Macht & Debitismus - @dottore ↔ @moneymind: Wenn irgendetwas "ökonomisch" ist, dann …
Hallo n0by
Und, was haben Leser und Autor von solchen Sätzen?
Paul C. Martin
einerseits in
https://archiv.dasgelbeforum.net/ewf2000/forum_entry.php?id=350036 Re: Ist der Bürger ein "Staat"? verfasst von dottore, 20.03.2006, 17:18
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→ Hi moneymind,
besten Dank auch diesmal.
Gut, dann müssen wir einen Weg finden, dies schlüssig ins Gesamtbild der antiken Entwicklung einzubauen. Es stehen dafür ja Szenarien verschiedener katastrophischischer Autoren zur Verfügung (siehe mein letztes Posting), die man sich näher ansehen und im Hinblick auf Plausibilität vergleichen könnte.
Ja, weites Feld. Da anzunehmen ist, dass die Mesopotamien-Entwicklung die Latte der Kramer'schen "Firsts" korrekt abbildet und nach allem, was wir wissen, dem graeco-römischen Beritt vorangeht, wäre der Katastrophismus sub specie Innerasien (Bronze-Erfindung in Muschiston, Tadschikistan) zu untersuchen. Immerhin liegt der Bergbau dort (inkl. Zinn) in ca. 2600 m Höhe. Frage wäre: Was hat die Jungs von dort ins Tal und schließlich in die großen Flussniederungen getrieben? Dass es in Mesopotamien Katastrophen gegeben hat ("Ishtar") wird nicht bezweifelt. Aber wie hängt das mit den sog. "aus Innerasien einwandernden (!) Stämmen" zu tun. Das noch für die Hethiter, bronzezeitlich.
(...)
Mir scheint, daß sich die scheinbaren Widersprüche, die Sie im Heinsohn'schen Szenario erkennen, auflösen lassen, sobald man dieses in zusammenhängender Gänze betrachtet und zur Kenntnis nimmt. Dann ergibt sich (aus meiner Sicht) durchaus ein recht schlüssiges Gesamtbild, das nicht nur eine Erklärung für die Entstehung der "Freiheit" und Privatautonomie, sondern auch der "Macht" und von "Feudalsystemen" bietet (letzteres allerdings zeitlich der "Freiheit" vorhergehend und als Reaktion auf eine VOHERIGE, WEITERE Katastrophe).
Gegenthese: Die ex Innerasien sind katastrophenunabhängig ("psychisch stabil") bzw. vor den Katastrophen angerückt und haben mit Waffenmacht unterworfen. Ich halte das Unterwerfungsphänomen für originär, sonst müssten wir auch mit immer weiteren "vorherigen" Katastrophen operieren. Die Ursachen für diesen "Machttrieb" (s.a. unten) könnten wir eher in der schon diskutierten Neocortex-Auswölbung (hohe Stirn usw., siehe "Science" September 2005) sehen oder in dem, was Julian Jaynes ableitet, auf den @Rudow schon hingewiesen hatte. Danke übrigens ihm dafür.
(Eine recht übersichtliche Zusammenfassung von Heinsohns diesbezüglicher Sicht findet sich in seinem Buch "Die Sumerer gab es nicht", S. 156-162; kann ich gerne einscannen und per mail schicken).
Ist vorhanden, Danke.
Und es ergeben sich auch durchaus Ansatzpunkte, Kontinuitäten und Diskontinuitäten zwischen dem Feudalsystem und dem darauffolgenden "bürgerlichen" System klarer in den Blick zu bekommen.
Darf ich mich nur auf die Kontinuitäten beschränken? Stichwort: Warum hat Romulus sein Schwert nach der Roma quadrata nicht weggeworfen? Warum wollte er weiter herrschen?
Lassen Sie mich das im Einzelnen zunächst anhand Ihrer "großen Fragen" erläutern.
Wie kommt es überhaupt zum praekatastrophischen Feudalismus, wenn nicht auf dem oft genug beschriebenen Weg über die überlegene Waffentechnik (Bronze in der Alten, Obsidian, Hartkupfer-Tumi in der Neuen Welt) → Unterwerfung → Abgabenerzwingung?
