Deutsches Museum München: Zielpublikum Grundschüler. War das schon immer so?

Der gestiefelte Kater, Freitag, 12.07.2024, 20:53 vor 97 Tagen 2646 Views

bearbeitet von Der gestiefelte Kater, Freitag, 12.07.2024, 21:20

Ich war heute mit einer Gruppe 16-Jähriger im Deutschen Museum in München, 4 Std.

Meine Beobachtungen:

  • Die Beschreibungstexte zu den Exponaten sind etwa einen Absatz lang. In sehr vielen Fällen, z.B. beim ausgestellten Wankelmotor, würden mir zusätzlich so viele erwähnenswerte Details einfallen, dass ich aus dem Stehgreif eine DIN-A4-Seite Infotext füllen könnte (ich übertreibe nicht). Alle Texte sind auf dem Niveau der bekannten Was-Ist-Was-Bücher (Tessloff Verlag), also Grundschulniveau. Warum wollen Sie die Jugend für so blöd verkaufen? Das ist eine Beleidigung derer Intelligenz, die würden mehr verstehen.
  • Jaja, haufenweise Multiblödia mit Filmchen, Hörmuscheln, Wackel-Animationen und Zusatztexten, aber trotzdem würde man, wenn man wissensdurstig ist, ohne dem Smartphone in der Hand und zusätzlichen Lexikontexten da drin inhaltlich kaum etwas dazulernen (gymnasialen Allgemeinbildungsstand vorausgesetzt vielleicht).
  • Text auf Augenhöhe eines Erwachsenen, der einem erklärt, dass man elektr. Energie chemisch speichert. Es gäbe Batterien und Akkus! (wow) Die würden sich dadurch unterscheiden, dass man Batterien nicht wieder aufladen kann, neuer Satz, Akkus kann man aber wieder aufladen (eeeecht jetzt ...). Klang alles bisschen wie Deutsch Einfache Sprache ...
  • Beim Eintritt in die Landwirtschaftsabteilung füllt ein überlebensgroßes Gummi-Nutzschwein etwa 10m² - nein, keine alte Holz-Egge, kein Dampftraktor, aber ich bin da gleich wieder raus, weiß also nicht viel ...
  • In der Chemie-Abteilung werden 10 Jahre alte Babywindeln hinter Glas gelegt (bitte nicht anfassen, Hersteller angeblich unbekannt!), gaaanz besonderes Material, das muss man gesehen haben, da reicht es nicht das im Text zu erwähnen (den es ja kaum gibt). Ok, das PSE mit den echten Reinformen aller Elemente ist ne sehr gute Idee, um mal was Positives zu schreiben.
  • Es liegen zahlreiche Exponate hinter Glas, die ich für nicht ausstellungswürdig halte (modernes Smartphone z.B.). Dann z.T. ganz ohne Erklärung.
  • Beschreibungen sind oft so angebracht, dass man sie den Exponaten kaum oder teilweise gar nicht zuordnen kann (logisch, wenn es nur um's Staunen geht). Furchtbar z.B. bei den Modellen der Flugboote usw.
  • Die Eisenbahnplatte ... sieht unfertig aus, aber offenbar ist das so gewollt!
  • Genderthema, naja, sie können nicht anders, aber natürlich müssen die Pilotinnen herausgestellt werden. Und warum muss eigentlich unbedingt ein DIN-A0-Aufsteller darauf hinweisen, dass eine Studentin die V2 restaurieren hilft? Das hätte man früher eher verschwiegen, dass man das einen Studenten machen lässt, oder? Warum ist das erwähnenswert?
  • Es ist da drinnen teilw. so laut wie in einer Bahnhofshalle, man kann sich nicht konzentrieren. Überall Teenies mit Smartphone in der Hand, Gekreische, Gerenne. Warum darf man sein Schlaufon mit rein nehmen? Ach so, weil man die Infos selber mitbringen muss ...
  • Es sind viele Versuche auf Schulniveau aufgebaut (nix dagegen einzuwenden), z.B. eine Kathodenstrahlröhre zum herumspielen, aber es fehlen die anspruchsvollen Versuche, die man an einer Schule nicht mal eben aufbauen kann (und über die man länger nachdenken müsste, z.B. mal ein Versuch zum Nachweis stehender Lichtwellen o.ä.). Wieder nur Grundschulniveau, denn abgesehen von den Berechnungen, versteht eine Kathodenstrahlröhre auch jeder interessierte Grundschüler.
  • Es gibt eine Mathematik-Abteilung. Was soll der Quatsch? Mathematik ist eine rein geistige, absolut theoretische Angelegenheit, nichts für die Allgemeinheit. Sie haben entsprechend hochspezielle alte Apparate gefunden und da hingestellt, und mal wieder viel zum Rumspielen. Aber die Spezialapparate können wirklich nur Mathematiker bestaunen und wertschätzen (und deren Zweck verstehen). Vom Rumspielen lernt man freilich keine Mathematik. Alles komplett überflüssig. Dann lieber das bisschen Inhalt von dort in die örtliche Uni verfrachten als kleines Spezialmuseum für Mathematiker und in direkter Reichweite der betreffenden Studenten.
  • Witzig: Beim Nachbau der billigen Attrappe des Mondautos in der Raumfahrtabteilung haben die Bastler offensichtlich keinerlei Vorlage für die Lenkung des angeblich faltbaren (*räusper*) Fahrgeräts gehabt, die haben da also irgendwie lustig Stangen hinmontiert, so dass das Gefährt wohl einen Wendekreis von einem Kilometer hätte. Das Lenkgestänge lässt wohl auf eine elektrische Lenkung anstatt einer mechanischen Lenkung schließen, so ein Humbug. Aber ich schmunzel jetzt mal und denke mir den Rest ... [[zwinker]] Die Frechheit dieses Mondauto da überhaupt noch hinzustellen, wäre ein Grund einen Bogen um die gesamte Abteilung zu machen.
  • Das Foucaultsches Pendel ist das Beste am Museum, aber das Wort Corioliskraft hab ich auf dessen Beschreibungstexten nicht gefunden! (Krass ...)
  • Fällt mir noch ein: Die Voltasche Säule, im Text steht nix davon, dass die Einheit Volt auf sie zurückgeht und dass jede ihrer Zellen eben exakt 1 V liefert. Wie kann man sowas verschweigen? Ist aber überall so ...

