"Alles ist gesagt. Hier wurde ich "schlau" gemacht. …
Hallo el_mar,
nachdem ich zu einigen debitistischen Fragestellungen im Blog bto von Dr. Stelter hier und vor allem dort in einer längeren interessanten Diskussion mit @Alexander Stellung bezogen hatte, möchte ich verspätet zu deinem Posting etwas beitragen.
Ich mach mal eine Pause, bleibe aber dabei!
Vor längerer Zeit hatte ich zu dem Prinzip 'Rückzug und Wiederkehr', dessen Herkunft ich leider nicht kenne, einige Ausführungen gemacht, die ich hier in verkürzter Form noch einmal wiedergebe.
Carles de Gaulle engagierte sich nach dem 2. Weltkrieg in der französischen Politik. Er war Ministerpräsident einer Übergangsregierung – trat dann aber aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über eine neue Verfassung zurück. Nach weiteren Misserfolgen verließ er die Politik und zog sich 1953 nach Colombey-les-Deux-Églises in die Privatsphäre zurück. Nach dem Chaos und den Misserfolgen der 4. Republik in Indochina, des Putsches französischer Generäle während des Algerienkrieges und der konstitutionellen Krise wurde de Gaulle 1958 aus der Provinz nach Paris zurückgerufen und für sechs Monate zum Ministerpräsidenten gewählt. Mit einer neuen Verfassung gründete er die 5. Republik und war deren Präsident.
Wilhelm Kaisen war von 1928 bis 1933 Senator für Wohlfahrtspflege in Bremen. In dieser Zeit ereignete sich auch der Zusammenbruch des Nordwolle-Konzerns, die Zahlungsunfähigkeit der Danat-Bank, damals drittgrößte Bank in Deutschland, sowie der größten Bank Nordwestdeutschlands, der Schröder-Bank. Das ist im EWF-Forum im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise schon ausführlich besprochen worden. Nach dem erzwungenen politischen Rückzug erwarb er im Sommer 1933 eine Siedlerstelle im Großen und Weißen Moor an der Wümme und lebte dort zurückgezogen mit seiner Familie als Bauer und Moorkolonist. Ab August 1945 wurde er Präsident der Bürgerschaft. Da gibt es ein berühmtes Bild, das mittlerweile im Privatbesitz und wohl nicht mehr öffentlich zugänglich ist, mit Theodor Heuss im Kuhstall des Bauern Wilhelm Kaisen:
„Bundespräsident Theodor Heuss kam am 26. Januar 1953 … inoffiziell nach Bremen. Kaisen mußte wegen einer starken Erkältung das Haus hüten. Heuss besuchte ihn in seinem Siedlungshäuschen an der Peripherie der Stadt. „Willst du auch meinen Ochsen sehen?“ fragte Kaisen schließlich seinen Freund Heuss; – „Natürlich, gern!“ Kaisen schob den Riegel von der Tür zurück, die die Wohnküche vom Stall trennt ... und sehr zur Überraschung des Bundespräsidenten stand da der Ochse „Heinrich“ in voller Größe vor ihm. Theodor Heuss kraulte den Ochsen „Heinrich“ zwischen den Hörnern ... Seitdem heißt Kaisens Ochse nicht mehr Heinrich, sondern „Theodor“!“
http://www.zeit.de/1957/20/kaisen-anekdoten
Eine längere Pause und schöpferischen Phase innerhalb eines Rückzuges und Wiederkehr tritt oft in Verbindung mit der Frage auf, wie kreative Menschen ihre Ideen und Werke darstellen, der Öffentlichkeit zugänglich machen und der Nachwelt hinterlassen.
Carl Friedrich Gauß, der schon im Alter von 16 Jahren Vermutungen über Erweiterungen zu einer nicht-euklidischen Geometrie angestellt hatte – nach Zweifeln bzgl. der euklidischen Geometrie als 12-Jähriger –, veröffentlichte nur einen Bruchteil seiner Entdeckungen, weil er das 'Geschrei der Boeoter scheue' – der anderen Gelehrten –, wie aus einem Briefwechsel mit Friedrich Wilhelm Bessel zu entnehmen ist.
Inzwischen werde ich wohl noch lange nicht dazu kommen, meine sehr ausgedehnten Untersuchungen darüber zur öffentlichen Bekanntmachung auszuarbeiten, und vielleicht wird dies auch zu meinen Lebzeiten nie geschehen, da ich das Geschrei der Boeoter scheue, wenn ich meine Ansicht ganz ausspreche.
Diese Inhalte hatte ich schon vor längerer Zeit vor dem Hintergrund der persönlichen vorausschauenden Vermutungen gepostet, die wir gegenwärtig innerhalb und im Umkreis des Gelben realisiert sehen – ich vermutete damals schon die jetzt eingetretenen Entwicklungen. Gemäß Baudrillard ist das alles sehr in Ordnung: die binären Gegensatzpaare – schön/hässlich, wahr/falsch, Sinn/sinnlos, echt/gefälscht, real/imaginär, Original/Kopie oder Ursache/Wirkung – sind sowieso nicht mehr entscheidbar.
Die Ununterscheidbarkeit von Bild und Wirklichkeit, die Unvollständigkeitssätze, die Unschärferelation und die Unsicherheit der Nachschuldnersuche zeigen uns die grundlegende Ungewissheit der Welt. Die Unschärfe besagt ja, je näher das Subjekt dem Objekt kommt, desto mehr weicht es in Raum und Zeit aus – die Welt entzieht sich uns, sie spielt mit uns. Nicht wir beherrschen die Welt – nein umgekehrt: Die Welt beherrscht uns. Das bedeutet, dass unsere Hoffnungen und Wünsche von der Welt verweigert werden.
Pausen in den Phasen des Rückzuges und der Wiederkehr sind sehr erholsam und kreativ – mach etwas für dich Positives daraus.
… Ich bezweifle, dass mir das gut getan hat. Aber – und hier hat Zara Recht: Ich hatte keine Wahl!"
Gruß â€“ Ostfriese