Die Sprengkraft der Staatstheorie Wilhelm von Humboldts
bearbeitet von unbekannt, Montag, 26.06.2017, 13:55
Der vor 250 Jahren, am 22. Juni 1767 geborene Wilhelm von Humboldt wird allgemein als der große Reformator des preußischen Bildungswesens im Geiste des Neuhumanismus gewürdigt.
Doch wenig bekannt wurde bisher der Inhalt seiner genialen Jugendschrift von 1792, die eine in ihrer Konsequenz revolutionäre Staatstheorie enthält: „Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen“. Es sind Ideen, tief in den humanistischen Gedanken des sich zur Freiheit entwickelnden Menschen gegründet, die dem heute noch selbstverständlichen oligarchischen Einheitsstaat als Instrument einer herrschenden Minderheit gefährlich werden würden. Vermutlich liegt darin auch der Grund, dass diese Schrift kaum konsequent zum Gegenstand der staatsabhängigen Wissenschaft gemacht worden ist.
Humboldt stellte die herrschende Staatstheorie und -praxis infrage, dass der Staat außer für die äußere und innere Sicherheit der Bürger auch für ihr physisches, wirtschaftliches, und ihr moralisches, d.h. ihr seelisch-geistiges Wohl, also für das ganze Bildungs- und sonstige Geistesleben zu sorgen habe.
In einem Brief an Friedrich von Gentz vom August 1791 hatte er bereits drastisch geschrieben, dass „das Prinzip, dass die Regierung für das Glück und das Wohl, das physische und moralische, der Nation sorgen muss“, gerade „der ärgste und drückendste Despotismus“ sei. Gesetze des Staates, die das Handeln des Menschen im Wirtschafts- und im Geistesleben inhaltlich diktieren, und wären es die bestmöglichen, erniedrigen den Menschen zum folgsamen Sklaven und bedeuten nichts anderes als eben Diktatur. Der Mensch wird seines eigenen Zweckes, seiner wahren Bestimmung, sich selbst zu bestimmen und sich dadurch weiter zu entwickeln, beraubt.
„Ein Staat, in welchem die Bürger … genötigt oder bewogen würden, auch den besten Ge¬setzen zu folgen, könnte ein ruhiger, friedliebender, wohlhabender Staat sein; allein er würde mir immer ein Haufen ernährter Sklaven, nicht eine Vereinigung freier, nur, wo sie die Grenze des Rechts übertreten, gebundener Menschen scheinen.“