Im H-Szenario gibt es m.E. keinen PRÄ-katastrophischen Feudalismus. Feudalsysteme mit Priesterkönigen (siehe den von Ihnen zitierten 1990er Text, "The Rise of Blood Sacrifice ..." und ausführlich in "Die Erfindung der Götter"). Vielmehr gibt es dort einen "bronzezeitlichen Feudalismus, der als Antwort auf Katastrophen am Ende der Jungsteinzeit entsteht" (Eigentum, Zins und Geld, S. 111).
Da teilen wir uns. Die Bronze als überlegene Waffe führt zum Feudalismus. Die Waffe ist nicht die "Antwort" auf Katastrophen. In Amerika gab's ebensolchen Feudalismus (Abgabenwirtschaft) und die waren noch Obsidianer, wenn es auch in Ansätzen Hart-Kupfer-Geräte bzw. -Waffen gab ("Tumi").
(...)
Es gibt eine SERIE von Katastrophen im (an Velikovsky angelehnten und mit den archäologischen Zerstörungsschichten argumentierenden) H-Szenario.
Da gab's schon was zum Zerstören - Feudal-Relikte (Tempel, Paläste).
Deren ERSTE führt zu Feudalsystemen (siehe der oben erwähnte Artikel).
Der sich widerspricht. "Freie" nach Katastrophe oder Priesterfeudalismus nach Katastrophe?
Die Legitimation der Herrscher ergibt sich nicht aus Waffengewalt, sondern aus der "Heilungsmacht" - dem Design und der Durchführung von Angstbewältigungsritualen (für Heinsohn: Ursprung von Theater, Kunst etc.), sowie aus der astronomischen Kompetenz der Priester, weitere Katastrophen vorherzusagen (Ursprung wissenschaftlichen Denkens: Abstraktionen + Geometrie wurden demnach zur Beobachtung von Bewegungen von Himmelskörpern entwickelt).
Gegenthese: Himmelskörperbeobachtungen --- Kalender. Grund: Terminsetzung unzweideutig machen. Warum sollten die Olmeken sonst ein Observatorium auf dem Monate Alban errichtet haben (ganz unkatastrophisch)? Im ganzen Olmeken-Bereich finden wir keinen Katastrophismus, paar Erdbeben ausgenommen - aber das ist nichts "Kosmisches".
Feudalsysteme entstehen nicht überall! Anderswo geht es auch mit Stämmen weiter.
Ja, aber das ist eben nicht die Linie, die zum "unserem" Kapitalismus führt. Der ist ohne vorangegangenen Feudalismus (unter gleichzeitiger Übernahme dessen Grundelemente, wie Abgaben, Eigentum, zediert, Zins, Geld usw.) nicht rekonstruierbar. Den Heichelheim'schen Steinzeit-Kapitalismus (Märkte usw.) hat Hudson als Hirngespinst enttarnt.
Die LETZTE der Katastrophenserie führt zu den Revolutionen der freien Männer - wiederum nicht überall.
Woher hätte man das wissen können, das es die "letzte" war? Außerdem lt. Heinsohn "Katastrophe → Priester-Feudalismus".
Anderswo geht es mit Feudalsystemen weiter, die allerdings NACH dem Ende der Katastrophenserie ihre Legitimation verlieren
Die Feudalismen, die z.B. Diamond untersucht (schon z. T. zitiert) verlieren ihre Legitimation nach Umweltkatastrophen (keine kosmischen), vor allem nach langen Dürren, sehr beindruckend die Anasazi-"Kaiser".
und Katastrophen-Prophezeiungen nun nur noch zu Machterhaltungszwecken einsetzen - und hier dürfte dann womöglich auch Waffengewalt ihren Platz finden.
Man spart die Waffe auf für einen Fall, den man gar nicht festmachen kann? Woher sollten denn die Post-Katastrophen-Herrscher gewusst haben, dass ihnen der Sturz blüht? Sie hatten es noch nie erlebt und es gab auch keine Überlieferung von früher zu solchen Szenarien. In Amerika finden sich nirgends "Sturz-Spuren" - die Leute sind einfach abgezogen.
(...)
Mögliche Sichtweise (von mir derzeit für plausibel erachtet): Katastrophe zerstört alte Sozialstruktur und erzeugt dabei natürlich Leid, aber auch "kreatives Chaos": einen instabilen und weitgehend "regellosen" floatenden Systemzustand, ein Stadium of Possibility, in dem viele verschiedene mögliche weitere Entwicklungspfade existieren, sodass nicht vorhergesagt werden kann, wie die Entwicklung tatsächlich weitergehen wird; kleine Unterschiede können in einem solchen Systemzustand große Wirkungen haben.
