"Unruhen" in Paraguay

mh-ing @, Sonntag, 02.04.2017, 08:59 vor 2853 Tagen 6008 Views

bearbeitet von unbekannt, Sonntag, 02.04.2017, 12:07

In den Medien ist bei uns von schlimmen Unruhen in Paraguay, von Reisewarnungen sogar die Rede. Das Land scheint im Chaos zu versinken und erscheint uns aus deutscher Perspektive eher wie ein typisches "Dritt-Welt-Chaos-Land".

Was aber dort passierte, sollte nachdenklich machen:
Die Verfassung verbietet es, dass ein Präsident mehr als eine Amtszeit regiert. Er muss dann schlicht zurücktreten und das war es. Das Land litt lange unter dem Diktator Strössner und schuf daher in der heutigen Verfassung eben diese Mandatsbefristung und - das ist der Punkt - schloss diesen von jeglichen Änderungswünschen aus. Man kann also hier nichts ändern.

Cartes, der aktuelle Präsident will das aber so nicht hinnehmen (nebenbei bemerkt, er ist einer der Reichsten im Lande!) und hat seine Mannen nun dazu gebracht, tätig zu werden. Der ordentliche Senat hat diese Verfassungsänderung abgelehnt, flugs schuf man einen neuen Senat, einer erklärte sich zu dessen Vorsitzenden und schon war das Gesetz durch. Im Parlament sollte es dann auch so gehen, im Eilverfahren die Änderung zu verabschieden. Dann wäre im Frühsommer dann die Wahl und es wäre alles für Cartes nach Plan gelaufen.

Doch die Bürger und die Opposition nahmen das nicht hin. Als eben auch jegliche normalen Versuche scheiterten, nahmen sie ihr Bürgerrecht selbst in die Hand und stürmten das Parlament. Interessant dürfte hier sein, was an Daten usw. hier erbeutet wurde.

In unserer Perspektive ein Land im Chaos, genau betrachtet aber ein Land, das uns demokratisch ein Vorbild sein sollte: Die Bürger haben sich mit aller Macht gegen einen absoluten Verfassungsverstoß gewehrt. Nachdem die regulären Instanzen (Gerichte, Parlament usw.) scheiterten, nahmen diese selbst es in die Hand.

Und wir in Deutschland reden über Chaos dort, sehen aber nicht, was letztlich hier passiert und längst unsere Demokratie auch ziemlich ausgehöhlt hat:
Erst wollten die Ostdeutschen die Banane, jetzt haben sie die Bananenrepublik.

http://www.n-tv.de/politik/Paraguays-Praesident-entlaesst-Innenminister-article19776187...

PS: Ich will Paraguay nicht als Musterland der Demokratie missverstanden sehen. Es gibt dort mehr Probleme und Unsitten auch politischer Art aller Parteien, als das Posting hier Platz bietet. Daher beziehe ich mich ausdrücklich nur auf diesen genannten Vorfall.

Demokratie

Fobi @, Oberbayern, Sonntag, 02.04.2017, 09:50 vor 2853 Tagen @ mh-ing 4381 Views

Der Präsident dort und "unsere" führenden Politiker hier haben eines gemeinsam! Beide sprechen von Demokratie usw, obwohl alle ein sehr seltsames Demokratieverständnis an den Tag legen! Dort oder auch hier in Deutschland wird die Demokratie immer mehr abgeschafft!

Horacio Cartes, auch er ein echter Demokrat

Monterone @, Sonntag, 02.04.2017, 11:17 vor 2853 Tagen @ mh-ing 3922 Views

Die Tagesschau auf ihrer Website:

"So etwas hätte nicht einmal Stroessner gemacht - einfach das Feuer zu eröffnen", sagte Alegre. "Was da passiert ist, ist eine Tragödie." Alfredo Stroessner war der deutschstämmige langjährige Diktator, der Paraguay 35 Jahre lang bis 1989 beherrschte." https://www.tagesschau.de/ausland/paraguay-111.html

Georges Clemenceau (Sozialist) und Franklin D. Roosevelt (Demokraten) ließen streikende Arbeiter abknallen, weshalb man Horacio Cartes als Demokraten betrachten sollte.

Dafür spricht auch, daß er einer der reichsten Männer Paraguays ist und somit vorzüglich in das Konzept der Demokratie als Form der Gelddiktatur paßt.

Ob meine Zuordnung wirklich stimmt, hängt jetzt davon ab, ob Horacio Cartes eine Politik im Fahrwasser USraels bereibt oder im Sinne nationaler Souveränität agiert?

Folgt er wie Angela Merkel den Vorgaben aus Washington und orientiert sich am Globalismus, wären die beiden wichtigsten Merkmale gegeben, an denen man einen lupenreinen Demokraten erkennt.

Monterone

Regelmäßige Umfragen ergeben, dass sich über die Hälfte der Bevölkerung Strössner zurückwünschen.

EM-Financial @, Deutschland, Sonntag, 02.04.2017, 11:42 vor 2853 Tagen @ mh-ing 3962 Views

bearbeitet von unbekannt, Sonntag, 02.04.2017, 12:08

Hallo mh-ing,

Das Land litt
lange unter dem Diktator Strössner

Stimmt diese Aussage, oder ist sie nur von Dir ungeprüft aus den Pseudo-Nachrichtenquellen der Medienpropagandisten übernommen worden?

