PS: ... und immer bleibt die Frage unbeantwortet: 'Wann' hat 'wem' die 'Lizenz zu Staat', …

Ostfriese, Mittwoch, 13.03.2024, 19:37 (vor 45 Tagen) @ Weiner748 Views

Hallo Weiner

Viele Dank für Dein Posting. Es führt mich zunächst zu @Zandows - erinnert sei an dieser Stelle an seinen bemerkenswerten Beitrag über Zeit, Wert & Preis - Darlegungen in

https://archiv.dasgelbeforum.net/ewf2000/forum_entry.php?id=329448 Interpretationen verfasst von Zandow, 20.08.2005, 00:53

Das Schöne an dottores Theorie ist doch, daß er zu jedem Punkt Belege liefern kann. Seine Erkenntnismethode ist hauptsächlich historisch, nicht nur theoretisch (siehe dazu den Methodenstreit zwischen Menger und Schmoller Ende 19.Jhh.). dottore hat bisher jedes Gegenargument mit archäologischen, ethnologischen, schrifttümlichen usw. Belegen widerlegt. Bei der Betrachtung von Artefakten und Schriften sind natürlich unterschiedliche Interpretationen möglich. Diese sind jedem freigestellt. Doch aus einer anderen Interpretation, als der von dottore, eine in sich geschlossene Theorie zu präsentieren, ist bisher niemandem gelungen. Du bist herzlich eingeladen, dazu einen Versuch hier im Forum zu starten.

Ich bin wie zB. @Beo2 der Auffassung, dass es prinzipiell die Option gibt, einen Staat auch so auszulegen und zu gestalten, dass beide Seiten, Beherrschte und Herrschende zufrieden sein können (u.z. ohne, dass die Beherrschten etwa medienmanipulierte Vollzombies oder physisch angekettete Vollsklaven sind).

Zum Thema Staat und Beherrschte und Herrschende möchte ich dottores Beitrag Re: Lizenz zum Eigentum, zur Waffe und zum Staat - dottore, 10.08.2006, 15:47 gerne vollständig zitieren.

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→ Hi Cujo,

das (schwierige) Thema angesprochen worden. Vielleicht in https://archiv.dasgelbeforum.net/ewf2000/forum_entry.php?id=360990 Re: Denkt auch mal ueber die Biedermeierrepublik hinaus... verfasst von Cujo, 10.08.2006, 00:53?

Die Diskussion nach Deinem Posting ist sehr lehrreich. Nur habe ich das Gefühl, sie setzt bei etwas an, das eben nicht am Anfang steht: nämlich Eigentum und dem zwangsläufig sich daraus ergebenden Staat. Dabei:

Phase 1: HERRscher ist Erst- und Alleineigentümer. Er herrscht (inkl. seiner Clique) mit Hilfe von Waffen, über welche die Beherrschten nicht verfügen, da sie sonst nicht beHERRscht wären, also dem HERRscher gegenüber - in welcher Form auch immer und auf welche Umstände auch immer lautend verpflichtet sind. Die Waffe, worauf @Holmes scharfsinnig hingewiesen hat, schafft immer eine neue Lage. Sie ist das primum movens der Geschichte. Waffe definiert nicht als Jagd-Waffe, sondern als Mann-Waffe, zunächst eingesetzt (und heute noch von verfeindeten Stämmen eingesetzt) als Instrument des Man-Huntings, in dafür geeigneten Environments (weite Flächen, Flusstäler usw., nicht schwieriges Gelände wie z.B. Neu-Guinea) des Man-Farmings. Die Unterworfenen sind als Kriegsgefangene oder Sklaven nur bedingt zu gebrauchen (Überfremdungsgefahr, innere Aufstände, etc.). Idealerweise bleiben sie vom Kerngebiet getrennt (Provinzen, Kolonien) und werden durch Androhung von Waffen-Einsatz (Sanktion usw.) kirre gemacht. Auf die entsprechenden Tribut- und Zinnß-Phänomene wurde schon intensiv eingegangen.

Phase 2: HERRscher zediert innerhalb seines Machtareals Eigentum bzw. Eigentumsrechte - Privilegia - zum Zweck des Machterhalts, behält aber das Obereigentum, letztlich definiert durch das (erst HERRschafts-, dann) Staatsgebiet, das bekanntlich nicht herrenlos ist, also eine res nullius. Alles, was Grenzen hat, ist Eigentum. Unbegrenztes oder grenzenloses Eigentum ist nicht definierbar, siehe schon Rousseau, u.a. Zur Entstehung von Staatsgrenzen siehe v. Creveld. Ober- und Untereigentümer verfügen zunächst über in etwa gleiche Waffen, zumal die Untereigentümer zum Waffendienst zugunsten des Obereigentümers verpflichtet sind, was im Rahmen der Zession gemeinhin vereinbart wurde. Selbst mittelalterliche Großklöster (Fulda usw.) mussten noch entsprechende Kontingente stellen, vgl. LeGoff. Von Jagdwaffen kann schon seit der Vor- und Frühantike keine Rede mehr sein: Mit Dolch und Schwert ist schlecht jagen, mit Streitwagen (vgl. die Protzerei der Pharaonen damit, vgl. die erste große Kriegswaffen-Schlacht bei Kadesh https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Kadesch auch nur bedingt. Spätestens mit der Phalanx kann auch mit einem noch so feinen Waffenschein kein Bürger jemals kaufen (Kadenz 950 Schuss/Minute!).

