Die Hintergründe des „Friedenswerkes“ der US-Sanktionen
Rechtsanwalt Dr. Johannes Hübner (FPÖ) hielt im Bundesrat, der Länderkammer des österreichischen Parlaments, eine Rede über die Geschichte, die Hintergründe und Wirkungen der Sanktionspolitik westlicher Regierungen am Gängelband der US-Politik. Faktenbasiert und mit seltener Klarheit wurde den USA und dem „Werte“-Westen die Maske der Heuchelei und imperialistischen Brutalität heruntergerissen: „Dass hinter der Vortäuschung einer Förderung des »Friedens«, der »Freiheit« und der »Demokratie« in Wahrheit nur ein einziges Ziel zählt: die absolute, bedingungslose Weltherrschaft“ und unbeschränkte wirtschaftliche Ausbeutung. (Le penseur) Wir bringen ein Transkript der wesentlichen Passagen des Videos.1
Dr. Johannes Hübner am 6.10.2022 im österr. Bundesrat:
"Was der Kollege Schneider hier gesagt hat, das kann so nicht stehen bleiben und kann auch nicht unwidersprochen bleiben. Zuerst einmal zu den Sanktionen an sich. Sie haben die Sanktionen dargestellt als ein Teil des europäischen Friedenswerkes, also ein Teil des Kampfes für Menschenrechte, gegen Gewalt, gegen Tötung, gegen Missbrauch, gegen Zerstörung, als ein genuin europäisches Projekt, das uns zeigt, wie die europäischen Werte den Putin-Werten gegenüberstehen.
Genealogie der Russland-Sanktionen
Herr Kollege, haben Sie jemals die Genealogie der Russen-Sanktionen verfolgt? Wissen Sie, worauf die zurückgehen? (…) Begonnen hat das Ganze im Juni 2017. Da wurde im amerikanischen Senat ein Gesetzentwurf der Demokraten eingebracht. Aber keine Kriege, nichts, Krim war lang vorbei. Der hat also den bezeichnenden Titel gehabt: „Countering Russian Influence in Europe and Eurasia“ (Dem russischen Einfluss in Europa und Eurasien entgegentreten). Das haben die Demokraten eingebracht, und dem sind dann die Republikaner beigetreten. Und das Gesetz ist im August 2017 beschlossen, vom amerikanischen Präsidenten unterschrieben worden, damals bereits unter dem trügerischen, aber doch auch enthüllenden Namen „Countering American Adversaries Through Sanctions Act“, das heißt: „Amerikanischen Gegnern durch Sanktionen begegnen“.
Dieses Gesetz sieht vor, dass Beschlüsse der USA zur Sanktionierung aller Staaten – man hat es nicht mal auf Russland beschränkt – internationales Recht darstellen und international durchgesetzt werden können und auch ausländische, insbesondere europäische Firmen, die gegen amerikanische Sanktionsbestimmungen verstoßen, amerikanisches Unrecht begehen und zivil- und strafrechtlich in den USA verfolgt werden können. (…)
Interessanterweise (hat) der damalige Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender Kern dazu gesagt: Es ist ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht. Es wurde in den Medien natürlich sehr wenig berichtet, auch diese Äußerung von Kern nicht. Das Gesetz wurde mit peinlichem Schweigen übergangen, weil es natürlich die Grundsätze einer offenen, rechtsbasierten Weltordnung auf den Kopf stellt.
Was ist daraufhin passiert? Am 29.1.2018 ist der erste sogenannte Report erschienen, und der hat vorgeschlagen, 96 Persönlichkeiten russischer Abstammung oder mit russischen Staatsbürgerschaften und mehrere hundert Unternehmen auf die sogenannte Sanktionsliste, die Blacklist, zu setzen. Tatsächlich wurden dann auch mit Beschluss der amerikanischen Häuser vom April 2018 29 russische Personen oder russischstämmige Leute und 17 Unternehmen auf diese Liste gesetzt. Und es ist interessant – das können Sie natürlich in der Kongressbibliothek einsehen – die Klausel 257 dieses Acts begründet ihn damit, dass es darum geht, ich zitiere jetzt wörtlich, „den Export von US-Ressourcen Vorrang vor anderen Exportströmen zu erwirken und dadurch in den USA Jobs zu schaffen.“ Also (das ist) der Hintergrund dieser ganzen Gesetze.
