Lieber Balu,
Tja, das ist eine Posse!
Die IG Metall stritt in den 80er Jahren vehement dafür mit vollem
Lohnausgleich, aber.....
zu der Zeit war die in den 50er begonnene "neue" Internationalisierung (z.B. Eurodollar-Markt ab Mitte der 50er, Schiedsgerichtskonvention New York 1958, Direktinvestitionen, Konvertierbarkeit, ...) mit Volldampf unterwegs, seitdem dann 1973 auch die letzte quasi öffentlich-rechtliche, d.h. politische, "Kette" der Finanzmärkte durchtrennt war (Bretton-Woods-Zusammenbruch, freie Wechselkurse) waren spätestens damit alle nationalen Gegengewichte zur privaten Macht der "Märkte" (privatrechtliches Vermögenskalkül) erheblich entmachtet.
Was das mit Gewerkschaften zu tun hat?
S.u.
Der IG Metall war klar, dass der volle Lohnausgleich die Verhandlungsmasse
gegenüber dem AG-Lager war.
Die IG Metall ist stark in BaWü
Die unternehmerischen Organisationen in BaWü sind gesetzlich nicht verpflichtet ausschließlich juristische Personen innerhalb Baden-Württembergs zu schaffen, so dass etwa die IN Baden-Württemberg mächtigen Gewerkschaften auch immer überall dort mächtig sind wo sich der Konzern mit seinen Tätigkeiten hin bewegte.
Weil die Unternehmen als privatrechtliche Vermögensmassen zunehmend ausweichen konnten oder zumindest glaubaft mit dem Ausweichen drohen konnten, war die Gegenmacht der Gewerkschaften, die auf dem Zusammenschluss von Einzelinteressen der Arbeiter beruht, praktisch gebrochen.
und dort vor allem in den KFZ-Werken. Und
die Werker dort waren damals gut bezahlt und durften/mussten Ü-h
schieben.
Dumm nur, dass viele Werker ihre Ü-h schon nach wenigen Monaten als
festes Einkommen verplant hatten. Man könnte auch bösartig behaupten, die
lebten über ihre Verhältnisse oder am Limit.
Dort wurde die 35 h Woche konterkariert, weil die Gier des kleinen Mannes
nur dem Spatz in der Hand statt der Taube auf dem Dach gilt.
Deine Erklärung verkennt die Makro-Ereignisse meines Erachtens nach völlig.
Damit möchte ich nicht sagen, dass nicht auch Prozesse innerhalb der Gewerkschaften bzw. ihrer Mitglieder der Gewerkschaftsmacht abträglich waren, aber das eigentliche Spielfeld auf dem die Gewerkschaften verloren ist das internationale Spielfeld der Multijurisdiktionalität und dass sie das nicht erkannten, das müssen sich die Gewerkschaften freilich selbst anlasten.
Ich kann dazu ganz konkrete Beispiele nennen für in praxi gebrochene Gewerkschaftsmacht aus dem letzten Streik der Franzosen (gegen das "französische H4").
Mir ist ein Fall bekannt in welchem deutsche und österreichische Gewerkschafter, die Mitarbeiter eines Konzerns betreuen, welcher 2016 in allen drei Jurisdiktionen (D, AT, F) Fertigungsstätten hatte, sich darüber freuten wie gut sie ihre Mitglieder berieten das Extraeinkommen für die Zusatzschichten zu nehmen, statt sich solidarisch mit den französischen Kollegen zu zeigen.
Die Macht der französischen Arbeiter lag in ihrem Streikrecht, wenn der Konzern aber "einfach" auf andere Standorte ausweichen kann, was passiert mit dieser Macht der französischen Arbeiter?
Stützel nennt das was hier passiert ein Konkurrenzparadox:
Denn was scheinbar "rational" ist für den österreichischen Arbeiter in 2016, nämlich das höhere Extraeinkommen zu nehmen, schädigt auch seine eigene Position (z.B. bzgl. 35-Stunden-Woche) auf lange Sicht.
Eine Metapher zu Konkurrenzparadoxa allgemein ist ein voll besetztes Kino (Stützel bringt genau diese Metapher auch in seinen Paradoxa 1958):
Es ist (einzelwirtschaftlich) rational im Kino in der zweiten Reihe aufzustehen.
Der Aufgestandene sieht tatsächlich besser.
Aber der hinter ihm nicht.
Der sieht sogar schlechter.
Auch er steht jetzt auf - um wieder so gut/schlecht zu sehen wie vorher (Unterschiede in der Sitz-/Stehgröße vernachlässigt).
Am Ende dieses Prozesses sieht niemand besser, außer diejenigen in der zweiten Reihe.
Aber alle müssen jetzt stehen.
Gruß
Balu
Schöne Grüße
--
BillHicks
..realized that all matter is merely energy condensed to a slow vibration – that we are all one consciousness experiencing itself subjectively. There's no such thing as death, life is only a dream, and we're the imagination of ourselves.