatsbürger in Schleswig-Holstein vom Wahlrecht ausgeschlossen wären, oder Kärntner Slowenen in Österreich, oder deutschsprachige*) Südtiroler in Italien. So etwas wird daher m.E. zurecht von Rußland als Skandal angesehen, da dieses sich - wie in solchen Fällen fast jede "große" Sprachnation - irgendwie als informelle Schutzmacht einer gleich-sprachlichen Minderheit im Ausland ansieht.
Hier werden Menschen, die seit Jahrzehnten, teilweise sogar seit vielen Generationen**) in Estland ansässig sind, aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Minderheitenvolksgruppe offen diskriminiert. Und ein Blick in die Geschichte zeigt: die nationalistischen Esten nach 1918 betrieben in der Zwischenkriegszeit eine recht eindeutige Enteignungs- und Vertreibungspolitik (insbes. gegenüber den Baltendeutschen .... und mal ganz davon abgesehen, daß sie ab 1933 eine semi-diktatorische Regierungsform hatten, die sich um Minderheit wenig scherte).
Der Anteil der "Russen" in Estland stieg naturgemäß schon durch die damit verbundene Industrialisierung des bisher fast ausschließlich agrarischen Landes ab der Eingliederung des Landes in die UdSSR nach dem 2. Weltkrieg; den seit damals in Estland ansässigen "Russen" (und das war 1991 immerhin auch schon ca. 2 Generationen her), wurde bei der Erlangung der Unabhängigkeit Estlands die estnische Staatsbürgerschaft grundsätzlich verweigert.
Das unter dem Narrativ, es handle sich jetzt um eine endlich erfolgende Rückkehr bzw. Übernahme "EUropäischer "Normalität", halte ich daher entweder für ziemlich blauäugig gedacht (bzw. EU-propagandistisch, falls in Kenntnis dieser Faktenlage und Geschichte - ohne Ihnen dies unterstellen zu wollen)!
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*) soferne man tirolerisch kräächhhhz'nde Südtirrrol'rrrr als "deutschsprachig" durchgehen läßt
**) Mein Bockhaus (14. Aufl.) weist für Ende des 19. Jhds. 4,6% "Russen" und 5,8% "Deutsche" in der damaligen Provinz "Esthland" (etwas kleiner als die heutige Republik) aus - kein Wunder, wenn das Land, nachdem es zuvor schwedisch war, schon seit 1710 zum Russischen Reich gehörte!
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LePenseur