Die erste drastische Auswirkung war dann im Dezember 2017, wo gegen europäische Firmen, die bei Nordstream2 mitgearbeitet haben, Sanktionen erlassen wurden. Man hat einen eigenen Act schnell gemacht, der skurrilerweise geheißen hat „Protect European Energy“, und Protect European Energy hat als Hauptziel gehabt zu verhindern, dass weitere Gaspipelines auf dem Festland oder unter See errichtet werden können.
Man hat damit auch die Bauarbeiten an Nordstream2, dem ja zur Hälfte von Europa, auch von Österreich finanzierten Projekt zum Erliegen gebracht, indem man an (…) das Schweiz-holländische Gemeinschaftsunternehmen, das die … Arbeiten durchgeführt hat, einen Brief gerichtet hat, unterschrieben von den Fraktionsführern beider Parteien, der Republikaner und Demokraten. Damit wurde dem Vorstand mitgeteilt, dass das Unternehmen, wenn es nicht binnen 48 Stunden die Arbeiten an Nordstream2 einstellt, von den USA vernichtet würde. Das hat dazu geführt, dass die Firma die Bauarbeiten abgebrochen hat.
Nicht mal gegen diesen beispiellosen Eingriff in unsere Rechtsordnung hat irgendjemand reagiert oder protestiert. In Deutschland hat es zwar so lahme Beschlüsse gegeben, trotzdem am Projekt festzuhalten und darauf hinzuweisen, dass es zu 96 oder 95 % fertig ist und dass Milliarden bereits versenkt wurden. Einziges Ziel ist es gewesen sicherzustellen, dass keine Energie aus Russland oder aus Pipelines, die aus Russland oder Kasachstan oder vielleicht sogar dem Iran oder Aserbeidschan Festgas nach Europa bringen, fertiggestellt in Betrieb gehalten werden können. Es wird Ihnen vielleicht nicht entgangen sein, was mit den beiden Pipelines Nordstream 1 und 2 vor einer Woche etwa passiert ist.
Jetzt gehen wir mal weiter in dieser Sanktionspolitik. Die Sanktionspolitik hat ja auch dazu geführt, dass die Schweiz, die über 200 Jahre neutral war, ihre Neutralität aufgeben musste, aber nicht, weil die Schweizer gesagt haben: ´War schlechte Idee, jetzt schließen wir uns im Ukraine-Russland-Krieg den Ukrainern an`, sondern weil die USA der Schweizer Bundesregierung und führenden Schweizer Unternehmen de facto mit der Vernichtung gedroht haben, wenn die Neutralität nicht aufgegeben wird. Und tatsächlich hat die Schweiz nur wenige Tage Stand gehalten und sich den Sanktionen angeschlossen.
Sanktionen und Migration
Sanktionen überhaupt, Sanktionen als Mittel der Friedenspolitik? Da darf ich einmal die Grünen und auch die SPÖ (ansprechen), die ja immer davon reden, dass wir die Migrationsströme, Elend in der Dritten Welt in den Herkunftsländern der Migration dadurch bekämpfen müssen, dass wir vor Ort Hilfe leisten. So ist ja unsere Entwicklungszusammenarbeit begründet, so sind die 100 Millionen, die wir direkt und indirekt jedes Jahr dafür aufwenden, unter anderem auch begründet. Wie sieht das nunmehr aus? Nehmen wir uns drei Hauptherkunftsländer der Migrationsströme her, nehmen wir Afghanistan, den Iran und Syrien.
Das sind Länder, die seit Jahren, teilweise seit Jahrzehnten mit den schärfsten amerikanischen Sanktionen belegt sind. Syrien hat überhaupt die schärfsten Sanktionen, die es in der Geschichte gegeben hat, denen sich nolens volens die Europäische Union angeschlossen hat. Keine europäische Bank, kein Unternehmen kann es sich leisten, gegen den „Countering American Adversaries Through Sanctions Act“ und die beigeschlossene laufend aktualisierte Schwarze Liste zu verstoßen, weil das dazu führt, dass allen amerikanischen Unternehmen untersagt wird, mit diesen Firmen Geschäfte zu machen, die Beschlagnahme des Vermögens in den USA droht, und vor allem, die Abkoppelung vom internationalen Dollar-Transfer, also die Unmöglichkeit, in Dollar Geschäfte zu machen. Was das bedeutet, brauche ich nicht weiter sagen.
