Ist die Meinungsfreiheit eine Medizin oder ein Gift?
bearbeitet von unbekannt, Samstag, 07.10.2017, 21:23
Es macht den Anschein, als würde sich so gut wie jeder unserer Zeitgenossen – und das schließt wohl letztlich auch die Politische Klasse mit ein – zu der somit allseits gepriesenen Meinungsfreiheit bekennen, und sie also auch immer wieder aufs Neue bekräftigen. Häufig begegnet man in dieser Hinsicht auch einem Zitat, von dem sich wohl erst in letzter Zeit und auch nur nebenbei bemerkt herum spricht, dass es auch nur fälschlich dem berühmten Denker Voltaire zugeschrieben wird, und das da lautet:
„Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen.“
Erst in letzter Zeit beschleicht mich endlich selbst der Gedanke, dass diese so oder so als Mythos zu bezeichnende Maxime vielleicht aber auch ein Irrweg, wenn nicht sogar eine bewusst gelegte Falle höchster Perfidie sein könnte. Mag es in seinem wahren Wesen gar ein „Terror der Meinungsfreiheit“ sein, welcher seine verheerende Wirkung vielleicht auch erst im Laufe einer lang andauernden Inkubationszeit nun vor unseren Augen entfaltet?
Überhaupt betrachte ich das, was mit dem Begriff der „Freiheit“ immer wieder als ein Ideal besprochen und auch besungen wird, ja selbst nicht als ein solches – zumindest nicht uneingeschränkt. Bedeutet die regelrecht beschworene Meinungsfreiheit also nicht zuletzt auch das Recht, Argumente und Fakten nach Belieben zu ignorieren oder zu verdrehen? Bedeutet die Meinungsfreiheit letztlich einen Freibrief für eine als Meinung legitimierte Lüge? Selbst wenn diese Ableitung nicht einmal logisch zwingend wäre, so könnte die Meinungsfreiheit wenigstens doch auch so verstanden werden, denn schließlich herrscht ja Meinungsfreiheit. Wäre heute nicht vielleicht die Zeit gekommen, dieses süße Gift endlich abzusetzen, oder die Freiheit der Meinungen vielleicht ja einfach damit zu praktizieren, dass jeder die seine gerne für sich behalten darf?
Bedeutet die Negation der Meinungsfreiheit nun aber das Mundverbieten des Einzelnen? Angesichts dieser Frage würde ich zunächst einmal glauben, dass das als Konsequenz niemals der Preis sein dürfte! Allerdings ist das auch nur der Köder, für den wir den Haken der Meinungsfreiheit erst schlucken. Was darf der Einzelne also sagen, schreiben oder singen und was nicht? Auch wenn es kindisch anmuten mag, so darf die Wahrheit niemals verboten sein. So erhob auch schon ein Martin Luther die Wahrheit zum höchsten Ideal als er sagte: „Friede wenn möglich, aber die Wahrheit um jeden Preis“. Die Wahrheit aber ist etwas von Meinungen unabhängiges. Sie steht über der Meinung, und wenn die Meinung von der Wahrheit abweicht, dann ist die Meinung falsch. Wenn die Meinung mit der Wahrheit aber identisch ist, dann ist sie allenfalls nur noch eine vermeintliche Meinung und in Wirklichkeit keine solche mehr, sondern die Wahrheit selbst. So ließe sich nun also auch Fragen, ob die Meinungsfreiheit die Wahrheit letztlich zu einer bloßen Meinung degradiert?
Nachdem man diesen Faden erst einmal am Wickel hat, könnte man nun endlos an ihm ziehen. Was ist die Wahrheit, und woran erkennen wir sie, wäre zu fragen. Welcher gesellschaftliche Mechanismus könnte der Wahrheit zu ihrem Triumph verhelfen? Hier scheinen nur Näherungslösungen möglich, welche an dieser Stelle nicht weiter besprochen werden sollen. Vielleicht ist alles hier Gesagte auch nur profan, aber die Frage scheint bis zu diesem Punkt weiter im Raume zu stehen, die da lautet: Nähern wir uns mit der Meinungsfreiheit der Wahrheit, oder entfernen wir uns so von ihr?
Sollte unter der Voraussetzung einer abschlägigen Einschätzung in dieser Frage die Meinungsfreiheit also aufgehoben werden? Meine Antwort lautet „ja“! Sie sollte sogar ganz unabhängig von der hier gestellten Frage beseitigt werden, denn von der Rechtsprechung her gibt es die Meinungsfreiheit nur in der Verfassung. In der Verfassung wie im Grundgesetz Art.5 hat eine Meinungsfreiheit aber nichts zu suchen – ebenso wenig wie eine Religionsfreiheit gem. Art. 4. Zunächst sind solche Freiheiten grundsätzlich genauso überflüssig wie eine Singfreiheit, eine Tanzfreiheit oder eine Bodenturnfreiheit, weil wir all das auch ohne die ausdrückliche Zustimmung der Verfassung praktizieren können. Solche so explizit verfassten Freiheiten können aber die allgemeine Gesetzgebung aushebeln, wie im Falle der Religionsfreiheit auch eindeutig aufgezeigt werden kann. Einer darüber hinausgehenden gesetzlichen Beschneidung der praktizierten Meinungsfreiheit würde es aber nicht bedürfen, und sie wäre vermutlich auch kaum zu formulieren. Es sollte aber darüber nachgedacht werden, ob man diesen Begriff der Meinungsfreiheit weiterhin überhaupt noch verwenden, sich auf eine solche berufen und auch verherrlichen möchte – gar noch mit ober-klugen Verweis auf Art. 5. Letztlich darf eine Meinung nur die Phase zwischen der Formulierung einer These und ihrer Falsifikation sein und die Falsifikation muss der These Tod bedeuten. Wir haben das Recht einen Irrtum zu unterliegen, wir haben aber kein Recht auf einen solchen gegen alle Belehrung zu beharren.
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... in Wirklichkeit ist ... immer alles ganz anders, als es ... in Wirklichkeit ist ...