Ursache der Obrigkeitshörigkeit
Die Obrigkeitshörigkeit der Deutschen als verbreitetes negatives Phänomen ist, glaube ich, das Produkt des Abfalles von einer zentralen positiven Veranlagung: des Individualismus, der aus dem Streben nach dem Erfassen seines wahren Ichs als eines in sich gegründeten, unabhängigen Wesens hervorgeht.
Dies ist leider bisher immer nur von relativ wenigen starken Persönlichkeiten erreicht worden.
Fehlt das Streben nach dem höheren Ich, setzen sich im Staate die machtsüchtigsten Egomanen aller Couleurs an die Spitze des aus alten obrigkeitlichen Zeiten überkommenen Machtapparates. Der Machtstaat kann sich hinter demokratischer Fassade in dem Maße fortsetzen, wie die Deutschen die Verbindung zu ihrem eigenen geistigen Ich nicht herstellen, sondern in der Obrigkeit gleichsam ein höheres Ich anerkennen, das über sie zu herrschen berechtigt sei. „Die innere Herrschaft des Ichs im einzelnen Menschen verwandelt sich in die äußere Herrschaft des Staates über ihn. Und wer das Glück hat, als Funktionär, als Beamter diesem Staat zu dienen, der wird selbst zu einem Teil dieses höheren Ichs, das über den einzelnen Menschen als seinen Untertan zu gebieten hat.“
Vgl. einen Versuch, deutschen Geist und deutsche Seele zu ergründen.