Habe eine Basis Pkv mit ca. 800 oder 900 euro Selbstbehalt.
Hier ging es bei @eddie09 aber um 30.000 Euro oder noch mehr. Um eine KV, die gar nie zahlt, und dafür, so die Illusion, auch gar nie nichts an Prämie berechnet. Daher mein Begriff vom blutigen Versicherungslaien.
Von einer Rückenanekdote und Zahnbehandlung (beide Male ca. Je 5000 Euro Gesamtkosten) abgesehen, bin ich regelmässig unter dieser Schwelle.
Was ist 'regelmäßig'? Das ist ja gerade der Punkt bei einer Versicherung, daß sie mit statistischen (Normal-, wenn's gut geht) -Verteilungen arbeitet.
Praktisch heisst das, dass jahrelang gezahlt wird ohne mit der Krankenversicherung überhaupt zu kommunizieren.
Richtig. In dieser Zeit trägt sie das volle Risiko eines schweren Falles wie Michael Mross. Die ganze Zeit das ganze Risiko. Nur Laien nennen das 'nichts'.
Arztrechnungen fliegen in den Mülleimer.
Aber hoffentlich erst am Jahresende? Denn wenn am 31. Dezember ein Böller einen Schaden von 1.000 Euro (geplatztes Trommelfell, Notoperation am Auge) verursacht, dann wäre es schön, die Rechnung vom Februar noch mit einreichen zu können ...
Es gibt Beitragserstattungen von jeweils ein paar hundert Euro.
Beitragserstattungen sind aktuarisch dasselbe wie Selbstbehalte. Daher: eine PKV ohne Selbstbehalt gibt es, soweit ich weiß, gar nicht.
Aber:
Und ich überlege schon, ob der HNO Arzt wirklich sein muss?
Und da beginnen die Probleme der hohen Selbstbehalte (nur die wichtigsten Stichpunkte - das ist schließlich in Köln Gegenstand eines mehrjährigen Studienganges):
a) Je höher der Selbstbehalt, desto höher das Risiko, daß Krankheiten verschleppt werden. Daher desto höher das Risiko des Großschadenrisikos/chronischer Erkrankungen später im Leben. Daher: ab einem bestimmten (hohen) Selbstbehalt ist das zu kalkulierende Ausschüttungs-Risiko für den Versicherer wieder gleichgroß, wenn nicht größer, als bei einem Selbstbehalt, der nur Bagatellerkrankungen von der Erstattung ausschließt!
b) Jeder Versicherer bezieht seine aktuarischen Tabellen über die Krankheitshäufigkeiten und -kosten aus zwei Quellen:
- den allgemein zugänglichen Forschungsergebnissen u.a. allgemein zugänglichen Quellen, etwa Verbands-Statistiken
- den selbst aus den individuellen Verläufen (hoffentlich) zehntausender bis (besser) hunderttausender Mitglieder/Versicherter.
Bei sehr hohen Selbstbehalten tappt der Versicherer praktisch im Dunkeln. Weder gibt es von Verbänden u.a. allgemein zugängliche Quellen noch kann er sich selbst welche erarbeiten. Er muß also wesentlich höhere Risikozuschläge machen. Und das für einen Tarif, den nur wenige 'kaufen', d.h. höhere Vertriebskosten + Risiko, die eigentlichen Haupttarife zu 'kannibalisieren' (Auswirkungen unten, Tarifverbände).
c) Die Chance, daß der Kunde dann irgendwann höchst unzufrieden wird, eben weil die Rechnung für ihn nicht so aufgeht, wie erhofft, ist groß. Dann möchte aber der Kunde in den Tarif mit den niedrigeren Selbstbehalten flüchten. Das geht aber nur mit erneuter Gesundheitsprüfung, denn, siehe schlechte Datenlage, bei solchen Kandidaten muß man man mit überdurchschnittlicher Verschlechterung des Gesundheitszustandes gegenüber der regulären Alterskohorte rechnen. Nun ist der Kunde sauer, weil er höhere Risikozuschläge zahlen soll, als der Gleichaltrige, der fünf Jahre früher in den Standardtarif kam, und er nun gar für Vorerkrankungen mit schlechter Prognose Ausschlüsse hinnehmen muß, etwa eine zu spät erkannte Diabetes oder Hepatitis C gar nicht mehr ersetzt bekommt. Diese schlechte Presse für drei potentielle Kunden? Niemals!
