Wie bereits erwähnt, habe ich das Magazin WOSTOK abonniert. Schwerpunkte der aktuellen Ausgabe sind:
(1) Die beeindruckende städtebaulich Entwicklung der Stadt Moskau über die letzten 30 Jahre. Hier wurde sehr viel Geld ausgegeben und die Resultate können sich sehen lassen. Moskau wurde flächenmäßig vergrößert und man strebt neuerdings eine "grüne Stadt" an. Es wird nicht deutlich erwähnt, dass Moskau extrem teuer ist. Am 8. September stehen Wahlen an, was wohl der Anlass für den Artikel war. Wer nicht zur Einheitspartei gehört, wird mit den gleichen pseudojuristischen Mitteln ferngehalten wie die AfD in Sachsen und Brandenburg (angeblich fehlerhafte Unterschriftslisten, nicht eingehaltene Abgabefristen etc.). Um die Einheitspartei nicht einheitlich erscheinen zu lassen, bewerben sich manche derer Kandidaten als "Unabhängige".
(2) Die Wahlen in der Ukraine werden analysiert. Hier füge ich von mir ein: Zelensky war Star einer politischen TV-Soap. Die Wahl ist Fortsetzung dieser Soap in der "Realität" - sehr bemerkenswerte Verhältnisse, wenn so offen die Bürger eines Landes "medial geführt" werden. Historische Vorgänger waren Reagan und Trump - oder in Italien Beppe Grillo. Entgegen seinen Wahlversprechen (die Partei heißt "Sluha Narodu" = Diener des Volkes) hat Zelensky die wichtigsten Mitarbeiter seines TV-Studios "Kwartal 95" in die neue Präsidialverwaltung mitgenommen. Und im Hintergrund stehen immer noch Oligarchen: Erster Assistent des Präsidenten etwa ist Serhij Schefir, vormals Anwalt der von
https://de.wikipedia.org/wiki/Ihor_Kolomojskyj
(3) Duma-Abgeordnete und hohe Staatsbeamte müssen in Russland ihre Vermögen und Einkünfte erklären. Sie drücken sich und lügen dabei wie andernorts auf der Welt. Putin hat eine 77 qm große eigene Wohnung und besitzt zwei ältere Autos sowie einen Transportanhänger. Die Wohnung von Medwedjew ist 367,8 qm groß. Die Wohnung von Augustus in Rom, bevor er Kaiser wurde, war 120 qm.
(4) Es gibt ein interessantes und durchweg positives Porträt des russischen Oligarchen Leonid Michelson. Der kommt aus Dagestan, sein Vater war roter Zar in einem Baukombinat. Nach dem Tod des Vaters und der Wende 1990 hat der Sohn die Führung dort übernommen und sich durch das Chaos und die Krisen der 1990er nach oben gearbeitet. Im Austausch für Bauarbeiten bekam er Anteile an einem Erdgasförderunternehmen auf der Halbinsel JAMAL. Als er mit seinem Erfolg auffiel, wurde er von Gasprom und den Behörden zunächst gebremst, fand aber einen wichtigen Partner in Timtschenko, der Kapital beschaffte - und ein Freund von Putin war. Heute ist Michelson, inzwischen auch karitativ und ein Kulturförderer geworden, mit 24 Mia. der Reichste in Russland (gesamt dort ca. 100 Milliardäre) und die Nummer 32 auf der Forbes-Weltrangliste. Ich beschreibe nun kurz, und das ist der Hauptanlass für diesen Beitrag, die Unternehmung auf JAMAL. Denn es ist ein passender Vergleich für das aktuell (noch) größte Solarkraftwerk, das ich hier beschrieben hatte:
http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=493664
Die Erdgasförderung auf Jamal gehört zu Michelsons zentralem Unternehmen NOWATEK. Weil man das Gas im Dauerfrost nicht mit Pipelines transportieren kann, wurde an der Grenze zur Arktis, mitten in der Schneewüste und unter wirklich extremen Bedingungen eine Erdgasverflüssigungsanlage gebaut, für 27 Milliarden Dollar insgesamt. Der russische Staat beteiligte sich nicht (der muss Raketen bauen ...), aber es konnten neben Nowatek (50,1%) noch der französische Mineralölkonzern TOTAL (20%), China National Petroleum Corporation (20%) und der chinesische Seitenstraßenfonds (9,9%) gewonnen werden.
