Aleksandar Vucic – Ich bin mir ziemlich sicher, wir werden eine Katastrophe erleben.
Auszüge aus dem Interview von Roger Köppel mit Serbiens Präsident Aleksandar Vucic.
Quelle: Zeitschrift Weltwoche Nr. 24 / 2024
Auszug Seite 19:
.. Meiner Ansicht nach wird es von Tag zu Tag schlimmer. Mit den Worten des berühmten Historikers Alan J. P. Taylor: „Der Zug ist abgefahren und niemand kann ihn aufhalten.“ Und so sieht es auch aus. Wir sehen den finsteren Endpunkt all dessen, was in der Ukraine geschieht, wenn die Großmächte nichts tun. In einem kurzen Zeitraum, ja, da bin bin mir ziemlich sicher, wir werden eine Katastrophe erleben.
Auszug Seite 20:
.. Warum spreche ich davon, daß wir uns dem Abgrund näher? Analysieren Sie die Situation der NATO und der Vereinigten Staaten.
Sie können es sich nicht leisten einen Krieg in der Ukraine zu verlieren. Rußland darf nicht gewinnen. Die Westmächte würden ihr politisches Erbe verwirken.
Zweitens: Die Position Europas und des kollektiven Westens in geopolitischer Hinsicht würde sich zu sehr verschlechtern. Die öffnete, drittens die Büchse der Pandora für weitere Feindseligkeiten gegen den kollektiven Westen in der Zukunft.
Aber nehmen Sie die andere Seite.
Wenn Putin den Krieg verliert, wird er persönlich alles verlieren. Er wollte eine Art gemeinsamen Nenner für Iwan, Peter den Großen und Katharina die Große schaffen.
Dieses Erbe wäre dahin.
Und Rußland würde, drittens, nicht mehr existieren und nicht mehr so gestaltet sein, wie es heute ist.
Wenn also beide Seiten in diesem Krieg so weit voneinander entfernt sind, mit ihren Wünschen, mit ihren Erwartungen, dann sieht man, das alles auf dem Spiel steht.
Alles steht für beide Seiten auf dem Spiel. Keiner kann sich eine Niederlage leisten.
Deshalb habe ich öffentlich gesagt und es nicht verschwiegen, daß wir einer echten Katastrophe näher kommen.
Doch da sind wir schon bei einer weiteren Frage:
Wer ist bereit eine Millionen, zwei Millionen, fünf Millionen, zehn Millionen oder fünfzehn Millionen Menschen zu verlieren?
Fragen Sie sich selbst.
und
Ich kann nicht von einem Dritten Weltkrieg sprechen, aber von einer großen Konfrontation.
Wie weit wir sind?
Ich glaube, daß wir davon nicht mehr weit entfernt sind. Nicht länger als drei oder vier Monate. Und es besteht die Gefahr, daß dies schon vorher geschieht.
Auszug Seite 22:
Wenn ich anfange über die Vergangenheit und über das serbische Volk zu sprechen, sagt jeder im Westen: „Okay, dieser Typ ist vergangenheitsorientiert, rückwärtsgewandt und bla, bla bla.“ Ich werde das einfach übergehen.
Das eigentliche Problem ist heute, daß die Menschen diese Art von Doppelmoral am meisten hassen, die der Westen in Bezug auf das Kosovo und die Ukraine an den Tag legt. Das werden Sie hier in Belgrad immer hören, von absolut jedem.
Als sich das Kosovo von Serbien löste, galt die territoriale Souveränität unseres Landes nichts. Bei der Ukraine ist genau umgekehrt.
Wir brauchten eine Kompromißlösung. Wir waren nahe dran an dieser Kompromißlösung. Doch das wollten sie nicht.
Von Kompromißlösungen sind wir heute weit entfernt.
mfG
nereus