Also nach Heinsohn loc. cit. kommt es zu nach der "zerstörenden" (kosmischen!) Katastrophe zur Priester(königs)-Herrschaft.
Die Stärke der katastrophischen Erklärung ist ja gerade, dass sie die historische Entwicklung verständlich machen kann (selbstverständlich nur ex post-Plausibilität/Schlüssigkeit!!!). OHNE auf allgemeine Gesetzmäßigkeiten zurückzugreifen (ie evolutionistische Modelle, bei denen dann die Frage offenbleibt, wieso es nicht überall von selber zur "höheren Stufe" (f. Stamm Feudalsystem, für Feudalsysteme bürg. Ges.) gekommen ist oder kommt.
Die Stärke der Waffenmacht-Erklärung überzeugt mehr. Der Erfolg stellt sich sofort ein: Die Unterworfenen buckeln jetzt für die Unterwerfer - Evolution = null. Das geht sofort los.
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Vorteil dieses Szenarios ist für mich gerade, dass Heinsohn für die Erklärung der "Macht" (Details dazu müssten wir noch diskutieren) auf eine zirkuläre Argumentation verzichten kann (Macht wegen Machtwille --- das dormitive Principle lauert!).
Nicht wegen "Machtwille". Der Waffeneinsatz (tatsächlich/angedroht) zahlt sich sofort aus: An den Waffenhalter wird geliefert/geleistet. … andere für mich malochen zu lassen, was ich sofort erzwingen kann (Stufenfolge von mir aus nach Oppenheimer).
Die historische Sicht und die Katastrophen führen heraus aus dem logischen Zirkel. Hier liegt eine große Stärke des (natürlich hypothetischen und diskutablen, aber trotz seiner Unvollständigkeit in vieler Hinsicht für mich schlüssigen und plausiblen) Szenarios.
Wieso logischer Zirkel? Kann ich mit einer Waffe sanktionslos andere zwingen - dann tu ich's doch. Macht ex "Kosmos" < Macht ex Schwert.
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Gern weiter zu Heinsohn ein andermal. Schade, dass er nicht dabei ist.
Wo in der Antike finden wir eine Ideologie der "individuellen Freiheit" (die doch für jedermann, inkl. Sklaven, Hintersassen, usw. gelten müsste)?
Ideologien der Freiheit bei Griechen und Römern doch kein Geheimnis (freie Bürger Athens). Daß die Freien privilegiert waren, ebenfalls nicht.
Das "Privileg" war das Waffen-Monopol. Die "Unteren" hatten nichts dergleichen.
Dazu nur kurz Richard Pipes:
"It was in Greece that there emerged, for the first time in history, the
phenomenon of citizenship with its fusion of rights and obligations. It ist
in ancient Greece, too, that we find the earliest evidence of agriculture
pursued largely by indepenent, landowning farmers, forerunners of the
English yeomanry... ever since the days of Solon, these independent farmers
were considered freemen (eleutheroi), exempt from the duty of paying tribute
or providing service to the aristocrats. The labored for themselves, and
this economic independence became a hallmark of freedom." (R. Pipes,
Property and Freedom, p. 99f).
Ja Pipes. Die Machtkosten (für die "eleutheroi") wurden externalisiert. Attische/spartanische "Staatseinnahmen" ex Tributen (attischer "Seebund", Messenien).
Pipes zitiert darauf noch den Historiker Victor Davis Hanson ("The other
Greeks", New York 1995, S. 3):
"The rise of independent farmers who owned and worked without encumbrance
their small plots at the end of the Greek Darkt Ages (c. 750 b.c.e.) was an
entirely new phenomenon in history..." (zit.n. Pipes, Property and
Freedom, p. 101)
Nein. Die familiäre Produktionsweise (Dorfgemeinschaft u.ä.) haben wir schon lange vorher in Mesopotamien, siehe Bernbeck. Außerdem hatten sogar die Unterworfenen noch ihren "small plot" (Subsistenzland).
Pipes kommentiert:
"If we add to this information the fact that Athenian citizens were not
taxed (!), considering taxation a hallmark of lower status, the correlation
between landownership, citizenship, and democratic participation is
striking." (Pipes, a.a.O., 101).
