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Le Bon täglich (11)

Geschrieben von dottore am 28. Juli 2000 12:02:36


"Man kann nicht mit unbedingter Bestimmtheit sagen, dass Massen durch Schlussfolgerungen nicht zu beeinflussen wären. Aber die Beweise, die sie anwenden, und die, welche auf sie wirken, scheinen vom Standpunkt der Logik so untergeordneter Art, dass man sie allein mit Hilfe der Analogie als Schlüsse gelten lassen kann. ... Die von den Massen in Verbindung gebrachten Ideen sind nur durch Ähnlichkeit und Aufeinanderfolge verknüpft."

(Gutes Beispiel von Le Bon dazu, aus dem Reich der Eskimos: Eis ist durchsichtig, schmilzt im Mund zu Wasser; also stecke ich mir jetzt ein Stück Glas in den Mund. Diese Analogie-Schlüsse dominieren besonders die Charttechnik, die sogar klassisch. Im Unterschied dazu die EWA, die aus dem auf Analogieschlüssen beruhenden also bereits erfolgten (!) und nach den menschlichen Pattern immer wieder (!) erfolgenden sub-rationalen Verhalten der Massen ihre Schlüsse zu ziehen sucht).

"Verknüpfung ähnlicher Dinge, wenn sie auch nur oberflächliche Bezeihungen zueinander haben, und vorschnelle Verallgemeinerungen von Einzelfällen, das sind die Merkmale der Massenlogik... Eine logische Kette unumstößlicher Urteile würde für die Massen völlig unfassbar sein."

(Dies wird beim nächsten Crash, wenn es denn einer wird, sehr interessant werden, weil die Massen sich dann der Frage stellen müssen, wie's denn nun weiter geht, aber dann treten wieder die klugen Massenbeeinflusser auf und werden ihnen sagen: Schaut doch 1987 an - danach gings doch erst richtig los; die Logik der kommenden Baisse wird die Masse der Anleger nie begreifen können und deshalb so schmerzhaft darunter leiden müssen).

"Die Urteile, die die Massen annehmen, sind nur aufgedrängte, niemals geprüfte Urteile."

(Siehe nochmals "Aktien müssen langfristig immer steigen", gestern).

"Der Schein hat in der Geschichte immer eine größere Rolle gespielt als das Sein. Das Unwirkliche hat stets den Vorrang vor dem Wirklichen."

(Erlebt man an sich selbst übrigens jeden Tag, wir alle sind deshalb natürlich "massen-anfällig" und müssen höllisch aufpassen, uns nicht gegenseitig in was reinzuquatschen! Auch ein kleines Board ist tendenziell eine "Masse", auf die Zahl der Beteiligten kommts nicht an).

"Alles, was die Phantasie der Massen erregt, erscheint in der Form eines packenden, klaren Bilde, das frei ist von jedem Deutungszubehör und nur durch einige wunderbare Tatsachen gestützt: einen großen Sieg, ein großes Wunder, ein großes Verbrechen, eine große Hoffnung."

(Nach diesem SWVH-Prinzip arbeite ich hier jeden Tag und es funktioniert gar allerliebst; der Profi nennt das "Blattmischung"; auch jedem "Volksredner" dringend anzuraten, manche gute Reden sind bis heute nach diesem Muster aufgebaut, speziell die der Amerikaner).

"Nicht die Tatsachen als solche erregen die Volksphantasie, sondern die Art und Weise, wie sie sich vollziehen. Sie müssen durch Verdichtung ein packendes Bild erzeugen, das den Geist erfüllt und ergreift. Die Kunst der Einbildungskraft der Massen zu erregen, ist die Kunst, sie zu regieren."

(Den Schuh zieht sich die große Zeitung gern an, auch wenn "regieren" heute nicht mehr gilt; dazu sind die Medien, alias die "Massenmedien" inzwischen schon viel zu subtil geworden und die Massen in bezug auf ihre Beeinflussbarkeit ebenfalls - macht das "Geschäft" immer schwieriger. Dem TV geht's genau so).

Montag erst wieder, dafür sehr interessant: Was treibt die Meinungen der Massen an (Täuschung, Erfahrung, Vernunft usw.)