34 Jahre deutsche Einheit. Die dürftige Bilanz der BRD im Osten Deutschlands.

Plancius, Donnerstag, 17.10.2024, 21:00 (vor 17 Tagen)3156 Views
bearbeitet von Plancius, Donnerstag, 17.10.2024, 21:04

Nach einigen Spaziergängen in der warmen Oktobersonne durch Städte und Gemeinden im Nordosten Deutschlands war ich auf einmal neugierig zu erfahren: Was ist denn in 34 Jahren BRD im Vergleich zu 34 Jahren DDR alles so geschaffen worden? Wer schneidet im Vergleich besser ab?

Stellt man diesen Vergleich an, so muss man die DDR zwischen 1950 - 1984 und die BRD zwischen 1990 - 2014 gegenüberstellen.

Fährt man heute durch die Ex-DDR, so fallen einem restaurierte Städte ins Auge, man fährt auf ausgebauten Autobahnen und glatt asphaltierten Bundesstraßen, man fährt sowohl aus dem Westen als auch aus dem Süden auf zum Teil neuen ICE-Bahnstrecken nach Berlin, etliche Umweltsünden der Wismut und des Braunkohletagebaus sind renaturierten Landschaften gewichen, vor den Toren der Städte entstanden neue Gewerbegebiete und schicke Einfamilienhaussiedlungen.

War die DDR nach 34 Jahren Sozialismus grau und abgewirtschaftet, die Städte dem Verfall preisgegeben, viele Straßen voller Schlaglöcher, so scheint es doch arg vermessen, die doch für jeden wahrnehmbare positive Bilanz von 34 Jahren BRD im Vergleich zu 34 Jahren DDR in Zweifel zu ziehen.

Wenn ich durch die Straßen meiner mecklenburgischen Kleinstadt laufe, so geht folgendes an Investitionstätigkeiten auf das Konto der DDR:

- Kanal, Wasserleitung, Elektrifizierung und Straßenbeleuchtung
- Asphaltierung, Pflasterung oder Betonplatten der meisten Straßen
- Bau einer neuen Schule mit Turnhalle und Sportplatz
- Bau eines Strandbades mit Gaststätte
- Bungalowsiedlung und Campingplatz am See
- Bau und Ausstattung eines Krankenhauses
- Entstehung einiger Industriebetriebe
- Bau etlicher Einfamilienhäuser, alle mit Keller
- Bau einiger 4 bis 5 geschossiger Wohnblocks in Ziegelbauweise, 3 davon in Plattenbauweise

Die Investitionstätigkeit in öffentliche Projekte kam praktisch Ende der 70er Jahre zum Erliegen. Danach entstanden nur noch Einfamilienhäuser, deren Straßen auch nicht mehr befestigt worden sind.

Nach der Wende ist zu BRD-Zeiten folgendes entstanden:

- Bau einer Kläranlage
- Elektroleitungen wurden in die Erde verlegt, hinzu kamen Telefon und Kabelfernsehen
- Bau vieler Gehwege, Asphaltieren und Pflastern vieler Straßen
- im Gewerbegebiet entstanden zwei neue Industriebetriebe mit wesentlich weniger Arbeitsplätzen
- Bau mehrerer Supermärkte
- Bau von 3 3stöckigen Mehrfamilienhäusern und einiger Eigenheime
- grundsätzliche Renovierung von Rathaus und Schule
- alle DDR-Industriebetriebe verschwanden, Krankenhaus geschlossen, Strandbad mit Gaststätte verfällt

Die Investitionstätigkeit erfolgte fast ausschließlich im Rahmen des "Aufschwung Ost". Ab 2005, als Merkel die Regierung übernahm, kamen fast alle öffentlichen Projekte zum Erliegen. Hier und da wird geflickschustert, aber genauso wie in den 80er Jahren in der DDR leben wir von der Substanz. Das was in den 90er Jahren entstanden ist, kann nicht mehr erhalten werden und verfällt wieder langsam.

Insgesamt macht das Städtchen aber noch einen schmucken, sauberen und gepflegten Eindruck. Kein Vergleich zur grauen Tristesse der DDR.

Aber wie lange hält der Lack noch? Wann ist er ab?

Sehe ich mir jedoch an, was mit den bescheidenen Mitteln in der DDR entstanden ist, dann ist die Bilanz, was die BRD als wirtschaftlich stärkste Nation Europas nach 34 Jahren geschaffen hat, doch vergleichsweise dürftig.

In der BRD des Jahres 2024 wäre es unvorstellbar, eine Schule zu bauen, geschweige denn in allen Straßenzügen Kanal und Wasserleitung zu verlegen. Es ist ja noch nicht mal Geld für die Anschaffung eines neuen Feuerwehrautos vorhanden.

Eigentlich nur noch traurig zu sehen, wie mittlerweile alles verkommt bei Rekordsteuereinnahmen von weit mehr als einer Billion Euro pro Jahr.

Sieht man sich die ehemaligen sozialistischen Länder Ost- und Südosteuropas an, so muss man feststellen, dass sie mittlerweile in der privaten und öffentlichen Investitionstätigkeit zweifelsohne an der Ex-DDR vorbeigezogen sind.

In der Ex-DDR wurde zwar vieles in den 90er bis in die 00er Jahre aus dem Boden gestampft, aber in z.B. Polen und anderen Ländern Osteuropas wurde der Turbo dann ab 2005 gezündet. Man fahre nur mal nach Polen, Ungarn oder Rumänien. Was sind dort für Autobahnnetze entstanden. Welch moderne Verkehrsführung mit Kreisverkehren und kreuzungsfreien Straßen, während in der DDR meist nur asphaltiert wurde und die billigsten Lösungen ohne Kreisverkehre und Ober-/Unterführungen gewählt wurde. Man schaue in die herrlich restaurierten Städte, wo hochwertige Materialien zum Einsatz kommen und wesentlich aufwändigere und interessante städtebauliche Ansätze verfolgt werden, im Gegensatz zu Ostdeutschland, wo die Fassaden renoviert wurden und das war's dann.

Fahrt mal nach Rumänien. Ich kenne Rumänien noch aus 1989, dem letzten Jahr Ceusescus. Da waren nur die Nationalstraßen asphaltiert, alles andere war Schotterpiste.

Was ist in Rumänien alles entstanden! Was für prächtige Altstädte!
Und auch was für interessante neue Apartmentkomplexe, man fahre mal hierzu nach Brasov. Hingegen in der Ex-DDR nur billige architektonische Hausmannskost ohne jegliche Kreativität. Eigentlich eine Schande für unsere Architekten, Bauingenieure, Städteplaner.

Die Ossies hier im Forum können ja auch mal in sich gehen und eine Bilanz ihres Umfeldes vor Ort ziehen.

Gruß Plancius

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"Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad an Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand." ARTHUR SCHOPENHAUER


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