In Athen durften die Metöken durchaus nicht "demokratisch partizipieren". Die attische Demokratie war die Herrschaft des "demos" (= Teil des Obereigentümer-Feudalismus). Dass die attischen Bürger nicht besteuert wurden ist ein Märchen, siehe Wagschall. Mit den Tributen allein kam man nicht aus.
Und, wieso "für alle gelten müsste" (ihre Frage oben)? Die Verallgemeinerung der Freiheits-Chose ist doch erst eine moderne Entwicklung, die können Sie doch nicht auf die Geschichte zurückprojizieren. Nein, nicht "für alle gelten müsste" - das normative "für alle" ist eine moderne bürgerliche Ideologie! Im Gegenteil, in der Antike: absolute Ausnahme, der Sonderfall - und eben nicht "für alle". Sondern nur für freie Männer, freie Bürger.
Und das waren eben nicht alle, die im Machtareal wohnten. Der "Freie" war die Minderheit. In einer Voll-Diktatur ist auch nur der Diktator frei (Hitler war als einziger Deutscher von der Steuer befreit).
Diese Freiheit ist - angesichts der von mir schon beschriebenen Dominanz des Sozialsystems als Träger der biologischen Entwicklung über die Generationen hinweg - das eigentliche historische Rätsel, das zentrale Explanandum (was Marx gesehen hat, aber eben nicht schlüssig erklären konnte - und Marx´ unschlüssige Erklärung war Heinsohns Ausgangspunkt).
Der "Freie" ist der Angehörige des Zwing-Waffen-Clans. In der gesamten Antike die Minderheit.
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Die Einführung der "Population" ist gut! Dass damit die Entindividualisierung als Perma-Zustand läuft (hat sogar Anklänge an Schopenhauers "Willen"), ist aber auch klar.
Ja, völlig klar. Sage ja: Freiheit ist immer in Gefahr, feudal überwuchert und verdrängt zu werden.
Genau umgekehrt. Der Feudalismus ist stets in Gefahr, "Freiheiten" gewähren zu müssen. Ich hatte das schon mal für Bayern ab Otto ausführlicher dargestellt - alle Herrscher mussten "Freibriefe" ausstellen, die ihre Macht einschränkten. Sind alle (denkbaren) "Freiheiten" vergeben, geht's wieder retour, siehe aktuelle Entwicklung in den heutigen "Demokratien".
Doch vor der "Entindividualisierung" steht erstmal die postmoderne "Durch-Individualisierung" sämtlicher westlicher Lebensstile, wie Marx ("Atomisierung") ganz richtig gesehen hat (inclusive Familienzerfall/Verzicht- den Marx noch nicht erkennen konnte). Dann steht - logischerweise - wiederum eine Ent-Individualisierung bzw. "Kollektivierung" an, die Rücknahme des Individuums in den sozialen Zusammenhang (zurück zu Familie und ggf. größeren Gemeinschaften). Kann man durchaus mit Marx als "Negation der Negation" betrachten.
Ja, das passt schon besser.
Und klar auch: Wieso dann Kannibalismus innerhalb der Population?
Mir nicht klar! Erbitte Erläuterung. Danke.
Quelle zuletzt Diamonds "Kollaps".
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Freiheit als "Einsicht in die Notwendigkeit" (ex Spinoza?, Hegel, Engels).
Das ist wiederum an anderer Freiheitsbegriff, bezieht sich bei Engels auf Erkenntnis von Naturgesetzen generell (vgl. Dialektik der Natur, MEW 20). Wir müssen da verschiedene Freiheitsbegriffe verschiedener Herkunft klar unterscheiden - jeweils danach, worauf sich die "F." jeweils konkret beziehen soll, und worin sie konkret bestehen soll.
Bei mir: Ausschließlich von den Machthaltern zum Machterhalt zedierte Freiheit(en) (auf den Bannern der Bauernkriege "fryhait"), Untereigentum, "Privilegien" (vgl. Ravenna-Mosaik), "Charter" aller Art von der Magna Carta über die Company-Charters ab 16. Jh. in England bis zu "freiem Handel" (keine Zölle, vgl. Cobden-Vertrag) usw.
Jetzt auch noch einen Religions(gesellschafts)-Vertrag? Der andere ist schon windig genug.
LOL! Meinte keinen Religionsgesellschaftsvertrag, sondern die "Staatsgründung" der postkatastrophischen "freien Männer", die damit ihre Freiheit auf Dauer stellen woll(t)en.
Moment bitte. Lt. Heinsohn erscheinen postkatastrophisch die "priest kings".
