Inkassobüros: zweierlei Aufgaben, Mahnverfahren mit Forderungseinzug | Forderungsaufkauf und -beitreibung auf eigene Rechnung
bearbeitet von unbekannt, Mittwoch, 15.03.2017, 16:25
Eine Leserzuschrift hakte bei meiner Argumentation, der § 410 des Bürgerlichen Gesetzbuches sei hier nicht einschlägig, nach. Da Inkasso- und Mahnverfahren, Schufa-Einträge sowie Pfändungen doch regelmäßig das Gelbe Forum beschäftigen, so wie aktuell, auch im Zuge der rabiaten 'GEZ'-Pfändungen, hier eine etwas tiefschürfendere Erläuterung.
Inkassobüros treten i.d.R. in zweierlei Rolle auf:
1) Als ausgelagertes Mahnbüro
und
2) als Forderungsaufkäufer, -verwalter und -beitreiber.
Das u.g. Inkassobüro tritt zweifelsfrei in erster Rolle auf, zumal die Forderung ja nicht 'ausgeklagt' ist.
EXKURS: Drei Stadien von Forderungen
Ein Forderung kann
a) erhoben werden, regelmäßig z.B. als Resultat eines Kauf- oder Mietvertrages, nachdem die eine Vertragsseite (Verkäufer oder Vermieter) bereits geleistet hat (oder bei Vorkasse vor der zu erbringenden Leistung); in den meisten Fällen wird diese Forderung auch akzeptiert, d.h. sie wird beglichen, wenn der Schuldner es kann, aber auch wenn er es nicht kann, 'bekennt er sich schuldig'. Das ist die bestehende unbestrittene Forderung.
b) Eine erhobene Forderung kann 'bestritten' werden, was dann regelmäßig zu einem Rechtsstreit führt oder, bei Eigentumsvorbehalt, evtl. zur Zurückhaltung oder Rückforderung der Ware.
c) Eine bestrittene (b), oder unbestrittene (a) aber nicht beglichene, Forderung wird in aller Regel dann eingeklagt (Mahnbescheid ist ja i.W. das Gleiche), denn nur so kann
- einerseits die irgendwann eintretende Verjährung verhindert
und
- die Forderung dann auch durch Pfändung, Zwangsvollstreckung in Grundstücke oder Schiffe etc. beigetrieben werden.
Letzterer Fall kann in dem in a, zweite Alternative beschriebenen Fall des gutwilligen Schuldners, der aber nicht zahlen kann, vermieden oder zumindest hinausgeschoben werden, wenn er
- auf die Einrede der Verjährung verzichtet (dann kann er sie vor Gericht nicht geltend machen, das wäre rechtsmißbräuchlich)
- oder ein vollstreckbares Schuldanerkenntnis (z.B. vor einem Notar) unterzeichnet, aus dessen vollstreckbarer Urkunde dann vollstreckt werden könnte.
Das kann billiger sein, als es auf das Gerichtsverfahren hinauslaufen zu lassen, dessen Ausgang man ohnehin kennt, dessen Kosten dann aber höher ausfallen.
Der angesprochene § 410 tritt nun nur in Erscheinung, wenn das Inkassobüro 'in eigenem Namen' die Forderung eines früher anders lautenden Gläubigers beitreibt. Da ist aber Stadium c) bereits vorüber - der erste Gläubiger hat bereits geklagt und gewonnen, die Forderung liegt als Vollstreckungsbescheid oder vollstreckbares Urteil vor - nur dann kauft das Inkassobüro diese Forderung auf, s.u.
Ende des EXKURSES
Zu den o.g. zwei Varianten:
Zu 1): Das Inkassobüro wird im Wesentlichen aus drei Gründen von einem Gläubiger eingeschaltet:
I) Anders als die meisten Gläubiger selbst, kann das Inkassobüro 'seine Kosten' im Mahnverfahren zusätzlich geltend machen. Rein theoretisch könnte das ein lieferndes Unternehmen auch, aber da es i.W. nur 'seine' nachweislich zusätzlich zum Verkaufs- und Liefervorgang entstandenen Kosten berechnen darf, bedürfte das extremer kostenrechnerischer Vorkehrungen. Auf die Komplexität will ich hier nicht weiter eingehen, dazu müßte man tief in Fragen der Kostenrechnung und des Personalwesens (Stellenbildung) und der Organisationslehre (Aufbau- und Ablauforganisation) eingehen.