Die Tatsache, dass das Waffentragen ein Vorrecht des Adels geblieben war und die Untertanen bei ihren Gegenwehr-Versuchen entweder mit dem Dreschflegel beginnen mussten (Bauernkriege) oder die Zeughäuser stürmten (französische Revolution) und vor allem die scharpff metz - das klassische Geschütz, das u.a. die Schlacht von Frankenhausen 1525 zugunsten der staatlichen HERRlichtkeiten entschied.

Phase 4: Die Kleinwaffen im Publikum (wie weit auch immer verbreitet bzw. zugelassen, vgl. BoR) führt zum Wunsch nach Sicherheit. Von der Angst profitiert der Staat, der seinerseits stets aus Waffengewalt hervorgegangen ist und sich nach außen nur als bewaffnet definieren lässt. Der Staat verheißt nun Ruhe und Ordnung und findet dafür breite Zustimmung. Logisch. Wiewohl die völlige Sicherheit pure Illusion bleibt, ist ihr Versprechen inzwischen zur Legitimation des Staates schlechthin geworden. Der Staat verspricht das Ende der inneren Gewalt, die der Bürger nur noch als von seinesgleichen ausgeübt erkennen kann, womit die Gewalt nach innen , die er selbst sanktionslos ausübt gänzlich aus dem Blickfeld verschwindet.

Phase 5: Der Bürger wird mit dem Recht auf Sicherheit abgespeist, ist aber nicht mehr in der Lage zu unterscheiden, dass der Grund zur Erklärung dieses Rechts die maßlosen Übergriffe des Gewalt- und Waffenmonopols des Staates gegenüber dem internen und externen Nichtstaatssektor war. Die viel beschworenen Menschenrechte haben nicht den bösen Nachbarn als Adressaten (dafür gibt es alle möglichen Sanktionen, von Strafgeldzahlungen über Spiegelstrafen, von sozialen Ächtungen - Erklärung der Vogelfreiheit - bis hin zu modernen Strafgesetzbüchern). Der Adressat ist der mit allermodernstem Equipment (einschließlich Massenvernichtungswaffen aller Couleur) ausgerüsteten Staat, der seinen Macht- und sonstigen Gelüsten jederzeit freien Lauf lassen kann.

Phase 6: Da für den Einzelnen immer und überall Gefahren drohen, auch solche, die nichts mit Waffeneinsatz zu tun haben, sondern mit normalen Wechselfällen des Schicksals, lädt der Einzelne auch den Schutz vor diesen Fährnissen auf den in seinen Augen allmächtigen Staat ab, der seinerseits mit weiteren Versprechungen (Wohlstand für alle, sichere Renten, Bürgergeld, Rechtsansprüche auf Solidarität von Staats wegen, usw.) von sich her macht und Kritiker überdies mit dem Hinweis darauf abspeist, man könne jederzeit die herrschende Clique wechseln. Dass zu dieser gewechselt wird, sobald sie noch mehr Sicherheit verspricht, versteht sich von selbst. Um das Ganze im Sinne des Obigen noch abzuschmecken, wird der private Waffenbesitz mehr und mehr verboten. Der Bürger mutiert so zum de facto rechtlosen Leibeigenen des HERRschaftssystems und unterscheidet sich nur noch in einem Punkt von Hörigen früherer Feudalismen: Er kann den HERRN wechseln, indem er sich vom Acker macht, alias das Staatsgebiet wechselt. Wobei er oft genug (zu spät) erkennt, dass er vom Regen unter Umgehung der Traufe gleich in der Jauche landete.

Staatliches Obereigentum, staatliches Top-Waffen-Monopol und die sog. bürgerliche Freiheit lassen sich in keinem wie auch immer konstruierten Gesellschaftssystem vereinen. Wie das Wasser zu seinem tiefsten Punkt streben solche Ensembles immer wieder auf die umfassende Staatsallmacht zu. Da sich diese aus x-fach vorgetragenen Gründen in sich selber scheitern muss, ist es also eine Frage der Zeit, wann der Kreislauf der Staatsformen (Polybios usw.) seine Runde vollendet. Um zur nächsten zu starten. Gut möglich, dass die aktuellen Vorgänge dieses Rondo beschleunigen, weshalb man es nicht nur kritisieren, sondern vielleicht sogar begrüßen sollte?

Lacht heute, morgen wird’s ein anderes Lachen sein (spanisch) + Gruß!

… alias der Souveränität gegeben?

Der Staat schneit einfach so herein, vgl. GG:

Artikel 20

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

[Woher kommt die Bundesrepublik Deutschland? Wer hat sie denn errichtet? Als Staat oder als was? Wer hat ihre Existenz bestimmt? Wenn sie ist - wie kommt es, dass sie ist? Die Erklärung was sie ist, erklärt mitnichten, dass sie ist.]

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.

[Wenn sie vom Volk ausgeht: Was war, bevor sie ausgegangen ist? Wann hat das Volk das Ausgehen - Klartext: die Zession – der Gewalt beschlossen, verfügt, sich abschwatzen lassen? Was ist das Volk? Ein Volk? Ein Staat? Wie kann ein Volk eine Staatsgewalt generieren, wo es doch ein Volk ist und ein Volk bestenfalls eine Volksgewalt haben kann?]

Darüber lassen sich die GG-Kommentatoren leider nirgends aus...

https://archiv.dasgelbeforum.net/ewf2000/search.php?search=Staat+und+Beherrschte+und+He...

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Gruß - Ostfriese


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