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Ja, volle Zustimmung - hier in der Tat Machtzession des Autokraten, der eine quasifeudale Rolle behält, von oben. Und selbstverständlich lassen sich etwa im US-Präsidenten Züge eines Priesterkönigs erkennen, da gibt es ganz klare Kontinuitäten, gar keine Frage. Nur darf man m.E. nicht der Gefahr verfallen, angesichts der offensichtlichen Kontinuitäten die Unterschiede (Diskontinuitäten) zu übersehen.
Die Diskontinuität ist (für mich) ausschließlich, dass ursprüngliche Exklusiv-Machtbereiche zediert werden, siehe eben. Die Kontinuität dabei liegt darin, dass diese jederzeit wieder eingesammelt werden können (vgl. 14 GG). Es gibt kein ein für alle Mal privates Eigentum - dann müsste es Obereigentum sein - und damit ein neuer Staat. Der ist dann "souverän" = frei (sein "eigener Herr"). Solange bis halt wieder jemand einmarschiert und seien es nur UNO-Truppen.
(...)
Warum und wozu werden plötzlich Waffen eingesetzt?
Ausübung von ökonomischem Zwang (coercive power).
Ist das nicht zirkulär? Da muß man doch weiterfragen: aber wozu?
Ökonomisches Prinzip: Weniger eigener Einsatz (Kosten), mehr Ertrag (den andere zu produzieren haben). Schon der Jäger geht doch nicht aus dem Wald und sucht Wild am Meeresstrand zu jagen, sondern er geht in den Wald.
Woher plötzlich in der Geschichte dieser Wille zum Zwang, wieso vorher nicht und anderswo, wo es mit Stämmen weiterging, auch nicht?
Zu möglichen "Hirn"-Mutationen bitte oben. Ansonsten: Auf welche Gedanken kommt man wohl, wenn man eine nagelneue Bronzewaffe in der Hand hält?
Und warum zu einem bestimmten Zeitpunkt? Erfindung der Metallurgie reicht - dann schon kommts automatisch zur Waffe und zum Zwang?
Gegenfrage: Warum wurde dann der Waffenschmied (Daedalos, Wieland usw., in fast allen Mythen und "Sagen") monopolisiert? Just for fun oder weil man die Mann/Mann-Waffe selbst monopolisieren wollte.
Nein, überzeugt mich nicht, ganz und gar nicht. Machtwille/Unterdrückungswille wird nicht erklärt, sondern zirkulär vorausgesetzt. Sorry, da kann ich nicht folgen.
Okay. Dann Gegenfrage: Wenn das "ökonomische Prinzip" (um es mal so allgemein zu nennen), also möglichst Ertrag → max! Kosten → min! nicht schon bei den "Jägern und Sammlern" angelegt war - wann tritt es dann hervor, zumal es doch unbestreitbar bis heute hochlebendig ist?
Nicht "Machtwille", sondern Macht-Produktivität (= andere für sich arbeiten und leisten zu lassen - gegen deren Willen - statt selbst den Buckel krumm zu machen).
Das klingt für mich fast ein wenig Marxscher Materialismus/Ökonomismus durch. Unbefriedigend, weil wiederum zirkulär! Sie ersetzen den Marxschen Tauschtrieb halt durch einen "Machttrieb". Anderer Inhalt, aber dieselbe zirkuläre Struktur der Argumentation. Woher der Drang zu Produktivität?
Geht der Jäger nun ans Meer oder in den Wald?
Der ist doch gerade erst zu erklären, den können Sie nicht zur Erklärung von Machtausübung hernehmen. Ist zirkulär. Und eben dies nicht-zirkulär zu leisten, ist für mich eine der großen Stärken des Heinsohn-Szenarios, das es für mich (in groben Umrissen, nicht in jedem Detail) so überzeugend macht.
Dissens, siehe Obiges.
Anderswo ging es mit Stämmen weiter - was war und ist bei denen los mit dem "Produktivitätsdrang"? Nein, so funktioniert das nicht - rein logisch nicht, ganz unabhängig von der historischen Datenlage. Zirkulär. Das dormitive Principle lauert.
Oh, die Stämme waren nur in Ausnahmen "friedlich" (Hirtenvölker ohne Landbegrenzung). Ansonsten ununterbrochen Stammeskriege. Blut, soweit das Auge reicht.
