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Real-Enzyklopädie (25): "Ersparnisse"

Geschrieben von dottore am 23. Dezember 2001 15:14:37


Hi,

immer wieder wird die Behauptung aufgetischt, dass es in einem Kreditgeld-System so etwas wie "Ersparnisse" geben könne.

Das Modell, das - auf den ersten Blick einleuchtend - dahinter steht, sieht so aus:

Ein Arbeiter erhält 1000 € Lohn oder Gehalt und legt davon 200 € auf die Seite. Dabei hortet er nicht etwa die 200 € (Matratze), sondern zahlt die 200 auf einer Bank ein.

Hat der Arbeiter etwas gespart?

Zunächst scheint es so. Es ist aber mitnichten der Fall.

Verfolgen wir nämlich die 1000 € bis zu ihrer Entstehung, kommen wir zu einem ganz anderen Ergebnis. Die 1000 € nehmen wir der Einfachheit halber als Banknoten.

Diese Banknoten existieren nicht als solche, sondern sind immer Resultat eines Geschäftes zwischen einer Bank und der Notenbank, bei der diese Bank als Geschäftspartner zugelassen ist.

Die Bank kann nur an die 1000 € kommen, nachdem sie ein Pfand in gleicher Höhe auf dem Pfandkonto der Notenbank hinterlegt hat.

Dieses Pfand ist - wie oft genug gepostet - heute immer ein Schuldtitel.

In der Bankbilanz sieht das so aus:

Aktiva (zunächst):

10.000 € Schuldtitel (Pfandbriefe, Schuldverschreibungen. Staatspapiere).

Aktiva (nach der Pfandoperation mit anschließender Vergabe von 1000 € Banknoten an die Geschäftsbank):

1000 € Banknoten

9000 € noch nicht verpfändete Titel.

(Die Operation wird realiter über einen Ausgleichstitel auf der Passivseite - Position 1b - abgewickelt, wodurch formell die 10.000 € aktiv erhalten bleiben und 1000 € passiviert werden, was aber für die Sache selbst keine Rolle spielt.)

Dadurch, dass die Bank überhaupt 1000 € bar in ihre Bücher nehmen kann, verändert sich die Aktivseite in keiner Weise - sie besteht nach wie vor auf 10.000 € (saldiert mit dem 1000 € betragenden Passivposten).

Die Bank reicht dann die 1000 € an die Firma weiter, bei welcher der Arbeiter beschäftigt ist und diese an den Arbeiter.

Damit hat jetzt der Arbeiter die 1000 € in Form von Banknoten. Er hat diese Banknoten - durchgerechnet - nicht als eine in sich ruhende Nettoposition, sondern die 1000 € sind nach wie vor nichts anderes als der Ausdruck für die jene 1000 €, die im aller ersten Schritt von der Geschäftsbank gegen Verpfändung von 1000 € Sicherheiten bei der Notenbank abgeholt wurden.

Zahlt der Arbeiter jetzt 200 € bei der Geschäftsbank (dem Bankensystem) ein, kann die Bank diese 200 € genau so wieder an einen anderen Kunden weitergeben wie sie schon die ersten 1000 € an die Firma weitergereicht hat, die den Arbeiter beschäftigte.

Sie kann die 200 € aber auch verwenden, um ein Pfand in gleicher Höhe bei der Notenbank auszulösen.

Was die Bank tun wird, entscheidet ihre Kalkulation.

Sie hat sicher:

Die Zinsen auf das bei der Notenbank hinterlegte Pfand.

Sie muss sicher:

Die Monopolprämie bezahlen ("Notenbanksatz"), der ihr von der Notenbank abgefordert wird und dies für die Zeit, da sie das nur von der Notenbank erstellbare gesetzliche Zahlungsmittel benötigt.

Nehmen wir an, der Monopolsatz entspricht dem Zinssatz des hinterlegten Pfandes, dann muss die Geschäftsbank den Zinssatz berücksichtigen, den sie ihrerseits bezahlen muss, um die Sicherheit (Pfand) zu finanzieren, die sie selbst finanziert hat.

Beispiel A:

Sicherheit (Pfand) verzinst sich mit 5 % p.a. Die Refinanzierung der Sicherheit kostet 4 % p.a. Der Notenbanksatz liegt bei 5 % p.a. Die Marge der Bank liegt also bei 1 % p.a. Für diese 1 % p.a. kann sie die von der Notenbank angebotene Liquidität in Form von gesetzlichem Zahlungsmittel nutzen, was durchaus Sinn macht, zumal, wenn sie für die Weitergabe von Banknoten noch eine zusätzliche Marge einstreichen kann.

