Da du dich ein bisschen mit Korea auszukennen scheinst, wie schätzt du
die nordkoreanische Bewaffnung ein?
Hallo Andudu,
es gibt da eine sehr umfassende Untersuchung der militärischen Verhältnisse rund um Korea, ziemlich aktuell auch:
The Changing Military Balance in the Koreas and Northeast Asia
von Anthony H. Cordesman et al. (CSIS) 2015, etwa 600 Seiten, hier als pdf:
https://csis-prod.s3.amazonaws.com/s3fs-public/legacy_files/files/publication/150325_Ko...
Für wen wird so was wohl geschrieben?
Wenn die beiden Koreas aufeinander losgehen würden und alle anderen Beteiligten schauten dabei nur zu, dann würde Nordkorea sicher gewinnen. Doch warum sollten sie sich aus eigenem Antrieb gegenseitig bzw. selbst zerfleischen? Ich zweifle, ob das heute noch möglich sein könnte.
Die Nachbarn aber würden es sowieso nicht zulassen und die US-Eliten sowieso nicht - denn sie brauchen diesen Brückenkopf. Allerdings ist auch klar, dass sie den nicht weiter als wie gegenwärtig ausbauen können, denn sonst würden sie Schwierigkeiten mit China und Russland bekommen. Es ist eine komplette Patt-Situation für alle Beteiligten. Und so gesehen dürfte Korea aktuell eine der sichersten Regionen der Welt sein.
Ich habe mit meinem letzten Beitrag den Untergrund (der amerikanischen Verbrechen) für die aktuelle Lage erwähnt (siehe aber ganz unten eine Korrektur) und darauf hinweisen wollen, dass man Verständnis für die Nordkoreaner haben kann. Das entbindet jedoch nicht von der Feststellung, dass sie Rabauken bleiben, die wirklich nervig sind (ich verweise wieder auf den hyperaktiven Volkscharakter, bis hin zum Alkoholkonsum beim Feiern).
Militärisch äußert sich das in ständigen Provokationen und lautem Säbelgerassel, das man offenbar braucht, um innenpolitisch und außenpolitisch eine gute Statur zu machen. Ist etwa so, wie wenn Kaiser Wilhelm mit dekorierter Pickelhaube herumläuft und selbst Bismarck mit dem Degen an der Seite ins Parlament oder gar zu diplomatischen (!) Treffen geht - einfach gestört ...
Wie bereits gesagt sind die Nordkoreaner insgesamt überlegen, trotz ihres veralteten Waffenarsenals. Der Süden ist modernisiert und hat vor allem eine bessere Luftwaffe. Das nützt aber nicht viel, wenn der Norden in der Mannschaftsstärke, mit Kampfwille/Training sowie in den Bereichen Artillerie, Raketen und A-Bombe absolut überlegen ist (andere Massenvernichtungswaffen mal bei Seite gelassen). Der Süden versucht gerade, ein Raketen- und auch Raumfahrtprogramm aufzulegen. Er könnte zweifellos militärisch stärker sein, hält es aber nicht für nötig (vermutlich aus realistischer Einsicht heraus und wegen der Rückendeckung durch die USA).
Ich darf nochmals erwähnen, dass die USA im Koreakrieg absolut grausame Flächenbombardements durchgezogen haben; die letzten Bomberflotten hatten kaum mehr Ziele; in Pjöngjang sollen nur noch zwei Häuser gestanden haben; das gesamte Volk im Norden hat über ein Jahr lang in Erdlöchern und Ruinen gelebt. Im Süden hat das US-Militär zusammen mit OSS/CIA und gegen den Willen des State Department den absolut korrupten Rhee Syng-man als starken Mann 1948 ein- und in den Studentenprotesten 1960 wieder ausgeflogen. Er war übrigens mit einer Österreicherin verheiratet, die noch heute im Lande in guter Erinnerung ist, während man ihrem Mann die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt hat.
Es ist ein hochinteressantes Phänomen, dass manchmal innerhalb von Völkern sehr klare Polarisierungen auftreten, die sich auf wenige starke Personen (meist psychopathologische Charaktere) und kleine verbrecherische Cliquen zurückführen lassen. Wie leicht lassen sich menschliche Gemeinschaften und Gesellschaften zerreißen!
Es wird in rund 10 Jahren eine kritische Situation geben, wenn Russland (wegen militärischer Abenteuer) und die USA (wegen eigenem Bürgerkrieg) nicht mehr in Korea präsent sein können. Dann wird China die Situation regeln, so wie das über die längste Zeit der Geschichte schon war. Die (beiden) koreanischen Eliten wären deshalb gut beraten, schon jetzt sowohl miteinander wie mit auch China zu reden (es gibt zwischen je beiden Teilstaaten und China sehr starke wirtschaftliche Verflechtungen). Hoffen wir mal, dass sie so weitsichtig sind, es zu tun. Sehr langfristig gesehen wird das gesellschaftliche Modell Südkoreas sich durch setzen. Ich gehe aber davon aus, dass beide Staaten getrennt bleiben und dabei Beziehungen untereinander entwickeln werden, wie sie zwischen D-A-CH üblich sind.
Grüße, Weiner
PS: Zahlenkorrektur zu den Angaben in meinem Beitrag
http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=433086
wo ich von 20 Mio. Toten gesprochen habe wegen eigenem falschem Lesen (victims/casualities) englischer Angaben sowie wegen falscher Übersetzung von Translate.Google bei Zahlenwerten der Koreaner, die in Zehntausendern rechnen:
https://ko.wikipedia.org/wiki/%ED%95%9C%EA%B5%AD_%EC%A0%84%EC%9F%81
Der Süden hatte 1955 eine Bevölkerung von rund 21 Mio., im Jahr 1960 25 Mio., heute etwa 50 Mio. Der Norden hatte 1955 10 Mio., im Jahr 1960 11,5 Mio., und hat heute 25 Mio. - also das gewohnt bessere Wachstum in den ärmeren Verhältnissen. Bezogen auf die Bevölkerungen ist der Norden also komplett übermilitarisiert.
Die Zahlen für zivile Opfer im Koreakrieg sind schwierig zu bekommen. Außerdem ist der Vorkriegsstand zum Ende der japanischen Besatzung nicht wirklich bekannt. Es waren in Korea viele Fremdstämmige aus anderen Teilen Asiens (denn es war Kolonie Japans, und man hat Nichtjapaner überall wie Vieh behandelt), umgekehrt wurden viele Koreaner als Arbeitssklaven nach Japan und in dessen Kriegsgebiete verschleppt, darunter auch die bekannten Trostfrauen. Man schätzt, dass ein Drittel der Opfer in Hiroshima/Nagasaki wohl Koreaner waren. Aufgrund nochmaliger Recherche (ich muss das aber weiter im Auge behalten) gehe ich nach jetzigem Wissen von einer Bevölkerung von 20-25 Mio. vor Beginn des Koreakrieges aus, bei 4-5 Mio. Toten, also etwa 20%. Die Relation von zivilen Opfer im Vergleich zu den militärischen ist sehr hoch. Zu diesen Toten kamen die Verletzten, die zerrissenen Familien, die Vertreibungen, die Vermögensschäden. Umgekehrt zeigen uns solche (komplett unnötigen, menschengemachten) Katastrophen, wie robust die menschliche Natur ist.