"Künstliche Intelligenz" live. Zu Besuch in einem Rechenzentrum der Krankenkassen.
Workshop in einem Rechenzentrum, das als Dienstleister für Krankenkassen arbeitet.
Ein Unternehmen in der Medizintechnik möchte seine Rezepte, Kostenvoranschläge und Abrechnungen per EDI mit den Krankenkassen austauschen. Weil jede Krankenkasse ihr eigenes EDV-System mit einem eigens definierten Format für den Austausch der Daten für Abrechnungen usw. besitzt, möchte das Unternehmen der Medizintechnik den Dienstleister für die Krankenkassen zwischenschalten, damit die Abrechnungen im für die Krankenkassen lesbaren Format ankommen.
Die Daten meines Kunden kommen aus einem SAP System, werden ins EDIFACT-Format konvertiert und an den Dienstleister gesendet, der wiederum anhand des Datenstroms erkennt, an welche Krankenkasse die Abrechnung geht, die EDIFACT-Daten nun in das betreffende Format der Krankenkasse wandelt und dann direkt an das EDV-System der Krankenkasse sendet.
Ich bin nun davon ausgegangen, dass mich beim Dienstleister einige Serverräume erwarten, wo ein paar Operatoren herumlaufen, um die Server zu warten und ein paar Programmierer in ihren Büros sitzen, die die Software weiterentwickeln, das Feldmapping für die Umsetzung der Datenformate pflegen und sich um auftretende Fehler kümmern.
Ja, es gab Operatoren und auch Programmierer. Ein Herr zeigte uns Kisten mit Unmengen an Rezepten, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen kommen. Die Rezepte werden eingescannt, die Daten per OCR-Schrifterkennung abgegriffen und in die weiterverarbeitende Software eingespeist. So ähnlich läuft das auch mit den EDIFACT-Nachrichten meines Kunden. Diese werden auch in die weiterverarbeitende Software eingespeist, nur dass die Daten bereits in elektronischer Form vorliegen und nicht erst optisch über ein Papiermedium erfasst werden müssen.
Der Herr öffnete nun die Tür, um uns zu zeigen, wie nun die Daten in das Format für die Krankenkassen gebracht werden. Wir standen in einer großen Halle mit zwei langen Tischreihen. An den Tischen saßen gegenüber sitzend geschätzt 150 zumeist Frauen an ihrem Arbeitsplatz mit Bildschirm und Tastatur.
Jede Dame bearbeitete die Abrechnung für eine Krankenkasse. In einem halbautomatischen Prozess blendete die Software jede Abrechnung auf dem Bildschirm ein und füllte die Felder schon aus, die vorab erkannt worden sind. In einem Fenster war die ursprüngliche Abrechnung optisch sichtbar. Die Dame kontrollierte die Abrechnung Feld für Feld und übertrug noch die Daten aus dem optischen Beleg in die Eingabemaske, die die Software nicht erkannt hatte. Wenn die Dame meinte, der Beleg war vollständig, wurde er gespeichert und an die entsprechende Krankenkasse geschickt.
Ich hätte nicht gedacht, dass im Jahr 2025 der elektronische Datenaustausch noch mit so viel manueller Tätigkeit verbunden ist. Ursache des Problems ist natürlich auch die Vielzahl an Krankenkassen in unserem Land. Jede Kasse kocht ihr eigenes Süppchen, hat ihren Softwarelieferanten und definiert Datenformate nach Gutdünken. Das Zusammendampfen der Krankenkassen würde einen merklichen Produktivitätszuwachs bringen. Denn die Verwaltung und Abrechnung der Leistungen ist primär keine Wertschöpfung am Patienten.
Ähnliches habe ich schon vor ein paar Jahren im Buchhandel erlebt. Ich war bei einem Großbuchhändler/Barsortiment und war erstaunt, wieviele Mitarbeiter dort in der Katalogabteilung sitzen und jeden Tag Stapel voller Kataloge mit Neuerscheinungen der Verlage bearbeiten und jede Neuerscheinung eines Buches oder Tonträgers als neuen Stammsatz im SAP System anlegen.
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat schon seit mehr als 30 Jahren ein eindeutig definiertes Format für die elektronische Übermittlung eines Buches. Gerade ein Buch hat eine fest definierte Anzahl an Attributen, die lange Zeit stabil sind und sich nicht ändern. Autor, Titel, Auflage, Verkaufspreis, Anzahl Seiten usw. Aber nein, die Unmenge insbesondere an Kleinverlagen schickt die Neuerscheinungen immer in Papierformat in Form von Katalogen an die Großbuchhändler, die dann die Daten des Buchs in mühevoller Arbeit abtippen, um sie ins EDV-System zu bringen.
In meiner jahrelangen Tätigkeit im IT-Business muss ich feststellen, dass die Produktivitätssteigerungen durch IT nur in Bruchteilen ausgeschöpft werden. Ursache ist mangelndes Design der Prozesse, fehlende Standardisierung oder deren Nichtanwendung.
Ich glaube deshalb, dass auch der Einsatz von KI ein wesentlich schwerfälligerer und langwierigerer Prozess als derzeit prognostziert ist.
Gruß Plancius
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"Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad an Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand." ARTHUR SCHOPENHAUER
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) im Körper nachgewiesen werden: