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Le Bon täglich (16) - Wie wirke ich auf Massen ein?

Geschrieben von dottore am 04. August 2000 12:10:45


"Wenn es sich daraum handelt, eine Masse für den Augenblick mitzureißen und sie zu bestimmen, irgend etwas zu tun..., so muss man sie durch raschen Einfluss auf wirken. Der erfolgreichste ist das Beispiel."

(An der Börse drückt sich jeder davor. Weder kennen wir das private Depot von Herrn Breuer noch das von Frau Weisenborn, usw. In den Börsenblättern werden immer auch nur "Musterdepots" aufgelegt. Selbst Greenspan ist kein gutes Beispiel, denn zum einen darf er keine Aktien haben, wie alle, die in den USA wichtige Ämter bekleiden, zum anderen: wer macht schon in Bonds, wenn die Börse abgeht, zum dritten: An seinem Portefeuille hatte er 1999 große Verluste, hatte ich glaube, schon mal gepostet.

Was ein Beispiel dennoch vermag, zeigt amazon.com, wo der Kurs massiv niederging als Jeffs treueste Anhängerin unter den Analysten "das Handtuch" warf. Ein anderes Beispiel ist der berühmte Brief von John D. Rockefeller, kurz nach dem 29er Crash, als er in seiner schönen, klaren Schrift die Nation wissen ließ, dass er und sein Sohn "noch nie so optimistisch" gewesen seien für US Economy, "wie heute"hin gekauft hätten.

Andererseits versuchten einige Banker 1929 die Katastrophe dadurch aufzuhalten, dass sie persönlich an der NYSE erschienen, und Aktien mit Geldkursen an sich zogen, die weit über den letzten Notizen lagen - es nutzte nichts. Dazu Galbraith & Granville lesen! Das mit dem Beispiel kann wirken, kann auch nicht, es kommt darauf an, wie die Massen präpositioniert sind, siehe gleich dazu. Ich bin mir sicher, dass jetzt ein Breuer-Zitat - er war ja lange Börsenchef - in dem Sinne: "Heute habe ich alle meine Aktien verkauft" den Dax schlicht töten würde. Umgekehrt ein "Heute habe ich sogar Kredit aufgenommen, um die Aktien auf dem niedrigen Niveau zu kaufen"? Würde den Dax erst recht in die Tiefe jagen, siehe dazu gestern die Martyriums-Sucht der Führer).

"Handelt es sich jedoch darum, der Massenseele Ideen und Glaubenssätze langsam einzuflößen, so wenden die Führer verschiedene Verfahren an: die Behauptung, die Wiederholung und die Übertragung (contagion). Ihre Wirkung ist ziemlich langsam, aber ihre Erfolge sind von Dauer."

(Wie unschwer nachzuvollziehen, hunderte von Beispielen in der Geschichte).

"Die reine, einfache Behauptung ohne Begründung und jeden Beweis ist ein sicheres Mittel, um der Massenseele eine Idee einzuflößen. Je bestimmter eine Behauptung, je freier sie von Beweisen und Belegen ist, desto mehr Ehrfurcht erweckt sie."

(Ich darf nur an Kostos "Dornröschen-Schlaf" erinnern, ein perfektes Beispiel dazu).

"Die Behauptung hat aber nur dann wirklichen Einfluss, wenn sie ständig wiederholt wird, und zwar möglichst mit den selben Ausdrücken. Napoleon sagte, es gäbe nur eine einzige ernsthafte Redefigur: die Wiederholung. Das Wiederholte befestigt sich so sehr in den Köpfen, dass es schließlich als eine bewiesene Wahrheit angenommen wird."

(Ich hatte die Freude, sehr oft zusammen mit Kostolany vor Publikum zu sprechen. Immer sah ich in den ersten Reihen die gleichen Gesichter. Die Menschen, zu denen sie gehörten, waren weit gereist, um nur ja den großen Aktien-Propheten nicht zu verpassen, der in immer gleichen Worten, mit kräftiger und klarer Stimme, seine Rede hielt. Ich war da nur die Side-Show, obwohl ich in der Gold-Hausse der 70er durchaus auch mal die Haupt-Show war. Einmal, Gold war schon deutlich sichtbar gekippt, hatte ich in Linz 1400 Zuhörer, mehr als jemals ein Nachkriegs-Politiker in dem Großen Saal zusammenbracht hatte. Und alle wollten von mir nur die Wiederholung hören, von wegen: Gold schlendert jetzt mühelos auf 10.000 oder so.

Als ich die Leute dann enttäuschen musste, gingen sie verstört nach Hause, änderten aber ihre Meinung in keiner Weise. Ich selbst habe übrigens meine Ansicht über die Inflation, und dass sie immer weitergehen müsse, erst angefangen zu überdenken, als mich Dr. H.-D. Schulz - ja genau der! - einmal nach einem Vortrag fragte, ob ich mir nicht auch mal ein "deflatorisches Szenario" vorstellen könnte.

Ich war geschockt, und ging subito in mich. Danach habe ich meine VWL-Theorien noch einmal Punkt für Punkt überprüft und kam nach langer schwieriger Denkarbeit endlich dahinter, initiiert zum einen von Heinsohn/Steiger und gemeinsam entwickelt dann mit Dipl.-Ing. Walter Lüftl, ein Hochgenuss übrigens, mit Naturwissenschaftlern zu arbeiten; die haben nie ein Problem damit gehabt, die "neuen" Gedanken nachzuvollziehen).

"Wenn eine Behauptung oft genug und einstimmig wiederholt wurde, wie das bei gewissen Finanzunternehmungen der Fall ist, ... so bildet sich das, was man eine gestige Strömung (courant d'opinion) nennt, und der mächtige Meschanismus der Ansteckung kommt dazu. Unter den Massen verbreiten sich Ideen, Gefühle, Erregungen, Glaubenslehren mit ebenso starker Ansteckungskraft wie Mikroben. Diese Erscheinung beobachtet man auch bei Tieren, wenn sie in Scharen zusammen sind. Ein Schreck, die wirre Bewegung einiger Schafe greift bald auf die ganze Herde über. Die Übertragung der Gefühle erklärt die plötzlichen Paniken..."

(Bestens herausgearbeitet!)

Montag: Der Nimbus, wie er kommt und geht.