Jedenfalls: da das Inkassounternehmen auf Inkasso spezialisiert ist und es nicht nebenher eine KFZ-Werkstatt betreibt, ist es relativ einfach, bei Bestreiten der geforderten Kosten, den Anteil des jew. Mahnverfahrens an allen verwalteten Mahnvorgängen auszurechnen - wer das erfolgreich bestreiten wollte, hätte nicht nur entsprechende Rechtsprechung gegen sich, er müßte auch gewärtigen, wegen z.B. 20 Euro Differenz ein Gutachten einer Wirtschaftsprüfungskanzlei zu bestellen, das u.U. Tausende kostet und dann im Unterliegensfall zusätzlich auf diesen Kosten sitzen zu bleiben.
II): Inkassobüros sind ja, insbes. früher gewesen, meist auch Kreditauskunfteien. Bei ihnen sammelt(e) sich Wissen über Kreditwürdigkeit der Schuldner an einem Ort und auch darüber, wo was zu holen sein könnte (vgl. Nebengeschäfte der Telekom). Wie generell bei jeder Arbeitsteilung, verfügt ein solches spezialisiertes Unternehmen auch über bessere Geschäftsprozesse und kennt sich damit aus, solche Verfahren rechtssicher durchzuführen. Das eigentliche Gläubiger-Unternehmen dagegen müßte nun je nach Geschäftsanfall eine eigene Mahnabteilung unterhalten, die es, siehe I), nur unzureichend bezahlt bekäme, und deren Umfang auch noch saisonalen und konjunkturellen Bedingungen anpassen. Würde sich z.B. die Konjunktur verschlechtern, würde es nicht nur ohnehin im Kerngeschäft schlechter verdienen, sondern, wie bei Konjunturabschwüngen zwangsläufig zu beobachten, es würde sich auch die Zahlungsmoral der verbliebenen Kunden verschlechtern, d.h. es müßte in schlechten Zeiten mehr Mitarbeiter unproduktiv beschäftigen (in der Mahnabteilung). Das Inkassounternehmen enthebt das Gläubigerunternehmen solcher Investitionen in Zusatz-Kapazitäten, die sich dann hinterher nur schlecht wieder abbauen ließen.
III): Ein oft unterschlagener, aber nicht zu verachtender Aspekt ist die Kundenpflege. Gibt man konsequent alle Mahnvorgänge ans Inkassobüro, kann man immer noch ein relativ emotional unbelastetes Verhältnis zum säumigen Kunden pflegen, denn das 'böse' Schreiben kommt ja vom Mahnbüro. Weiterhin hat das Mahnbüro spezialisierte Anwälte an der Hand, so daß man auch hier nicht den Unternehmensanwalt bemühen muß (nicht nur kann der teurer sein, es kann auch sein, daß dieser auf anderen Gebieten durchaus vertrauensvoll mit Anwälten des Kunden verhandelt, etwa über neue Bauprojekte usw.). Dieses 'Tut mir leid, das haben wir ans Mahnbüro abgegeben, mit denen haben wir einen Vertrag, da müssen Sie sich an die wenden' als Telefonbescheid für zornige Kunden hat schon manche Geschäftsbeziehung erhalten oder wiederzubeleben gestattet, wenn die Konjunktur wieder besser wurde. Auch hat ja der säumige Kunde u.U. nur selbst einen 'Durchhänger', weil ihn seinerseits ein Kunde hat hängen lassen, d.h. es ist sinnvoll, hier nicht allzusehr über persönliche Verhätnisse parlieren zu müssen, das Inkassounternehmen enthebt einen dieser Diskussionen.
