EU hebelt Rechtsschutz für Schuldner und Bankguthaben aus

Revoluzzer @, Donnerstag, 16.02.2017, 16:46 vor 2838 Tagen 6565 Views

bearbeitet von unbekannt, Donnerstag, 16.02.2017, 16:50

Martin Armstrong berichtet, dass seit 18.1.17 ein EU-Gesetz in Kraft getreten ist, nach dem:

- Jedes Gericht in der EU, das einen Fall entscheiden darf,
- einen Vollstreckungsbescheid ausstellen kann,
- auf dessen Grundlage unmittelbar in Bankguthaben in anderen Ländern vollstreckt werden kann.

Das heißt praktisch, wenn ich es richtig verstanden habe: Ein Gericht in z.B. Rumänien kann einen Vollstreckungsbescheid in z.B. mein Bankguthaben in Deutschland ausstellen.

Es ist nicht mehr notwendig, wie bisher, einen Vollstreckungsbescheid im Heimatland zu erwirken!

Der Vollstreckungsbescheid aus dem Ursprungsland - oder jedem anderen EU-Land, das irgendwie zuständig ist - reicht aus.

Im Extremfall: Die Betrügerbande aus Polen erwirkt einen Vollstreckungsbescheid in Malta und .... vollstreckt in mein Konto in Deutschland.

Dem Schuldner, also z.B. dem schwerhörigen, nur deutschsprachigen, gehbehinderten 75jährigen Rentner aus Wanne-Eickel, bleibt (die EU ist ja großzügig und ein (Un-)Rechtsgebilde) die Möglichkeit Rechtsmittel einzulegen - im Ausland. Sprich: Soll er sich einen Anwalt in Malta oder Rumänien oder sonstwo suchen.

Bisher war es so, dass ein Vollstreckungsbescheid für Deutschland nur von einem deutschen Gericht ausgestellt werden konnte. Man konnte sich also im Inland rechtlich verteidigen. Das geht jetzt nicht mehr. Da muss man sich z.B. in Rumänien einen Anwalt suchen.

Das ist eine so dramatische rechtliche Veränderung, die sollte höchste Wellen schlagen - was sie natürlich nicht tut, denn unsere MSM sind ja EU-Fachso hörig.

Disclaimer: Wenn ich das Alles als nicht Jurist so richtig verstanden habe.

Revo.

Prinzipiell zu EU-Verordnungen

Orlando ⌂ @, Donnerstag, 16.02.2017, 16:58 vor 2838 Tagen @ Revoluzzer 4881 Views

Die EU erlässt keine Gesetze, die dann automatisch in allen Ländern gelten. Soweit ist der EU Superstaat noch nicht und so weit wird es voraussichtlich so schnell auch nicht kommen.

Diese Verordnungen müssen in allen Mitgliedstaaten von den Parlamenten daselbst beschlossen werden, um überall nationales Recht zu werden.

Hier ist der Text auf deutsch:

http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1487260343875&uri=CELEX:32014R0655

Das ist m.W. nicht so.

Revoluzzer @, Donnerstag, 16.02.2017, 17:03 vor 2838 Tagen @ Orlando 4537 Views

Hallo Orlando,

bist Du sicher?

Die EU erlässt keine Gesetze, die dann automatisch in allen Ländern
gelten.

Das kommt m.W. auf die Zuständigkeit an. Wenn die EU ausschließlich zuständig ist, dann müssen die Nationalstaaten das umsetzen. Da gibt es keine Widerspruchsmöglichkeit mehr (oder nur theoretisch).


Soweit ist der EU Superstaat noch nicht und so weit wird es

voraussichtlich so schnell auch nicht kommen.

Siehe oben. Das ist m.W. in Teilen schon so.

Bin aber kein Fachmann.

Revo.

Ja, aber die Transformation in nationales Recht ist ja (Vertrags-) Pflicht

Literaturhinweis @, Donnerstag, 16.02.2017, 17:53 vor 2838 Tagen @ Orlando 4082 Views

bearbeitet von unbekannt, Donnerstag, 16.02.2017, 18:00

Die EU erlässt keine Gesetze, die dann automatisch in allen Ländern gelten.

Auch das kann sie zum Teil, zudem haben manche EU-Richtlinien bereits Voraus-Wirkungen.

Vgl. Daniel Scharf: Die Kompetenzordnung im Vertrag von Lissabon – Zur Zukunft Europas: Die Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon (PDF, 34 Seiten, Seite 14: 1. Ausschließliche Unionszuständigkeiten)

Soweit ist der EU Superstaat noch nicht und so weit wird es voraussichtlich so schnell auch nicht kommen.
Diese Verordnungen müssen in allen Mitgliedstaaten von den Parlamenten daselbst beschlossen werden, um überall nationales Recht zu werden.

Das nützt aber nichts, denn der nationale 'Gesetzgeber' muß in nationales Recht umsetzen und darf nur den evtl. vorgegebenen Gestaltungsspielraum ausnutzen.

Vgl. z.B. die leidige Antidiskriminierungsrichtlinie.

Vgl. Streinz: Europarecht.

Dennoch ist der Anlaß des Threads etwas cum grano salis zu genießen.

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Verordnungen gelten sofort in allen Mitgliedstaaten

Martin @, Donnerstag, 16.02.2017, 18:02 vor 2838 Tagen @ Orlando 4143 Views

Das Umsetzen in nationales Recht durch nationale Parlamente betrifft/betraf die Richtlinien. Die EU erlässt aber heute in der Regel Verordnungen, die Umsetzung in nationales Recht durch die Parlamente entfällt.

Die EU erlässt keine Gesetze, die dann automatisch in allen Ländern
gelten. Soweit ist der EU Superstaat noch nicht und so weit wird es
voraussichtlich so schnell auch nicht kommen.

Diese Verordnungen müssen in allen Mitgliedstaaten von den Parlamenten
daselbst beschlossen werden, um überall nationales Recht zu werden.

Hier ist der Text auf deutsch:

http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1487260343875&uri=CELEX:32014R0655

Da übertreibt der Martin Armstrong aber ein 'bißchen' - es geht nicht um die Vollstreckung, nur den 'Arrest'

Literaturhinweis @, Donnerstag, 16.02.2017, 17:40 vor 2838 Tagen @ Revoluzzer 4582 Views

Das heißt praktisch, wenn ich es richtig verstanden habe: Ein Gericht in z.B. Rumänien kann einen Vollstreckungsbescheid in z.B. mein Bankguthaben in Deutschland ausstellen.

Nein, heißt es nicht, es muß, insbesondere bei Verbraucherstreitigkeiten, in der Regel ein Gericht im Land des Verbrauchers angerufen werden.

Es ist nicht mehr notwendig, wie bisher, einen Vollstreckungsbescheid im Heimatland zu erwirken!

Doch, um zu vollstrecken schon - hier geht es nur darum, das Geld 'einzufrieren', falls, und nur falls, ansonsten Gefahr besteht, daß die rechtmäßige Forderung nicht mehr oder nur noch erschwert beigetrieben werden kann, etwa, weil der Gläubiger sein Geld 'in Sicherheit bringt'.

Das wäre also z.B. folgender Fall: Versandhändler aus Italien hat an deutschen Verbraucher geliefert - verklagen muß er ihn in Deutschland.

Dann verschiebt der deutsche Gläubiger Geld auf ein Konto in Frankreich, um den Vollstreckungsversuch des italienischen Gläubigers zu vereiteln, der -bisher- dann erst in Frankreich den Titel hätte für vollstreckbar erklären lassen müssen. Nunmehr kann er stattdessen direkt das Einfrieren des vollstreckbaren Betrages auch in Frankreich beantragen.

Bis er es ausgezahlt erhält, ist dann nochmal eine ganz andere Nummer.

Der Vollstreckungsbescheid aus dem Ursprungsland - oder jedem anderen EU-Land, das irgendwie zuständig ist - reicht aus.

Das war auch bisher schon so, daß ein rechtskräftiges Urteil aus EU-Land A in EU-Land B vollstreckt werden konnte. Nur war das Geld bis dahin u.U. weg - nun ist das Arrestieren des Geldes einfacher geworden.

Im Extremfall: Die Betrügerbande aus Polen erwirkt einen Vollstreckungsbescheid in Malta und .... vollstreckt in mein Konto in Deutschland.

Nein, die Forderung muss existieren! Nur in Eilfällen reicht die Glaubhaftmachung; das gab es bisher auch schon: Einstweilige Verfügung. Und vollstreckt wird gar nichts, das Geld ist lediglich eingefroren!

Dem Schuldner, also z.B. dem schwerhörigen, nur deutschsprachigen, gehbehinderten 75jährigen Rentner aus Wanne-Eickel, bleibt (die EU ist ja großzügig und ein (Un-)Rechtsgebilde) die Möglichkeit Rechtsmittel einzulegen - im Ausland. Sprich: Soll er sich einen Anwalt in Malta oder Rumänien oder sonstwo suchen.

Nein, war der Rentner Verbraucher (Online-Kauf von Waren für den privaten Gebrauch), muß die Klage in Deutschland erhoben werden (Präambel, Ziffer 13).