Die Marge muss wenigstens die Kosten der Bank decken. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Refinanzierung auf Dauer nur möglich ist, wenn sie zu den 5 % p.a. durchgeführt wird, die Liquidität letztlich kostet.

Da notenbankfähige Sicherheiten bereits refinanziert sind, dauert die Anpassung entsprechend ihre Zeit.

Beispiel B:

Sicherheit: 5 % p.a. Notenbanksatz 5 %. Refinanzierung neuer Sicherheiten ebenfalls 5 % (die alten Sicherheiten wurden im Zeitablauf sämtlich fällig und können nur zu diesen Konditionen prolongiert bzw. neue zu diesen Konditionen aufgenommen werden). Sind die Konditionen querbeet erreicht, werden sich die Geschäftsbanken neues Notenbankgeld nur beschaffen wollen, wenn sie sicher sind, dass sie eine Marge am Markt für die Vergabe von gesetzlichem Zahlungsmittel erzielen, die ihre Kosten (inkl. Abschreibungen, Risikovorsorge usw.) decken.

Es kommt also niemals auf die Zinshöhe selbst an, sondern immer ur darauf, ob die Margen weiter gereicht werden können.

Nun zu den Ersparnissen:

Eine Ersparnis kann es in einem Kreditgeldsystem - gesamtwirtschaftlich - niemals geben. Denn alles, was gespart wird, ist nichts als eine potenzielle Reduktion der bereits existenten Verschuldung.

In einem System, das nur auf Verschuldung bzw. deren Verschiebung auf der Zeitachse (aus Pfandbrief mach - gegen Monopolprämie - Bargeld) sind sämtliche Ersparnisse in summa nichts anderes als potenzielle oder aktuelle Verschuldungsminderungen. Potenziell: Sie können von den Banken, in die sie - konkret in Form von Forderungszessionen - zurückkehren noch ein weiteres Mal zum Ersatz abgeschlossener Verschuldungsvorgänge genutzt werden.

Oder aktuell: Die Banknoten, die bei einer Bank eingezahlt werden gehen von dieser sofort an die Notenbank zurück, um die dort von der Bank hinterlegten Pfänder auszulösen.

Was letztlich Folgendes bedeutet:

1. Es kann niemals in Form der Weiter- bzw. Rückgabe von Forderungen gespart werden.

2. "Echte" Ersparnisse sind niemals schuldrechtlich möglich.

3. "Echte" Ersparnisse sind ausschließlich sachenrechtlich ("real") möglich).

4. Ein Kredit- und (!) Kreditgeldsystem kann keine Ersparnisse kennen.

5. Das Verleihen von Forderungen ist ein Unding. Das Beleihen ist jederzeit möglich ("Kreditpyramide").

6. Wenn jemals eine Rückkehr zum "Sparen" beabsichtigt wird, dann kann es nur über das Sparen in "real things" gehen. Dazu bietet sich vor allem GOLD an.

Die ist zum einen theoretisch ableitbar. Die Ökonomie geht bekanntlich von der einfachen Gleichung aus: Y = C + I. (Y = Yield = Sozialprodukt) besteht also aus Konsum- und Investitionsgütern. Investitionsgüter unterscheiden sich von Konsumgütern dadurch, dass sie in der Periode selbst nicht verkonsumiert werden. Ob sie auch als "Investitionen" wirken, d.h. später zur Erstellung (z.B. über ein Werkzeug oder eine Maschine) von BIP in späteren Perioden dienen, ist dabei völlig offen (und interessiert hier nicht weiter).

Letztlich müssten sie ohne hin zur Erzeugung von Konsumgütern dienen, denn die Erstellung von Investitionsgütern, aus denen nichts "kommt", was eben etwas "Verwendbares", also "Verkonsumierbares" wäre, macht keinerlei ökonomischen Sinn. Die Probleme von historische bedeutsamen Investitionen (= Nichtkonsum), die erschienen sind (Kirchen, Pyramiden etc.) muss natürlich gesondert untersucht werden, was auch zu einer Erweiterung des Konsumbegriffs führen könnte (Kirchgang als Konsum, Bestaunen von Pyramiden als Konsum usw.).