Ich hatte den Eindruck es geht v.a. um's Staunen und Gaffen, um "Ahhh" und "Ohhh", aber der Inhalt zum Lernen wird nicht geliefert. Eben eine Art 3D-Kinderlexikon zum Durchlaufen mit kurzen Erklärtexten. Ich habe den Eindruck, die Entscheidungsträger dort wollen die Jugend gezielt verblöden. Dem Danisch würde natürlich gleich das Missverhältnis bei den Geschlechtern auffallen, wenn man auf der Webseite des Museums die offiziellen Kuratoren und Ansprechpartner anschaut (die mir übrigens bei E-Mail-Anfrage vor dem Besuch nicht antworten). Er würde weibliche Inkompetenz verantwortlich machen. Aber seien wir ehrlich, diese Leute haben alle Vorgesetzte, das sind am Ende dann doch meist Männer, warum wollen diese Verantwortlichen es genau so? Weil es früher auch so war? Glaub ich nicht. Wie war es denn früher?

Auffällig war auch, dass es im Eingangsbereich recht genau ein 50:50 Verhältnis dunkelhäutige zu hellhäutigen Aufsichtspersonen gab. Das sah bisschen aus wie in alten Filmen über die viktorianischen Zeit oder das Amerika des 18./19. Jhd. - auch in diesen Uniformen. Stehen sie also wieder da, die Buttler ... (nette Leute übrigens!) So viele muss man erstmal finden, sie scheinen also bevorzugt eingestellt zu werden.

Was ich von einem Museum erwartet hätte:

  • Nur Dinge zu sehen, die ich sonst nirgendwo sehe.
  • Bevorzugt alte Sachen zu sehen, die ich insbesondere von Nahen betrachten und teilweise (je nachdem) anfassen (!) kann, um ein Gefühl für alte Zeiten zu bekommen.
  • Mehr über die Objekte zu erfahren, als wenn ich einfach nur ein Lexikon aufschlage, und mindestens eine DIN-A4-Seite pro Exponat, besser zwei bis drei.
  • Nur relevante Objekte zu sehen, welche die Geschichte maßgeblich beeinflusst haben (wie bspw. die Linotype-Setzmaschine dort, die war z.B. da am richtigen Platz).
  • Schalldämmung
  • Inhaltliches Niveau der Texte
  • mehr Sitzgelegenheiten vor den längeren Texten, damit man sich die Zeit auch nehmen kann
  • weniger Multiblödia-Ablenkung, keine Lautsprechervorführungen, Verbot von Smartphones, Kameras ggf. nur mit Genehmigung

Was ist eigentlich das Thema beim "Deutschen Museum"? Das "Deutsche"? Also diese Babywindeln ... Deutsche Geschichte also? Für mich war es ein interaktives, dreidimensionales Kinderlexikon. Ich gehe da nicht mehr mit Jugendlichen hin, außer es geht in der Schule um Medien und wir wollen - nur so zum Spaß - mal alte Computer, Synthesizer, Fotokameras und Handys begaffen, um ein Gefühl für die mediale Entwicklung des 20. Jahrhunderts zu erhalten. Oder eben mit Grundschülern, oder Behinderten, das wäre auch alles noch pädagogisch wertvoll. Bisschen additive Farbmischung mit Lämpchen zum Rumspielen ... nett ...

Wie war das Deutsche Museum in den 1970ern und 1980ern??? War das damals auch für Erwachsene?

Deutsches Museum - in leichter Sprache

paranoia @, Die durchschnittlichste Stadt im Norden, Freitag, 12.07.2024, 21:49 vor 97 Tagen @ Der gestiefelte Kater 2034 Views

Hallo "Der gestiefelte Kater",

ich war wohl circa im Jahre 2008 im Deutschen Museum. Sprachlich ist mir da nichts aufgefallen. Ich kann mich aber nur noch an V1- oder V2-Raketen und einen Porsche-928-Motor erinnern. Kein von mir gelesener Beschreibungstext hat meinen Argwohn geweckt.

Das Museum hat wohl einfach nur zentrale Vorgaben umgesetzt - "leichte Sprache" wie auch auf den Seiten der BFU zu finden:

https://www.bfu-web.de/DE/Service/LeichteSprache/leichtesprache_node.html

Mit Hilfe einer anspruchslosen vereinfachten Sprache kann man das Zielbild von abstraktionsunfähigen Lobotommies der Generation Z+ schneller erreichen.

Diese Sprache hat man den syrischen Immis auch beigebracht, davon konnte ich mich persönlich überzeugen.

Gruß
paranoia

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Ich sage "Ja!" zu Alkohol und Hunden.

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