Bisher war es so, dass ein Vollstreckungsbescheid für Deutschland nur von einem deutschen Gericht ausgestellt werden konnte.

Nein.

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Danke, wobei da wohl der Fehler eher bei mir lag.

Revoluzzer @, Donnerstag, 16.02.2017, 17:59 vor 2838 Tagen @ Literaturhinweis 3811 Views

Danke für die qualifizierte Beurteilung!

a) Ich denke, der Fehler liegt weniger bei Armstrong, als bei dem, was ich von ihm verstanden zu haben glaubte.

b) Ist das Ganze doch trotzdem noch eine wesentliche Sache: Einfrieren heißt ja trotzdem, dass ich nicht mehr über mein Guthaben verfügen kann, weil irgendein Gericht im Ausland es so beschließt.

c) Konnte ein ausländisches Gericht bisher schon ein im Inland gültige "Einstweilige Verfügung" erlassen?

Revo.

Einstweilige Verfügung/Anordnung innerhalb EU grenzüberschreitend schon lange zulässig

Literaturhinweis @, Donnerstag, 16.02.2017, 18:18 vor 2838 Tagen @ Revoluzzer 3927 Views

bearbeitet von unbekannt, Donnerstag, 16.02.2017, 18:28

b) Ist das Ganze doch trotzdem noch eine wesentliche Sache: Einfrieren heißt ja trotzdem, dass ich nicht mehr über mein Guthaben verfügen kann, weil irgendein Gericht im Ausland es so beschließt.

Ja, aber mal grundsätzlich: die Fälle, in denen ein ausländisches Gericht so etwas beschließt, in denen das inländische Gericht das nicht genauso beschlossen hätte, dürften im Promille-Bereich liegen! Einzig könnte es sein, daß es in verschiedenen EU-Ländern unterschiedlich lange dauert, wegen anderer Rechtswege bzw. Belastung der Justiz; und sicher sind die Rechtsmittel und deren Fristen andere.

c) Konnte ein ausländisches Gericht bisher schon ein im Inland gültige "Einstweilige Verfügung" erlassen?

Es waren grenzüberschreitende Vollstreckungen in vielen Fällen schon lange möglich. Grundsätzlich ist das Prozeßgericht auch für die Eilanträge zuständig, alles andere wäre ja widersinnig (darum geht es in der genannten Verordnung auch nur um Sicherungs- nicht Vollstreckungsmaßnahmen - und das wird sich auch nie ändern, schon seit den römischen Pandekten nicht)!

Es gibt natürlich länderspezifische Abweichungen, und die wird es auch immer geben.

Auch eine einstweilige Verfügung ist vollstreckbar - wie sollte also EU-grenzüberschreitender Warenverkehr zustande kommen im großen Umfang, wenn nicht auch das Vollstreckungsrecht grenzüberschreitend Schritt hielte?

Schwierigkeiten gibt es derzeit bei den durch Auslandsberührung verlängerten Verfahrenswegen - grade darum braucht es wohl den vorauseilenden Arrest.

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deutsche Fassung

mh-ing @, Freitag, 17.02.2017, 08:06 vor 2837 Tagen @ Revoluzzer 3581 Views

Hier der Link zur deutschsprachigen Fassung:
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014R0655&qid=1487314...

Zitate daraus:
Artikel 2
Anwendungsbereich
(1) Diese Verordnung gilt für Geldforderungen in Zivil- und Handelssachen bei grenzüberschreitenden Rechtssachen im
Sinne des Artikels 3, ohne dass es auf die Art des Gerichts ankommt. Sie gilt insbesondere nicht für Steuer- und
Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten oder die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte („acta jure imperii“).
(2) Diese Verordnung gilt nicht für:
a) die ehelichen Güterstände oder Güterstände aufgrund von Verhältnissen, die nach dem auf diese Verhältnisse anzuwendenden Recht mit der Ehe vergleichbare Wirkungen entfalten;
b) das Gebiet des Testaments- und Erbrechts, einschließlich Unterhaltspflichten, die mit dem Tod entstehen;
c) Forderungen gegenüber einem Schuldner, gegen den Insolvenzverfahren, Vergleiche oder ähnliche Verfahren eröffnet
worden sind;
d) die soziale Sicherheit;
e) die Schiedsgerichtsbarkeit.
(3)
Diese Verordnung gilt weder für Bankkonten, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Konto geführt wird, nicht gepfändet werden dürfen, noch für Konten, die im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Systems im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a der Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (1) geführt werden.
(4) Diese Verordnung gilt nicht für Bankkonten, die von oder bei Zentralbanken geführt werden, wenn diese in ihrer
Eigenschaft als Währungsbehörden tätig werden.

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