Dieses Land ist nicht in der Lage, irgendwelche Geschäfte zu machen, etwas zu finanzieren, Investitionen hereinzuholen. Und daher kehrt auch niemand nach Syrien zurück, nicht weil der Krieg dort tobt, - der ist seit Jahren mehr oder minder eingefroren – aber weil die wirtschaftlichen Grundlagen systematisch zerstört werden. Das einzige, was man hier hört, ist: ´Ach Gott, der Erdogan, der wird uns jetzt die Flüchtlinge schicken, der wird sie nicht behalten.` Ja die Türken haben drei, vier Millionen, die sich weigern zurückzukehren, weil sie dort keine Lebensgrundlage haben. Und die Gefahr besteht natürlich, dass die Türkei die nicht auf ewige Zeiten behalten wird.
Aber glauben Sie, irgendjemand in der Europäischen Union, diesem großen Friedensprojekt, oder in der großen Entwicklungshilfe-Szenerie kommt auf die Idee zu sagen: ´Bitte hören wir mit diesen Sanktionen gegen Syrien auf! Es gibt so viele Länder, die nicht perfekte Demokratien sind, die strangulieren wir ja auch nicht in einer Weise, dass die Bevölkerung flüchten muss.` - Nein, das wird nicht gesagt, weil es dem Grundkonsens des amerikanischen Imperiums und den hier gleichgeschaltet agierenden europäischen Akteuren widerspricht.
Afghanistan ist noch dramatischer. Nachdem die dortige, von den USA - sagen wir mal freundlich – eingesetzte Regierung innerhalb von drei Monaten nach Abzug der amerikanischen Besatzungs-Truppen kollabiert ist, hat man nicht nur aufgehört, Afghanistan irgendeine Unterstützung zu bringen, sondern eine der ersten Taten der USA war es, das gesamte Devisen-Guthaben der afghanischen Zentralbank zu beschlagnahmen – das waren ca. 4,75 Milliarden Dollar – so dass die lokale Währung „Afghani“ ungedeckt und praktisch wertlos gewesen ist, und Importe für die Afghanen unmöglich geworden sind. Die können also nur Naturalgeschäfte mit den Nachbarn machen, wo sie Früchte, kleine Mengen Mineralien liefern und dafür Lebensmittel und andere lebensnotwendige Güter erhalten.
Glauben Sie, das Friedensprojekt hat irgendetwas gesagt, ist in den USA vorstellig geworden und hat gesagt: ´Bitte gebt denen doch die Devisen zurück, holt euch die 4,75 Milliarden irgendwoher, aber nicht ausgerechnet von Afghanistan!?` Nein. Hier wird aber gefordert, egal ob im Parlament bei uns oder in internationalen Foren oder bei NGOs: ´Wir müssen die Quellen, die Wurzeln der Probleme in Angriff nehmen.`
Der Iran … steht seit 40 Jahren unter Sanktionen. Und diese Sanktionen, das weiß ja jeder, die treffen ja nicht die Führungsschicht, die treffen ja weder den Assad, noch die Mullahs, sie treffen den Durchschnittsbürger, insbesondere die verletzlichen unteren Einkommensschichten einer Bevölkerung, die keine Möglichkeit hat, auch nur eine basismedizinische Versorgung zu erlangen.
Mit dem Irak ist es ja ähnlich, der ist da eingesperrt unter lauter Sanktionskandidaten. Auch dort ist die Wirtschaft massiv behindert, abgesehen davon, dass das von den Amerikanern dort installierte System hinten und vorne nicht funktioniert und von der zur lokalen noch dazu importierten Korruption und Unfähigkeit der Leute zerfressen wird.
Wir sind also in einer Situation, wo wir wesentlichen Dingen gegenüber die Augen verschließen mit dem merkwürdigen Argument, das diene alles der Vermeidung von Gewalt und Übergriffen und sexuellem Missbrauch und so weiter. Völker strangulieren unsere eigene Bevölkerung massiv (und) massivst beschädigen (sie), senken das Reallohnniveau, (können) die Zukunft weder wirtschaftlich, noch energietechnisch, noch privathaushaltsmäßig in irgendeiner Weise absichern, und zu all dem - Schweigen. …"
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Quelle mit Anmerkungen:
https://fassadenkratzer.wordpress.com/2022/10/11/die-hintergrunde-des-friedenswerkes-de...