Schliesslich latzt man die ersten 900 Euro selbst plus die entgangene Rückerstattung.
Rückerstattung und Selbstbehalt sind aktuarisch dasselbe, s.o.
Eine Bronchitis kostet dann gute 1200 Euro. Dann behandle ich mich lieber selbst oder flieg in den Süden.
Ja, da beginnt's mit der schleichenden Risikoverschlechterung. Natürlich gibt es immer den Einzelfall des gesundheitsbewußten Naturburschen. Der fühlt sich dann verkannt. Darauf kann man aber kein Versicherungsgeschäft gründen. Vielleicht Artabana ...
Deswegen müsste höherer Selbstbehalt dazu führen, dass viel weniger Lasten auf die KV zu kommen.
Aus den o.g. wesentlichen und noch viel mehr Gründen ist das, jedenfalls bei den hier in Rede stehenden 'Tarifen', ein Trugschluß!
Übrigens wurden aus ehemals 199 Dm inzwischen 360 Euro bei eher schlechteren Leistungen innerhalb von guten 20 Jahren.
Ja, das ist der im Gesundheitswesen höheren Preissteigerungsrate gegenüber dem allgemeinen Warenkorb geschuldet, was wiederum i.W. Auswirkung staatlicher Einmischung in die Preisgestaltungen im Gesundheitswesen ist, was darzulegen hier aber zu weit führen würde. Nur soviel: wären die Preise im Gesundheitswesen nicht gestiegen und hätte sich die Gesundheit aller Versicherten durchschnittlich sich nicht verschlechtert, wäre der Preis auch heute noch 199 Euro. Die Versicherung, der Vorstand, verdienen jedenfalls heute nicht mehr als damals!
Meine Erfahrung ist, dass niedrigerer Selbstbehalt überproportional teuer war/ist. Z.b. bei nur 500, - statt 800 Sb stieg der Jahresbeitrag gleich um 500,- Euro. Die Differenz zu sparen und dafür im Krankheitsfall mehr zu zahlen war stets rechnerisch positiv.
Deswegen sprach ich vom 'blutigen Versicherungslaien'.
Das hat -unter anderem- seinen Grund darin, daß jede Einreichung von Rechnungen einen aufwendigen Prozeß beim Versicherer auslöst: die einzelnen auf den Arztrechnungen enthaltenen Abrechnungsziffern müssen überprüft werden, z.T. umgeschlüsselt, es muß geprüft werden, ob nach gewähltem Tarif erstattungswürdig (Iris-Diagnostik beim Heilpraktiker enthalten - ja oder nein?), ob das Medikament dazu paßt, ob der Blinddarm nicht vor sieben Jahren 'schon mal entfernt' wurde usw.
Nehmen wir mal an, jede solche Prüfung verursacht intern 100 Euro Sachbearbeiterkosten, manchmal muß der ärztliche Dienst herangezogen werden, dann wird's noch teurer.
Nehmen wir an, der 'Kunde' geht im Januar, Februar ... bis Dezember jeden Monat zum Arzt, mal zur Vorsorge, mal wegen einer Grippe, mal wegen einer Impfung, mal, weil er sich schlapp fühlt. Kein ganz unmögliches Szenario. Jeden Monat fiele eine Rechnung von 'nur' 50 Euro an = 600 Euro/Jahr.
Nun reicht er aber, Pfennigfuchser, der er ist, auch jeden Monat die Rechnung über 50 Euro ein - Ergebnis für den Versicherer: Auslagen in Höhe von sage und schreibe 1.800 Euro!!!
Die Prämie sei 500 Euro/Monat 'ohne' Selbstbehalt.
Nun baut man eine Beitragsrückerstattung ein, die z.B. bei einem erstattungsfreien Jahr eine Monatsprämie rückerstattet.