Zweifellos handelt es sich aber bei I um etwas tatsächlich Erstelltes. Somit besteht das Y aus erstellten Konsum- und Nichtkonsumgütern.

Nun gibt es eine zweite Gleichung: Y = C + S. S ist dabei die "Ersparnis". Und aus beiden Gleichungen wird dann abgeleitet: I = S. Diese Ersparnis kann zunächst keine in Form von Forderungen sein, wie es allgemein verstanden wird, also in dem Sinne, dass alle die erstellten Konsumgüter verbrauchen und daneben Forderung auf andere Konsumgüter haben, deren Genuss man aber noch in die Zukunft vortragen will. Auch eine Deutung, dass K direkt verkonsumierte Konsumgüter sind und S Ansprüche auf erzeugte Konsumgüter, die ein Teil der Berechtigten anderen Konsumenten abtritt, kann nicht funktionieren, da sonst nur Konsumgüter erzeugt worden wären: Solche, die ein Teil verkonsumiert und solche, die ein anderer Teil verkonsumiert, denen sie in Form von S "geliehen" worden waren.

Dann wäre Y = K, wobei sich die Verteilung der K unterschiedlich darstellt: Die einen verzichten auf K, die anderen konsumieren mehr K als ihnen - durchschnittlich - zustünde, usw. .

Das kann also nicht weiter führen. Wenn das I = S überhaupt einen Sinn machen soll, dann muss es sich bei I um konkrete Gegenstände handeln, die nicht verkonsumierbar sind, woraus folgt, dass nur in etwas gespart werden kann, was nicht verkonsumierbar ist.

Womit wird wieder bei der Realgeschichte des Sparens sind, die jahrhundertlang aus dem Sparen in Edelmetall bestanden hat, was auch erklärt, dass es eine fast unübersehbare Häufung von Münzfunden gibt, die Forschern immer neue Achtung und Bearbeitung abfordern, vgl. neben vielem anderen

Coin Finds and Coin Use in the Roman World (Oxforder Symposion, erschienen 1996) oder Patrick M. Brunn: Die spätrömische Münze als Gegenstand der Thesaurierung (1987).

Das Thesaurieren war also nichts als "Sparen" im wahren Sinn des Wortes, das sich bis zum Ende des 15. Jh. auch als äußerst lohnend erwies, da der Preis der Ersparnisse (Silberkaufkraft All-time-High 1477) ständig stieg (verglichen mit der Menge anderer Waren, die man dafür tauschen konnte).

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, gab es zu Beginn des 16. Jh. für Einlagen bei Bankiers (für "Ersparnisse" mit Sonderverwahrung also) keine Einlagenzinsen (Beispiel: Einlagen des Humanisten Peutinger bei der Welser-"Bank" in Augsburg). Zumeist musste für die Depositen vom Deponenten sogar eine Gebühr bezahlt werden, woraus der Gewinn der Bank resultierte.

Auch die wenig später entstandenen "Banquen" (Venedig, Nürnberg, Amsterdam, Hamburg) waren keine Banken, die Spareinlagen einnahmen; das bei ihnen deponierte Edelmetall blieb unverzinslich und diente ausschließlich dazu, Giralgeschäfte abzuwickeln (man schrieb auf den Konten zu oder ab).

Der Quantensprung hin zur Entgegennahme von Depositen gegen Zins erfolgte Mitte des 17. Jh. durch Banken in England und die bekannten schottischen Landbanken (vgl. Gilbart: Laws of the Currency, Stat. Journal 1854), wobei es zum Zins auch Varianten gab (kostenlose sonstige Geschäftsbesorgung u.ä.).

In den älteren Handelsgesetzen werden auch Deposita (also, was wie heute als "Ersparnisse" bezeichnen), die vom Depot weiter benutzt werden konnten, erwähnt (Piacenza 1371, Bergamo 1457); anderseits wurden in Spanien Wechsler, die das bei ihnen liegende Geld weiter "verwendeten" ausdrücklich als Räuber bezeichnet (vgl. Hübner, Die Banken, 58). Entsprechend gab es den "Bankrott" = die "Banca rotta" - den umgestürzten Tisch des Wechslers, der das Depot nicht herausrücken konnte.

