Hallo FredMeyer
ist IMMER ein Blick zurück. Sonst bräuchte man die Formulierung vom Schlanken Staat nicht zu verwenden. Das Motto der hinter uns liegenden Zeit: Immer höher, immer weiter. Das zwänge doch implizit den Blick zurück, wenn man etwas in der Zukunft verbessern wollte. Den Blick nach vorne richten? So ganz ohne Rückbesinnung? Was lehrt uns die Erfahrung der Vergangenheit? Bekommen wir unsere Unschuld wieder zurück? Der Blick nach vorne ist oft damit verbunden, die unangenehme Entwicklung in der wir uns gerade befinden, wider besseren Wissens auszublenden.
Die Vergangenheit lehrt uns, dass es den Schlanken Staat im Sinne eines Minimalstaates nicht gibt – gemäß Paul C. Martin ist der liberale Minimalstaat wishful thinking.
— — — —
Ich halte das Problem von Staat und Macht für praktisch unlösbar, wenn es auch zumindest theoretisch versucht werden könnte:
Wenn wir Macht als Möglichkeit, bewaffneten Zwang zur Abforderung von Leistung auszuüben, definieren, dies logischerweise gegen den Willen jener, die gezwungen werden, müssen wir also fragen, ob es möglich ist, dass Leistung freiwillig hingegeben wird, damit Machtausübung
a) zum Erhalt der Ausübung von Leistung und
b) zur Verhinderung der unfreiwilligen Leistungshergabe möglich ist.
Unter a) fallen also sämtliche Bereiche des Privatrechts (Eigentum, Besitz, Kontrakt, Vollstreckung usw.), unter b) fiele das Strafrecht (Diebstahl, Raub, usw.).
Die Hergabe von Leistung dazu müsste gänzlich freiwillig geschehen, also von sämtlichen Teilnehmern befürwortet werden (das libertäre Prinzip der Nicht-Majorisierung!). Damit hätten wir ein Macht- und/oder Zwangsgebilde in Form eines Minimalstaates.
Die entsprechenden rechtlichen Grundlagen müssten ein für alle Mal festgeschrieben sein, da jeder Veränderung die Verschlechterung des Zustandes von mindestens einem Mitglied bedeutet, was sich logischerweise daraus ergibt, dass der Zustand (status = Staat, schönen Dank für den jüngst dazu gebrachten Hinweis hier im Forum, ich vermeine, es war von Dir oder von @André) sonst nicht geändert werden müsste oder sollte.
Wer nicht einverstanden ist (oder seine ursprünglich zustimmende Meinung ändert), muss den Status verlassen. Dabei lassen sich zahlreiche Varianten denken, z.B. Zuzugs- oder Abzugsgeld, wie in vielen Stadtrepubliken, auch Deutschlands, üblich gewesen, wobei dieser Status ziemlich stabil, wenn auch nur auf kleinem, begrenzten Nicht-Flächen-Staaten existierten (Ausnahmen gab's auch, z.B. Nürnberg).
Daraus ergibt sich ein Zwang zur Stabilisierung des Status (Bevölkerungskontrolle, Zunftsystem, ewiger Rat, usw.), der sich zwar auf Dauer ad absurdum führt (die Geschichte dieser Mini-Republiken verlief oft genug blutig), aber immerhin für möglich gehalten werden kann.
Eine wirtschaftliche Entwicklung könnte nicht stattfinden, genau deshalb war es auch den Zünften verboten, so etwas wie technischen Fortschritt oder neue Produkte einzuführen, woraus auch der große Rückstand Deutschlands etwa gegenüber England (Industrialisierung) resultierte. Die Fortschrittlosigkeit müsste also permanent in den Griff kommen - mir ist nur schleierhaft, wie. Aber sei's drum.
Die Dir vorschwebende Minimalmacht des Staates, die eine ununterbrochene Beibehaltung des Status (Gesetze, Machtausübung) zwingend erforderlich machen würde und die zu stagnierender Wirtschaft (= immer wird dasselbe von den zahlenmäßig immer gleichbleibenden Menschen in immer gleicher Qualität und Menge usw. hergestellt und verteilt) führt, eine Folge, die bei der Ur-Abstimmung ebenfalls bedacht sein will und entschieden werden muss, ist in Gedanken möglicherweise konstruierbar.
Ich bezweifle aber, ob sie die notwendige Zustimmung aller fände. Womit wir also wieder da sind, wo wir sind und waren. … dem Maximalstaat wieder eine Minimalstaat (gern revolutionär), dann wieder ein Maximalstaat (meist evolutionär).
Irgendwann ist jeder Status eben dran.
Die Republik Siena (siehe oben) ist ein sehr interessantes Studienmodell dazu (teils exzellente Quellenlage). Sie ging bekanntlich nach einigen Erfolgen (Montaperti) schließlich doch im 16. Jh. gegen die Republik Florenz unter, woraus der Großherzogtum Toskana erwuchs (Medici), das dann im 18. Jh. wiederum dank Aufklärung und vorzüglicher Wirtschaftspolitik aufblühte, um dann wieder im italienischen Staats-Fango zu versacken.
Und wieder isses nix mit der guten Regierung ...
Paul C. Martin - Re: Macht vom Staat trennen? Die gute Regierung (endlich mit Bild) in https://archiv.dasgelbeforum.net/ewf2000/search.php?search=Minimalstaat+und+M%C3%B6glic...
— — — —
Gruß - Ostfriese