Immerhin schrieb die dpa noch 2006: "Wirtschaftliche Probleme, Militärrebellionen und die wuchernde Korruption lassen die Stroessner-Jahre vielen Paraguayern aber im Rückblick wieder in milderem Licht erscheinen. Bei Umfragen geben regelmäßig mehr als 50 Prozent der Befragten an, eine Diktatur der Demokratie vorzuziehen."

Was haben denn die "Demokraten" seit dem Ende von Strössner für Paraguay geleistet?

Meines Wissens war Strössner einer der weitsichtigsten Präsidenten, der das Land aufbaute, die Infrastruktur verbesserte, den Menschen Land gab, mehr als sie für den persönlichen Bedarf überhaupt benötigten. Er hat das Land nicht ausgebeutet und die Bürger nicht wie eine Zitrone ausgequetscht.

Aber Undank ist der Demokraten Lohn.

Ein Bundeskanzler "Strössner" von 1950 an, hätte Deutschland weniger schaden können als diese Okkupanten, welche sich gewählte Volksvertreter nennen.

Über die Gründe der Aufstände in Paraguay kann man viel diskutieren. Zum Teil sind die gewaltbereiten Aktivisten sicher auch zersetzende Elemente, die in der Hauptstadt herumlungern und von den US-Diensten eingespannt werden, um Unruhe zu stiften. Auch die "Demokraten" im Parlament sind beim Volk auf dem Lande verhasst. So gönnen sie sich bspw. eine extrem teure Privatkrankenversicherung für 200 Euro mtl. [[freude]]. Das wurde schon in den Zeitungen als Grund für die Unzufriedenheit zitiert. Im Vergleich dazu könnte man ja mal schreiben, welche Vergünstigungen ein deutscher Parlamentarier so erhält.

Hoffentlich finden die Paraguayer wieder zu ihrem wohlverdienten Frieden zurück, den sie sonst genießen dürfen. Ob es sich lohnt für die "Demokraten" eine Kugel einzufangen? Im Zweifel sollen die Marionetten doch da oben bleiben, besser kann es mit einem neuen Präsidenten auch nicht werden...

Gruß
EM-Financial

zwiespältig

mh-ing @, Sonntag, 02.04.2017, 13:30 vor 2852 Tagen @ EM-Financial 3720 Views

Die Diktatur unter Strössner wird zwiespältig gesehen. Es ist unbestritten, dass er vieles vorwärt brachte und wesentliche, heutige gute Dinge auf ihn zurück gehen:
Itapu-Staudamm und etliche andere Projekte wurden unter seiner Zeit gestartet, die Früchte ernteten teils später andere. Die machten dann so schlechte Geschäfte und Politik, dass Paraguay, das erste Land Lateinamerikas mit Bahnverkehr, sämtliche Züge und Gleise wegen dem hohen Schrottpreis verscherbelte. Der wesentliche Aufschwung von PY geht aber m.E. auf die Mennoniten zurück. Diese haben durch ihre Kooperativen die Keimzellen geschaffen, an denen sich die Wirtschaft entwickelt. Paraguay ist ein sehr starkes Land im Export von landwirtschaftlichen Gütern, 100% Strom aus Wasserkraft (wenn Stürme das Netz nicht lahmlegen...).

Das, worunter das Land besonders leidet ist die Korruption (auch die Mennoniten haben hier inzwischen ihre Skandale), die aber unter Strössner nicht wenig war. Er hat sich selbst intensivst bereichert. Zudem gab es eben etliches typisches einer Diktatur wie spurloses Verschwinden von Personen, Gewalt und Unterdrückung.

Ich war letztes Jahr in PY und habe das daher aus direkten Erzählungen und Berichten. Die öffentliche Infrastruktur ist ziemlich desolat und herunter gekommen. Die Korruption und die Geldgier ist enorm. Es ist aber ein sehr schönes Land, nette Leute und wenn man sich einrichtet ist die Korruption auch billiger als die hier zu zahlenden Steuern. Zudem sagen viele, dass man auf diesem Weg vieles eher und einfacher regeln kann. Eine ganz andere Mentalität halt, aber hat was.

Aus Paraguay erreicht mich folgende Leserzuschrift

EM-Financial @, Deutschland, Sonntag, 02.04.2017, 17:33 vor 2852 Tagen @ EM-Financial 4528 Views

bearbeitet von unbekannt, Montag, 03.04.2017, 17:31

Diese erlaube ich mir einmal ohne Kommentar, als Leserzuschrift einzustellen:

Ich habe einmal einen älteren Paraguayer nach seiner Meinung zum Unterschied zwischen der Diktatur Strössners und der heutigen Demokratie gefragt. Die Antwort:

Wenn bei Strössner 1 Dollar ins Land kam, dann waren 25 Cent für Strössner und 75 Cent für das Land. Wenn bei der jetzigen Demokratie 1 Dollar ins Land kommt, dann sind 1,50 Dollar für die Funktionäre und der Rest für das Land.

Es gäbe noch vieles dazu zu sagen, das Obige bringt es jedoch auf den Punkt mit allen Nuancen, die sonst noch dazu gehören. Der Paraguayer ist sehr geduldig, aber wenn es reicht, dann reicht es.

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