Das Grunddesign der Anlage stammt aus den USA, die Gasreinigung von der BASF, Baugerät kam aus Italien und Japan. Die Gastanks kommen aus Frankreich. Die acht Gasturbinen (lokale Stomversorgung und Wärme) sind von Siemens, die Turbokompressoranlagen von General Electric, die Kondensationsmodule aus China und Indonesien. Zusammen mit Linde und einem französischen Ingenieur-Dienstleister hat man eine effiziente Verflüssigung entwickelt und patentieren lassen (mit Wärmetauschern), die so genannte "Arktische Kaskade". Auf dem Höhepunkt der Arbeiten in 2016 waren in dieser wirklich unmenschlichen Gegend 27 000 Arbeiter beschäftigt. Es gab Hungerstreiks und viele andere Nöte, aber man hat die Sache gemeistert ...
In Korea hat man einen eisbrechenden Flüssiggastanker bauen lassen mit Namen "Christophe de Margerie". So hieß der Vorstandsvorsitzende von TOTAL, der 2014 bei einem "tragischen Flugzeugunglück" um Leben kam ... - die Amis haben alles getan, um den Flüssiggaskonkurrent auszuschalten. Am 8. Dezember 2017 hat Putin den Startknopf gedrückt - da hatte er offenbar Zeit. Die erste Tankerladung ging in die USA nach Boston, das damals gerade fror - welch eine Ironie!
Michelson möchte bis 2025 acht Prozent vom weltweiten Flüssiggas-Markt haben und strebt Weltmarktführerschaft an. Zwei weitere Anlagen gleicher Größe und in der gleichen Region werden aktuell vorbereitet. Die Frage ist - und hier sieht man die Systemzwänge -, ob die Amis mit ihrem Schiefergas mithalten können. Weitere Mitspieler sind Australien (offshore Methan) sowie Katar, in Russland natürlich Gasprom; der eigentliche Deal und Hintergrund für das russische Engagement in Syrien war der Zugriff auf die Offshore-Erdgasfelder im östlichen Mittelmeer.
Ich habe das so ausführlich beschrieben, weil ich darauf aufmerksam machen will (wie auch bei dem PV-Kraftwerk am Golf), dass das Kapital (und die damit verbundene Technologie) heute international völlig frei agiert und kooperiert.
Die verrückten Versuche von Trump, diese Verhältnisse scheinbar (für den unbedarften Beobachter) zurückzudrehen, sind nicht dadurch motiviert, irgendwelche nationalen Interessen zu schützen. Vielmehr stehen dahinter Rivalitäten diverser Machtzentren des Kapitals. Nowatek hält Anteile an Erdgasunternehmen SIBUR, und für Sibur arbeitet das Transportunternehmen von NAVIGATOR, und dort hält der Schwiegersohn von Putin Anteile - zusammen mit Wilbur Ross, derzeitiger Handelsminister der USA (ist über 80 Jahre alt und schläft nach drei Sätzen Gespräch sofort ein).
https://www.watson.ch/international/wirtschaft/239550320-die-paradisepapers-zeigen-wie-...
Diejenige Leute, für die Trump arbeitet, wollen niemals, niemals, niemals die amerikanischen Staatsbürger und Farmer und Weißen und Lieben und evangelikalen Heiligen von ihrer "Politik" profitieren lassen, sondern sie wollen nur ein größeres Stück vom globalen Kapital-Kuchen haben. Und die Erdgasverflüssigung im eisigen Russland ist ein solches Törtchen. In Grönland gibt es weitere Törtchen - und an vielen Orten noch mehr. Und wenn Trump der Amazonas-Urwald gehören würde, dann würden dort nicht Feuer gelegt sondern Maschinen eingesetzt, wie etwa hier:
https://www.youtube.com/watch?v=jMcZ0MYRokY
Oder müssten diese Monster dann noch ein wenig größer gebaut werden, um es mit den Urwaldriesen aufnehmen zu können?
Überlegt sich, freundlich grüßend, Weiner