Öl: Der König ist tot - Es lebe der König!
Achtung: Dies ist keine Anlageberatung. Nichts in diesem Beitrag ist als Kaufempfehlung aufzufassen. Bitte informieren Sie sich selbst und / oder lassen sich vor Ihren Investments professionell beraten.
In den letzten Jahren ist der Ölpreis dramatisch gefallen. Es wird vom „New Normal“ gesprochen, ein Preis zwischen $50-60 sei für viele Jahre die obere Grenze des Ölpreises. Der Grund? Shale Oil in den USA.
Shale Oil wird in den Medien als die Revolution der Energielandschaft verkauft. Die USA würden schon bald Energie-unabhängig sein.
Schauen wir uns das ganze doch mal genauer an...
Shale Breakeven
http://imgur.com/a/NjhCZ
Wow, Break-Even Preise von unter $50, wo doch nur sehr wenige Firmen in den letzten 10 Jahren - trotz hoher Ölpreise – Geld verdienen konnten?
Was sagen die Medien? Natürlich: technische Durchbrüche, Effizienz-Verbesserungen, Genialität der amerikanischen Erfinder. Drills mit immer längeren Lateralen – wieder ein „New Normal“ für Shale.
Noch besser sieht es aus für die Wells, die schon aktiv sind. Hier liegt der Breakeven angeblich um die $30! Fantastisch! Schon bald werden die Shale Produzenten günstiger produzieren als Saudi Arabien.
Wie kommen diese plötzlich so niedrigen Preise zusammen? Produktivität! Wahnsinn!
Man schaue sich nur mal die Entwicklung der Öl Produktion seit 2015 an.
Ein einziger neuer Well produzierte Mitte 2016 3,5-mal so viel Öl wie in 2015. Was haben die denn vorher gemacht? In seiner ganzen Geschichte hat Shale-Oil quasi nie Gewinne gemacht. Hätten sie doch bloß schon eher daran gedacht, die Technologie weiterzuentwickeln! Da hätte man sich ja Jahre an Verlusten ersparen können! Ende 2016 - mit den niedrigen Ölpreisen - war Shale plötzlich sogar Cash-Flow neutral!
http://oilprice.com/Energy/Energy-General/US-Shale-Is-Now-Cash-Flow-Neutral.html
Nochmal ... hier ist der Cash-Flow der wichtigsten Firmen von 2001-2013. Nach 2007 hat die Branche Cash geradezu verbrannt.
Für die Zeit nach 2013 finden sich auch Zahlen…
Die roten Punkte stellen den Free Cash Flow dar. Bis Anfang 2015 - bei hohem Ölpreis - schwere Verluste. Und dann – plötzlich! – mit sinkendem Ölpreis verbessert sich der Cash Flow! Die Unternehmen bekommen weniger Geld für ihr Öl und die Verluste werden weniger! Cash Flow neutral 2016! Das New-Normal!
https://www.ft.com/content/2ded7416-e930-11e4-a71a-00144feab7de
Der Tom und Jerry Moment ... (Link)
Die Industrie, die Medien und die Investoren rennen und rennen und merken gar nicht, dass sie schon längst über die Klippe hinaus sind. Die Frage ist, wer zuerst nach unten sieht…
Wie kommen die unglaublichen Produktivitätsfortschritte zusammen?
1) High Grading. Die besten Wells können locker 5x und mehr Öl als andere Wells produzieren. Seit dem Verfall des Ölpreises werden in vielen Bereichen nur noch die besten Böden gebohrt.
https://seekingalpha.com/article/3445766-bakken-update-high-grading-effect-u-s-oil-prod...
Die Produzenten verpulvern bisher ihre beste Reserven, nur um nicht pleite zu gehen. Diese Sweet Spots sind irgendwann weg!
Den Effekt kann man gut in der Grafik oben erkennen, die einen Rückgang der Produktivität neuer Wells 2017 zeigt – zur gleichen Zeit, als wieder mehr Rigs bohren - und damit schlechtere Wells.
2) Squeezing der Service Margins
Fracking benötigt umfangreiche Leistungen von Service-Dienstleistern wie Halliburton oder Schlumberger. Seit dem Ölpreisverfall haben die Dienstleister ihre Preise extrem stark gesenkt – so weit, dass ihre Margen negativ sind, sie also Geld verlieren, wenn ihre Dienstleistung in Anspruch genommen wird. Ich habe Analysen gesehen, bei denen dargestellt wurde, dass bis zu 2/3 der Kostenersparnisse (efficiency improvement) auf Kosten der Dienstleister gingen! Doch die spielen das Spiel nicht mehr mit – die Servicekosten steigen wieder – und zwar stark!
