Nicht ausweichen! Nein - RECHTS-Änderungen setzen KEINE Gesetzes(text)änderungen voraus, ich redete von RECHTSänderung
Bitte nicht ausweichen! Ich sprach von einer Rechtsänderung. Und Du auch, Brutus und ein zweites Mal. Jetzt erst kommst Du mit der Einengung auf
Von Gesetzesänderung habe ich nicht gesprochen, darum bleibt meine Aussage auch richtig. Überhaupt wird es schwer halten, mir Fehler in meinen Literaturhinweisen nachzuweisen. Wenn, korrigiere ich solche natürlich. Meist beruhen solche Ideen aber auf reinen Mißverständnissen.
@BillHicks hatte das schon in Erwägung gezogen, daß aus diesem Grunde die Blockchain sich niemals für komplexere Verträge wird eignen, und ich hatte das Thema dann aufgegriffen.
Um es an dem wohl bekanntesten Beispiel auszuführen: Rechtshistorisch ist die US-Verfassung in ihrem Kern seit fast zweieinhalb Jahrhunderten textuell unverändert (ich rede nicht von den Amendments) und dennoch wird sie heute anders "interpretiert".
Dennoch hat es niemand für nötig befunden, zur Zeit ihres Erlasses zu hinterfragen, warum Sklaverei zulässig sei, noch wurde ihr Wortlaut in diesem Punkt je geändert, als es darum ging, daß Menschen mit dunklerer Hautfarbe plötzlich dieselben Rechte haben sollten wie "Weiße". "Es kommt bloß so", wie Tjorben in "Die Kinder von Bullerbü" zu sagen pflegt.
Notabene: bei "all men are born equal" könnte man noch meinen "gleich geboren, ja, aber danach [werden sie versklavt]" - das hätte aber z.B. keinen Rechtsgrund hergegeben, warum Sklavenkinder ihrerseits "automatisch" Sklaven werden müßten. Es war also offenbar so, daß man den Text "als Weißer" mühelos anders lesen konnte (trotz zu allem Überfluß des Adjektivs "self-evident" - selbstverständlich), als heute. Und genauso wandelt sich eben Recht "unter der Hand". In meiner Kindheit bekamen Unverheiratete kein gemeinsames Hotelzimmer, wegen des Kuppeleiparagraphen. Dann wurde der abgeschafft, sie bekamen immer noch keines (in Stundenhotels aber davor schon - trotz Kuppeleiverbotes) - und irgendwann war unverheiratet eine "Lebensgemeinschaft" gründen "normal".
In Deutschland zwei prominente Beispiele:
1) Das Verfassungsgerichts-Urteil zum Volkszählungsgesetz 1983 - es normierte ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das bis heute nicht im Wortlaut des Grundgesetzes zu finden ist.
2) Der "Haushaltsvorstand": Im alten bürgerlichen Recht und in der Handhabung der Behörden wurde in einem Haushalt immer ein "Haushaltsvorstand" für alles "haftbar" gemacht, d.h. man sandte -je nach Wahl der Behörde, da es dafür ja keine einheitlichen Definitionen gab- dem Ehemann oder bei Alleinerziehenden bzw. Nicht-Verheirateten auch schon mal dem ältesten Haushaltsmitglied oder dem ältesten männlichen Haushaltsmitglied einen Fragebogen oder einen den Gesamthaushalt betreffenden Gebührenbescheid zu. Mit der Folge, daß ich z.B. einen Fall kenne, wo nicht die alleinerziehende Mutter, sondern ihr ältester, siebenjähriger Sohn den Bescheid erhielt.
Im Zuge des Bundesverfassungsgerichts-Urteils zum Ehenamesrecht wurde dann klar, daß -nach dem schon 1954 ergangenen Stichentscheids-Urteil- es logischerweise auch keinen Haushaltsvorstand mehr geben kann. In einem (alten) Bundesland griff ich einen vergleichbaren Fall dann auf, aufgrund eines datenschutzrechtlichen Aspekts und der Landesdatenschutzbeauftragte wies daraufhin die kommunalen Rechenzentren dieses Bundeslandes an, den Mumpitz mit dem Haushaltsvorstand in ihrer Datenverarbeitung ersatzlos zu beenden. Auch das eine Rechtsänderung die, wie ich vermute, großenteils bis heute nirgendwo Niederschlag in Gesetztestexten (dieses Bundeslandes) gefunden hat.
Aber das tut nichts zur Sache, im letzten Beitrag ging es ja eingeengt um Gesetzesänderungen, von denen ich nicht sprach - das ist etwas eristisch argumentiert.
Nehmen wir das österreichische Beispiel: dort bestanden weniger direkte Zweifel daran, ob die Stimmenverhältnisse durch die stattgehabten Auszählungen sich gegenüber anderen Auszählungsmodi geändert hätten, ob also Knaller Hofer statt dem Knaller van der Böller hätte Präsident werden müssen - es ging im wesentlichen darum, daß in einigen Wahllokalen zu früh ausgezählt wurde, bzw. daß die Briefwahlunterlagen gesetzes-unsachgemäß verwahrt, behandelt und ausgezählt wurden. Und Hofer hat ja dann im zweiten Wahlgang nicht gewonnen.
Das österreichische Verfassungsgericht hat sich aber vom Gesetzeswortlaut leiten lassen, wie jetzt die französischen Wahlbehörden nicht, und zugunsten der Beschwerdeführer entschieden. Hätte es das nicht getan, man vergleiche die Supreme-Court-Entscheidung zur Wahl Al C̶a̶p̶o̶n̶e̶ Gore/George Shrub - hätte das österreichische Verfassungsgericht die Wahl für weiterhin gültig erklärt, hätte es contra legem eine Rechtsänderung bewirkt.
"Von contra legem spricht man, wenn eine Meinung, ein Vorgehen oder eine Rechtsfortbildung mit dem geltenden Gesetz nicht zu vereinbaren ist."
Selbiges hat in Frankreich stattgefunden. Und in Deutschland übrigen auch.
--
Literatur-/Produkthinweise. Alle Angaben ohne Gewähr! - Leserzuschriften