Ergebnis: dieser Kunde wird nun erst im November oder Dezember, vermutlich erst im Dezember, alle diese Rechnungen einreichen. Ersparnis für den Versicherer: zwischen 1.000 und 1.100 Euro! Bei gleichen 'Leistungen' - aus Kundensicht!!! (1.000 Euro, wenn er bei Überschreiten im November schon einmal 550 Euro einrecht und dann für Dezember nochmal 50 - er wird aber eher die ganzen 600 Euro auf einmal einreichen).
Das Ganze verschärft sich, wenn jahrelang nicht abgerechnet wird (meine Praxis), denn der höhere Tarif bei niedrigerem Selbstbehalt ist ja regelmässig zu zahlen.
Wie gesagt, so einfach ist Krankenversicherungsmathematik nicht.
Kundensicht schön und gut, hin oder her, aber der Versicherer muß gleichgeartete Risiken in einen Verband zusammenfassen.
Hat er einen Tarif und 100.000 Versicherte, hat er eine riesige Risikostreuung, die schon ziemlich nahe an der der Gesamtbevölkerung liegen könnte (in Deutschland nicht, da z.B. junge Menschen gehindert sind, der PKV beizutreten, da man das erst ab einer bestimmten Einkommensgrenze darf - die staatlichen Eingriffe sind i.W. daran schuld, daß die PKV so 'schlecht' dasteht. Würde man z.B. Dieselfahrzeuge nur ab einem Jahreseinkommen von 200.000 Euro kaufen dürfen, würde eine 'Studie' der Verbraucherzentralen feststellen, welch schlechte Wirtschaftlichkeit Dieselfahrzeuge haben - was aber nur damit zu tun hätte, dass sich jemand mit 200.000 Euro Jahreseinkommen auch den größeren 'Schlitten' leisten wird - bitte jetzt nicht auf PKV übertragen, aber dort gibt es auch Verzerrungseffekte anderer Art.)
Nun macht er zehn Tarife mit gestaffelten Selbstbehalten:
- A0 mit null Prozent Selbstbehalt,
- A1 mit 100 Euro Selbstbehalt/Jahr
- A2 mit 200 Euro Selbstbehalt/Jahr
... bis
- A10 mit 1.000 Euro Selbstbehalt im Jahr.
Würden nun auf jeden Tarif je 10.000 Versicherte entfallen? Mitnichten!
Es käme zu erheblichen Verzerrungen: alle, denen der Arbeitgeber eh alles bezahlt, würden Tarif A0 wählen.
Alle, die selbstständig sind und sich gesund fühlen und sportlich, würden A10 wählen.
Am Ende wären in Tarif A0 43.356 Versicherte, in Tarif A10 meinetwegen 11.226 Versicherte, und bei allen anderen unvorhersagbar unterschiedlich viele. In Tarif A8 wären meinetwegen aber nur 433 Versicherte - anfänglich. Dann passiert einem Mitglied von Tarifverband A8 ein schrecklicher Unfall mit hohen Genesungskosten etc. - Und prompt kostet Tarif A8 im nächsten Jahr das ZEHNFACHE von Tarif A10 und das ACHTFACHE von Tarif A0. Wer gesund ist wechselt nun in A0 oder A10 oder wo auch immer hin. Nur SIEBEN Mitglieder, die zu krank sind und bereits 'gute Kunden' mit zehntausenden Euro 'Rück'-erstattung jedes Jahr, bleiben dem Tarif A8 erhalten. Guess what: im Folgejahr kostet der Tarif das HUNDERTFACHE von Tarif A10 und die ACHTZIGFACHE von Tarif A0!
Daher: der Tarif von @eddie09 wird nun neben eddie09 auch noch vom weltreisenden Herausgeber eines erfolgreichen Nachrichtenmagazins präferiert. Beide sind die einzigen Versicherten (sie wollten das ja so!), dank der großzügigen Bereitwilligkeit, diesen Sondertarif zu 'konstruieren' - nun ja, was wird passieren? Forist Eddie hat im Folgejahr den teuersten KV-Tarif der Welt.
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