Zu 2) Manche Inkassounternehmen (nicht alle) betreiben auch noch einen zweiten Geschäftszweig, den des Forderungsaufkaufs und späteren Beitreibens auf eigene Rechnung. Dabei werden 'ausgeklagte', also rechtskräftige Forderungen, gegen die kein Einspruch mehr möglich ist (von unwahrscheinlicher Vollstreckungsgegenklage mal abgesehen), en masse aufgekauft, und zwar zu oft 90%igem Abschlag. Das scheint viel, aber dazu muß man bedenken, daß diese Forderungen ja im ersten Anlauf nicht beitreibbar waren - das hat man natürlich fruchtlos erstmal versucht. Für das urspr. Gläubiger-Unternehmen sind diese aber i.W. wertlos. Nach einem bis zwei Jahren wandern sie meist in den Archiv-Keller, und da Handelsrechnungen etc. nur sechs Jahre aufbewahrt werden müssen, werden (oder würden) sie oft auch mit entsorgt, denn auch der Archivballast kostet Geld.
Da lautet dann bei den meisten Versandhäusern z.B. die Devise 'fort mit Schaden'. Das Inkassounternehmen dagegen arbeitet ganz anders. das wartet dann geduldig, bis es z.B. erfährt, der Schuldner habe eine Erbschaft gemacht. Dank der besseren Marktübersicht und besserer Auskunftssysteme bekommt es mit, daß derjenige z.B. aus dem Gefängnis entlassen wurde und nun eine Arbeit erhalten hat und dann setzen sie sich auf die Spur solcher Gläubiger wie ein Bluthund und bleiben kleben wie eine Klette.
Dazu haben sie dann meist automatisierte Systeme, bei denen z.B. zu jedem Vorgang eine extra Telefonnummer im Telefonsystem eingerichtet wird. Dann werden massenhaft Briefe verschickt mit Aufschriften wie "Wir haben einen Vorschlag für Sie - rufen Sie diese Nummer an" - tut der Angeschriebene dies, landet er in einem Call-Center des Inkassounternehmens, dessen Mitarbeiterin in dem Moment den Vorgang auf den Bildschirm bekommt (wegen der individuellen Durchwahlnummer) und dann ein u.U. zuerst unverfängliches Gespräch beginnt, etwa, um herauszufinden, ob der Anrufer eine neue Arbeitsstelle hat usw. Meist macht man ihm dann einen Teilzahlungs-/Ratenzahlungsvorschlag oder ähnliches.
Jedenfalls verliert man den Kontakt nicht und da man durch den Massenaufkauf von Forderungen eine Bündelung erreicht, kann es durchaus sein, daß man wegen des 'einen' Kunden/Schuldners drei oder mehr Forderungen im Portfeuille hat, etwa, weil man von Zalando, Amazon und Quelle alle Forderungen aufgekauft hat und dieser bei mehreren Forderungsverkäufern in der Kreide stand.
Auch aus diesem Grunde ergeben sich Kostendegressions-Effekte, die das urspr. Gläubigerunternehmen niemals erzielen könnte. Also: statt eines Totalverlustes von 100% gewinnt das abgebende Gläubigerunternehmen 10% auf alle uneinbringlichen Forderungen und spart zukünftige Verwaltungsarbeit. Das aufkaufende Inkassounternehmen wiederum erzielt vielleicht eine Erfolgsquote von > 10%, bei der es jeweils 100% der Ursprungsforderung plus Kosten einnimmt, und davon lebt es dann (oft ganz gut), zumal ja darin seine Vorgangskosten, anders als beim urspr. Gläubiger, voll mit enthalten sind.
Und hier, in diesem Geschäftszweig, ist dann auch die genannte in § 410 des Bürgerlichen Gesetzbuches geforderte Abtretungsurkunde erforderlich, damit klar ist, warum das im Urteil auf Zalando lautende Forderungsguthaben denn nun an XYZ Inkasso überwiesen werden sollte, bzw. warum der Gerichtsvollzieher aus diesem Urteil vollstrecken, dann aber auf ein 'fremdes' Konto überweisen sollte.
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