Doch der große Trend startete erst um 1700. Zum einen wurden Gelder (also vorhandenes Metall) gebündelt und zu Aktiengesellschaften vereint, von denen die Bank of Scotland die erste war:



Sie startete 1695 mit 1.200.000 Pfund, wobei die "Gründer" sozusagen ihre eigenen Deponenten waren. Die Bank konnte dann die Deposita weiter verleihen, was riskant war und durch die Haftungsbeschränkung der AG ("joint stock company") ausgeschaltet wurde, weshalb es da eines Parlamentsprivilegiums bedurfte. Vorher gab es nur gesamtschuldnerische Totalhaftung!

Eine anderen Weg ging Preußen, indem 1769 "Ersparnisse", die bei den Sparern sich befanden in die Königliche Banque umgleitet wurden und dies mit dem Versprechen einer 3prozentigen Verzinsungen (plus Zusicherung, die Gelder nur in sicheren Hypotheken anzulegen):



Eine ähnliche "Special-Garantie" gab es schon vorher bei Gerichtsdepositen und Mündelgeldern.

Aus diesen Anfängen heraus entwickelten sich dann auf breiter Front die "modernen" Banken, deren gemeinsames Merkmal allerdings stets geblieben war, konkrete Ersparnisse, d.h. also Edelmetall als Depositum entgegen zu nehmen.

Hübner hatte sich die Mühe gemacht, sämtliche Mitte des 19. Jh. existierenden 1305 Banken zu untersuchen und kam dabei auf diese Zahlen:

1. Bankkapital insgesamt: 1,085 Mrd Taler (Tlr = später = 3 Mark).
2. Ausstehende Noten insgesamt: 1,026 Mrd Tlr.

Da die Noten zunächst Depotscheine waren (die allerdings ihrerseits wieder zu "Ersparnissen" herangezogen werden konnten) und die "Deckungen" höchst unterschiedlich waren, lassen sich keine weiteren detaillierten Aussagen treffen (auch fehlen vielerseits Angaben). Aber immerhin sind Größenvorstellungen möglich, z.B. betrug der deutsche Bargeldbestand 1876 dann etwas mehr als 3 Mrd. Mark (= 1 Mrd. Tlr).

Um zum Ausgangspunkt zurückzukehren: In der Zeit einer Metallwährung existierten also konkrete "Ersparnisse" in Form von Depositen in specie (Metall), die bei Banken hinterlegt waren (unbeschadet deren Weiterverwendung durch die Depotanstalt, alias Bank).

Von diesen Ersparnissen unterscheidet sich das, was wir heute als "Ersparnisse" bezeichnen fundamental. R.Deutsch hatte in Friedrichroda ausführlich auf diese Dinge hingewiesen.

Wer heute 100.000 € in einer Bank einzahlt, zahlt nicht eine "Sache" ein, sondern er übergibt der Bank eine Forderung. In Forderungen kann aber nicht "gespart" werden. Forderungen eignen sich nur zur Abtretung (Zession).

Da sämtliche Forderungen immer gleich hohen Verbindlichkeiten (Schulden) entsprechen, bedeutet "Sparen" heute immer nur die Minderung von Verbindlichkeiten, gesamtwirtschaftlichen natürlich.

Würden alle Banknoten an die Banken, aus denen sie letztlich nur ans Publikum gekommen sein können, da nur Banken Zugang zur Notenbank haben, zurückgegeben ("gespart"), würden die Banken die Noten sämtlich an die Notenbank zurückgeben, da sie das Publikum nicht mehr benötigt.

Die "Ersparnisse" wären physisch verschwunden. Was bliebe, wären Ansprüche des Publikums, wieder mit Banknoten ausgestattet zu werden, sobald die "Sparfrist" abläuft. Um sich die dann benötigten Banknoten zu beschaffen, müssten die Banken wieder in Geschäftsbeziehung zur Notenbank treten und sich dort - gegen Hinterlegung dann ZB-fähiger, also bereits existenter Schuldtitel - die benötigte Beträge in Form von Banknoten abholen.

So wenig wie es Nettogeld geben kann, kann es also Nettoersparnisse geben. Dies gilt sub summa aller Volkswirtschaften, auch wenn der Augenschein uns anderes zu lehren scheint, nämlich wenn wir Leute sehen, die Geld "in Händen haben" oder "sparen". Es können immer nur einzelne sein, niemals alle.

Weihnachtsgrüße

d.