3) Schulden werden ignoriert
Diese Grafik sollte Angst machen:
https://www.eia.gov/finance/review/pdf/financial_q12017.pdf
Zur Erklärung: Als der Chart im Q3/2016 die Ratio 1.0 erreichte bzw. sogar übertraf, mussten die Unternehmen jeden einzelnen Cent des Cash-Flows für die Rückzahlung von Schulden verwenden! Die Shale-Produzenten sind m.E. völlig überschuldet. In den Berechnungen des Cash-Flow Break-Evens werden diese Schuldzahlungen aber (meist) ignoriert! In Wirklichkeit liegt der Break-Even viel höher.
4) Explorationskosten
EOG, das s.g. Apple der Branche, weist die Kosten für die Exploration (nicht Förderung) eines neuen Barrels Öls m.W.n. mit etwa $5 auf. Entsprechend fließt der Betrag natürlich auch in die Break-Even Rechnung ein.
Der Trick: Land, das mit Aktien statt mit Cash bezahlt wird, taucht nicht in der Rechnung nicht auf (d.h. Landbesitzern wird die Pacht mit Aktien bezahlt und tada… die Kosten sinken). Auch nicht-wirtschaftlich förderbare Barrel werden in die Rechnung miteinbezogen. Die realen Kosten dürften m.E. mehr als doppelt so hoch liegen.
5) Decline Rates
Die Shale-Wells haben extreme Verlustraten. Innerhalb eines Jahres ist oftmals mehr als die Hälfte der ursprünglichen Förderung weg. Es muss extrem viel gebohrt werden nur um die Förderung aufrecht zu erhalten. Die Grafik zeigt die monatlichen (!) Decline Rates.
Weitere Materialien:
https://seekingalpha.com/article/4084591-new-darlings-wall-street-folly-oil-fracking-in...
https://www.forbes.com/sites/arthurberman/2017/03/22/shale-cost-reductions-are-10-techn...
Der ganz Förderboom wird durch billiges Geld am Laufen gehalten. Aber wehe einer schaut nach unten ... ich glaube, wir sind kurz davor.
Es wurden zig Milliarden an nötigen Investitionen in zukünftige Förderung nicht getätigt. In den letzten Jahren (und auch den nächsten 1-2 Jahren) werden noch einige Mega-Projekte der Vergangenheit mit der Förderung beginnen – die Investmentzyklen sind sehr lang. Aber danach entsteht eine große Lücke – es droht ein Ölmangel!
KEINE KAUFEMPFEHLUNG!
Was nun tun? Ich setze auf Ölförderer, die große Reserven besitzen und gleichzeitig niedrige Decline Rates auszeichnen. Insbesondere setze ich nun auf kanadische Aktien wie Cenovus Energy (http://www.finanzen.net/aktien/Cenovus_Energy-Aktie)
Prinzipiell gehören die Kanadier zu den Produzenten mit den höchsten Kosten – das gilt aber nur für die gesamte Laufzeit. Fast alle Kosten entstehen am Anfang durch nötige Investitionen, danach kann sehr günstig gefördert werden, wodurch niedrige Ölpreise langfristig kein Problem darstellen. Die Cenovus Aktie ist extrem abgeschmiert, weil sie hohe Schulden aufgrund eines Zukaufs zu bewältigen haben. Ich bin aber davon überzeugt, das nun ein günstiger Einstiegszeitpunkt gefunden ist. Selbst von einem langfristigen E-Auto Trend profitieren die Kanadier – sie müssen im Gegensatz zu anderen Produzenten (insbesondere Shale) nicht ständig nachinvestieren, sondern können durch die niedrigen Decline-Rates lange eine relativ stabile Förderung aufrechterhalten, während die Konkurrenz Schwierigkeiten hat, die nötigen Investitionen zu tätigen.
Ich bin nun (recht breit gestreut) Long:
Cenvous Energy
Gazprom + Surgutneftgas
Shell / BP (kleinere Positionen)
Eventuell werde ich später noch weitere Punkte ergänzen... eure Meinungen?