Elberfelder Elegie

Langmut, Montag, 24.01.2022, 22:26 (vor 815 Tagen) @ Naclador754 Views

Elberfelder Elegie

Die dunklen Wolken werden grauer,
ein kalter Wind bläst die mit Häme ins Gesicht;
und dich umfängt ein ewigbanger Schauer,
der deine Unbefangenheit zerbricht.

Du siehst die frühen Nächte nahen,
ein rauer Herbst verbirgt das Sonnenlicht im Nu.
Und tausend Raben hörst du stetig warnen:
„Denk nicht an sie, mach deine Augen endlich zu.“

Ach ja – die Seufzer werden stärker;
wie lang noch treibt dir dieser Schmerz,
die Sorgen, Mühen, Nöte in dein Herz?
Und wartest zitternd, staunend dort am Erker.
In dir pulsiert ein stummes Klagen, von keiner Träne je befreit,
sie richtet alles schier zu Grunde, die abgrundtiefe Traurigkeit.

Jetzt helfen dir nur stille Lieder
In dieser schalen, öden Zeit.
Hallo, da bist du endlich wieder,
du bittere Verdrießlichkeit.

Stehst unbewegt an einem frischen Grabe
und weidest dich an deinem dumpfen Weh.
Es rettet dich kein Glück und keine Habe.
Führt dich der bloße Zufall doch hinab zur See?

Zu viele Nächte hast du durchgezecht,
Zu viele Weiber folgten deinem Schritt
hinauf zu dir auf einen einz’gen Ritt.
Fast jede hat sich später grob gerächt.
Wer tröstet nun den blöden Kummer, wer hilft dir in der tristen Einsamkeit?
Ist das der Sinn all deiner Niederlagen? Die abgrundtiefe Traurigkeit?

Sehnst dich zurück nach scheinbar bess’ren Jahren,
und hoffst, dass sie bald einmal wiederkehr’n.
Mit schwarzen Rosen lockst du frische Fleischesware
und spürst in dir den ew’gen Leidenskern.

Dich hält kein sorgenvolles Beten,
verharrst in bodenloser Ironie.
Dein ernster Blick war selten so betreten,
doch wirklich heilbar bist du nie.

O Gott – musst du mich denn so plagen,
wiegt meine Schuld so tonnenschwer?
Es schwimmt ein böser Hai im Meer
und will sein Schicksal nicht ertragen;
lenkt seinen Weg mit leichter Fisch-Gelassenheit
zu mir und meiner abgrundtiefen Traurigkeit.

Langmut


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