Ja, aber zu Zwecken der Legitimierung und Dynastisierung, nachdem die Macht aus dem Status Nascendi herausfinden musste. Der Machthalter kann seine Macht nicht durch dauerndes Gemetzel in seinem Areal erhalten, dazu braucht er eben die "Überhöhung", vulgo Herleitung und Einverständnis einer "noch größeren (und immer mehr entmaterialisierten und entrückten) Macht."
Zuerst Macht, dann Erfindung der Religion, um die Macht zu erhalten? Erscheint mir unplausibel. Aber Frage: woher und wozu dann die Erfindung von Macht? Und warum nicht überall, sondern nur an manchen Orten (anderswo gings mit Stämmen weiter)? Und jetzt bitte nicht mit dem "Produktivitätsdrang" kommen, s.o.!
Mit mehr kann ich leider nicht dienen. Ich glaube auch nicht, dass die Gizeh-Quader auf Befehl der Pharaonen erst nach Mali geschafft wurden und dann zurück, dorthin, wo wir sie heute noch bewundern. Der Maya-Bauer ist mit seinem Sack voll Mais auf den Schultern auch nicht den Umweg über Kalifornien gegangen, sondern auf direktem Weg zum Ablieferungsplatz.
Und: wie lässt sich dieses Modell der Religionsentstehung (zum Erhalt vorgängig geschaffener Machtstrukturen) historisch belegen? Wo ist der präreligiöse Feudalismus (noch ohne Religion), auf dessen Boden dann die Religion geschaffen worden sein soll?
Lösung des vermaledeiten Legitimierungsproblems, die Pharaonen mussten da z.B. besonders aufpassen. Moses legitimiert sich doch geradezu klassisch mit seiner (zeugenlosen) Dornbusch-Story. Davor war er nichts weiter als einer der üblichen Stammesführer, der den "Weg kannte".
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Eigentum ist nie "frei" (feudal völlig unbelastet), Vertragsrecht hat jede Menge Grenzen ("sittenwidrig"), Geld = Machtderivat (Staatsmonopol).
Natürlich. Trotzdem qualitativ neues Prinzip. Ermöglicht / erzwingt Entrepreneurship, Innovation, kontinuierliche dynamische Entwicklung mit Revolutionierung der Produktionsmethoden (nicht nur Mehrprodukt, sondern permanente INNOVATION).
Läuft aufs selbe hinaus.
Dasselbe?!?
Innovation verdient doch nur den Namen, wenn sie Produktionsmethoden verbessert. Beispiel Dampfmaschine - und schon konnte das Wasser aus den Bergwerken gepumpt werden. Da die Anlage plus Befeuerung in Deutschland zunächst zu teuer war, der zeitliche Verzug.
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Wo man Unterscheidungen trifft (und welche), hängt vom Standpunkt und den Zielen ab. Wenn man eine allgemeine Machttheorie formulieren will, kann man natürlich Feudalsysteme und bürgerliche Systeme einfach gleichsetzen... fragt sich allerdings, was man für den Verlust an Unterscheidungsfähigkeit gewinnt. Ich persönlich wüsste nicht, was. Deshalb sehe ich die wesentlichen Unterschiede der Entwicklungsdynamiken von feudalen und bürgerlichen Gesellschaften auch weiterhin, anstatt sie unter einem abstrakten und unscharfen Oberbegriff einzuebnen. So viel Unterscheidungsfähigkeit muß sein - schon aus entwicklungs-/modernisierungstheoretischer Perspektive.
Die bürgerliche Gesellschaft kann sich (da das ziemliche Maximum an "Freiheiten" errungen) logischerweise "dynamischer" entwickeln. Dabei ist sie aber dem Feudalismus (Staats-Obereigentum plus die anderen Staatskernmonopole, vgl. Max Weber zum Thema "Herrschaft") nicht entkommen. Klartext: Sonst wäre jeder Bürger ein eigener souveräner "Staat".
(...)
Ja - sehe ich genauso. Erstentstehung der "Freiheit" durch Katastrophen - die frei umherstreifenden Jungscharen; dann staatliche Sicherung dieser "Freiheit" (von traditionalen Solidar- und Abgabenpflichten) durch Revolution der freien Männer + Zerstörung des Feudaladels ---- Nutzung der Bürokratie durch Umfunktionieren für bürgerliche Zwecke, dafür Inkaufnahme feudaler Reste (Abgabensystem) zur Aufrechterhaltung des "freiheitssichernden" Staatssystems.
