Über welche Kompetenzen verfügt Dr. Krall eigentlich?
Alle Interviews, die ich bisher mit ihm gesehen habe, strotzen vor Fehlannahmen, Simplifizierungen und überholtem, libertären Denken (Österreichische Schule). Er verteufelt permanent "den Staat" und heiligt "den Markt" - kurz: ein Marktfundamentalist, wie er im Buche steht. So glaubt er - mal ganz abgesehen davon, dass "Sparen" und "Geld" keine eindeutigen Begriffe sind -, dass Sparen dem Investieren vorausginge.
Im ebenfalls kürzlich mit KenFM geführten Gespräch (hier auch im Gelben erwähnt) offenbaren sich seine denktheoretischen Schwächen. Er liefert viel heiße Luft. Die Pseudophilosophasterei von einer "Freiheit durch Bewusstwerdung/Geburt" und "einer Ordnung, die sich nach der Funktionsweise des Menschen und dessen Freiheit richte" und "der Mensch hat von Natur her/per Geburt ein freies Wesen zu sein". Bla. Darin steckt nicht die geringste Substanz, keinerlei Erkenntnis. Wovon frei? Frei, was zu tun? Was meint er? Wird er je konkret? Worin unterscheidet sich diese jetzige omniöse Freiheit von der vor 5, 40, 100, 300 und 2000 Jahren? Warum unterscheidet sie sich? Da kommt nichts.
Er spricht von "fundamentalen Menschenrechten" und von "Grundordnungen, die diesen widersprechen". Das ist dermaßen abstruses Gequatsche, dass man augenblicklich erkennt, dass sich Herr Krall weder mit Rechtshistorie (öffentliches Recht und Privatrecht) noch mit dessen ökonomischen Auswirkungen wirklich auseinandergesetzt hat, sondern längst überholten, (neo)klassischen Vorstellungen anhängt und dahingehend auch Smith heranzieht. Sein Gefasel von "der Natur des Menschen" ist ferner eine realitätsferne Pauschalisierung eines festgefahrenen (westlichen) Menschentypus, den er historisch rückprojiziert - banalster Universalismus. Als würden alle Menschen zu jeder Zeit den gleichen Prinzipien folgen und sich nicht den jeweiligen Begebenheiten anpassen und diese u.U. auch verändern - ein Wechselwirkungsprinzip eben. Ihm kommt so auch überhaupt nicht in den Sinn, dass Gesellschaftsformen und Reproduktionsformen außerhalb von Sozialismus und Kapitalismus existieren.
Sein starker Glaube an den freien Markt (der wodurch genau überhaupt frei ist? ), der alles irgendwie von selbst regelt (erneut Smith) macht ihn letztlich zum Sozialdarwinisten, der er selbst nicht sein will. Er lehnt das ja ab und solidarisiert sich mit Behinderten. Doch gleichzeitig sagt er, jeder könne sich auf dem freien Markt gegen jegliche (sonstigen) Risiken absichern (versichern) am Beispiel Unfall. Nein, das kann man und schon gar nicht jeder eben nicht und erst recht nicht dauerhaft. Dafür ist nicht nur das Leben an sich zu ungewiss, sondern die Möglichkeiten per se nicht für jeden gegeben (genetisch, soziales Umfeld, Fördermöglichkeiten, Verfügbarkeit über Eigentum, Kombination von Fähigkeiten+Interessen+Arbeitsangebot, allgemeine Rechtssicherheit, faire Behandlung+Bezahlung, you name it), was der freie Markt übrigens selbst erzwingt und ohne (staatliche) Regulierung bis ins Extrem steigern würde (eben auch Umweltschutzkriterien, die Krall pauschal mit einem Eigeninteresse der Eigentümer abwatscht).
Die Dialektik (der historische Widerstreit) von öffentlichem und privaten Recht wird von Libertären (et al) missachtet und die sich daraus ergebenden Widersprüche nicht benannt, nicht analysiert und damit wird es banales Stammtischgeblubber, wie man es von KenFM gewohnt ist, der diese Banalitäten mit seinem Schnellsprech zu überdecken versucht. Vor 5(!) Jahren habe ich ihn bei seinem Interview mit dem Wirtschaftslegastheniker Franz Hörmann auf eben diese Schwächen und dahingehend auf die Expertisen von Heinsohn, Martin und Bernbeck hingewiesen. Dass mein Kommentar nicht mehr öffentlich sichtbar und es bis dato nicht ein einziges Interview von ihm mit eben diesen gibt, spricht Bände.
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Gruß!™
Time is the school in which we learn,
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