Bei Krisen? Nichts als Steuer-Vorabbezug (Staatsverschuldung).
Warum sind die feudalen Rechte nicht beseitigt worden? Konkret: Warum liegt das Etatrecht (Haushaltsgesetz, Einnahmen/Ausgaben) nicht beim Souverän, der doch angeblich das "Volk" sein soll? Macht und Geld...
(...)
Er (der Unternehmer) hat Freude am Schaffen, an seiner fixen Idee, seiner Kreativität.
Das hatten die Mumienkästen-Bastler auch, ebenso die Schmuck-, Amulett- und Statuettenhersteller - und nirgends war ein "Privateigentümer-Kapitalismus" in Sicht. Die Praekolumbianer waren klassisch unfrei - und ihr Kunsthandwerk ist bis heute unerreicht. Selbst in Idar-Oberstein weiß keiner, wie die das (jeweils Einzelstücke!) aus Granit, Jade, Basalt und anderen ganz schwer zu bearbeitenden Materialien hingekriegt haben. Einer sagte: "Vielleicht haben die an einer Figur ein Leben lang gearbeitet, vielleicht sogar mehrere Generationen..."
Völlig richtig! Kreativität als solche ist menschlich und hat mit Kapitalismus nichts zu tun. Kapitalismus richtet Kreativität auf spezielle (nicht-religiöse, sondern ökonomische) Ziele hin aus,
Just das versuche ich mit dem "ökonomischen Prinzip" auszudrücken = Produktivität → max!
(...)
Es (die realsozialistische Produktivität) scheiterte am fehlenden Preissystem. Nur das kann Knappheiten (und ergo den gewünschten "Nutzen") anzeigen.
Wenn allein ein "Preissystem" die Bedingung für Innovativität, Produktivität und Qualität (Trabbi vs. VW Golf) sein soll und kontinuierliche innovative dynamische Entwicklung auch in Feudalsystemen möglich sein soll --- wo ist dann das "Preissystem" des Inkareichs? Oder war das auch wegen dem "fehlenden Preissystems" weniger innovativ?
Kein Preissystem, klar. Weniger innovativ nicht unbedingt. Noch Humboldt hat ihr Straßensystem hemmungslos bewundert. Aber er hat keine Kosten/Ertragsrechnung angestellt für den gesamten Inka-Sozialismus.
Nein, was im Realsozialismus gefehlt hat, waren schlicht Eigentum, Vertragsfreiheit, Haftung, Schuldrecht und Geld, das auf vollstreckbaren Forderungen beruht und daher knapp ist.
Ohne ein freies Preissystem ließ sich noch nicht mal Staats-Eigentum bewerten. Die Mieten deckten die Kosten nicht mal annähernd.
Im Realsozialismus: Warenknappheit und Geldüberhang statt - wie im Kap. mit knappgehaltenem Geld - Geldknappheit und Warenüberhang (volle Regale, leere Geldbeutel).
Klar.
(...)
Nur sind die feudalistischen "Errungenschaften" (Zwingwaffen, Abgaben, Zins, Geld, Ober- vs. Untereigentum usw.) nach wie vor unsere freundlichen Begleiter.
Völlig richtig. Nur sollte man angesichts dieser unstrittigen Kontinuität die Diskontinuitäten (Unterschiede) zw. feudalen und bürgerlichen Systemen nicht einebnen oder übersehen.
Unterschiede graduell, nicht grundsätzlich. Das bürgerliche System ist nicht eins "als solches" oder ab ovo, sondern Ausfluss (Derivat) des Feudalismus. Der ist und bleibt das Kontinuum.
Herzlichen Dank und schönen Gruß zurück!
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Und andererseits JüKü
Bloß nicht! Er hat mir - endlich - ein Verständnis gegeben, wie und warum die Wirtschaft funktioniert! Dafür bin ich unendlich dankbar!
auf dottores leichte Ansätze der Resignation
https://archiv.dasgelbeforum.net/ewf2000/forum_entry.php?id=65983 Re: Tonkapseln: Erstes Geld ist kein Kreditgeld, und weitere Antworten - Dottore verfasst von JüKü, 09.06.2001, 00:17
Ach, Dimi,
langsam wünsche ich mir, ich hätte den Sch...debitismus besser für mich behalten.
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Gruß
d.
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Gruß - Ostfriese